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BERICHT/251: Stellungnahme von FIAN Deutschland zum Austritt aus dem Flower Label Program (FoodFirst)


FoodFirst Ausgabe 1/2012
FIAN Deutschland - Mitgliedermagazin für das Menschenrecht auf Nahrung

Stellungnahme von FIAN Deutschland zum Austritt aus dem Flower Label Program



FIAN Deutschland ist zum 31. Dezember 2011 aus dem Flower Label Program (FLP) ausgetreten. FIAN zieht damit die Konsequenz aus dem Zusammenbruch des FLP in 2011. FIAN Deutschland hat das FLP 1999 mitbegründet. Seitdem hat FIAN die Nichtregierungsorganisationen (NRO) im FLP-Vorstand vertreten sowie die Zertifizierung der Blumenbetriebe organisiert und durchgeführt. Dieses Engagement hat maßgeblich zu der hohen Glaubwürdigkeit des FLP in der Öffentlichkeit, der Zivilgesellschaft und im BLumensektor beigetragen.


ErfoLge des FLP

FLP hat viele Erfolge zu verzeichnen. Wir haben einige unserer Ziele durch unser Engagement im FLP erreicht: Arbeitsplatzsicherheit, Zahlung von Mindest- oder Tariflöhnen, Gesundheitsschutz, Mutterschutz, Verbot von Kinderarbeit, Vertretung der ArbeiterInnen und das Verbot von hochgefährlichen Pestiziden sind zentrale Verbesserungen für die Arbeitsbedingungen der BlumenarbeiterInnen in FLP-Betrieben. Sie führen dazu, dass ArbeiterInnen einen höheren Anteil ihres Lohns für Lebensmittel ausgeben und sich besser ernähren können.

FIAN setzt sich als Menschenrechtsorganisation für das Recht sich zu ernähren ein. Als Initiator der Blumen-Kampagne und Gründungsmitglied des FLP hat FIAN gemeinsam mit den anderen NROs und Gewerkschaften seinen Schwerpunkt neben Umweltstandards auf die Einhaltung der Sozialstandards gelegt. Inzwischen haben alle anderen Siegel des Sektors ebenfalls Sozialstandards in ihre Programme aufgenommen. FLP gilt dabei als eines der glaubwürdigsten Siegel auf dem Markt. Der internationale Verhaltenskodex (ICC, International Code of Conduct) für die Schnittblumenproduktion setzt seit 1998 klare Maßstäbe. Er enthält Arbeits-, Sozial- und Umweltkriterien, die auf den UNO-Menschenrechtspakten, den relevanten Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und Umweltnormen beruhen. 20.000 ArbeiterInnen in Schnittblumen-Plantagen in Afrika, Asien und Lateinamerika, die FLP zertifiziert sind, profitieren direkt vom ICC: er gewährt ihnen ihre Rechte. Allgemein steht die Schnittblumenproduktion in Übersee heute weniger skandalös da als vor 14 Jahren. Sozial- und Umweltstandards spielen eine größere Rolle - das ist ein klarer Verdienst derjenigen Organisationen, die mit Bedauern heute nicht mehr ihren Platz im FLP haben.


Schwächen des FLP

Den Erfolgen des FLP stehen strukturelle Schwächen gegenüber: die Freiwilligkeit des Siegels und seine Abhängigkeit vom Markt. Diese strukturellen Schwächen haben neben der weltweiten Wirtschaftskrise wesentlich zu den gegenwärtigen Problemen des FLP beigetragen. So konnte FLP letztlich nicht alle Standards durchsetzen, ohne seine finanzielle Grundlage zu gefährden. Die in den letzten beiden Jahren verstärkte Forderung des Zertifizierungskomitees nach Durchsetzung von Gewerkschaftsfreiheit in allen FLP-Betrieben und zur Zulassung von BeobachterInnen bei den Inspektionen hat zu einer großen Zahl von Austritten und Dezertifizierungen von FLP-Farmen geführt. Parallel hat der Blumenhandel es versäumt, FLP ausreichend zu bewerben und FLP-Ware (kenntlich) in den Handel zu bringen. Darüber hinaus hat das FLP in den letzten zwei Jahren einen zentralen internen Konflikt nicht lösen können: Während die FLP-Produzenten ein geschlossenes Handelssystem mit höheren Preisen oder festen Abnahmemengen durch die HändlerInnen verlangten, lehnten die HändlerInnen dies mit der Begründung ab, dass nicht alle FLP-Farmen eine ausreichende Qualität lieferten.


Lösungsvorschlag zurückgewiesen

FIAN hat angesichts dieser Situation gemeinsam mit den anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen im FLP vorgeschlagen, dass die Geschäfte des FLP an Fairtrade übergeben werden. Dadurch hätten zumindest die hohen Arbeits- und Umweltschutzstandards der FLP-Betriebe in Entwicklungsländern gesichert werden können. Doch der Vorschlag wurde von ProduzentInnen und HändlerInnen abgelehnt. Da FLP seit September 2011 aufgrund fehlender Finanzen nicht mehr handlungsfähig ist und weder ProduzentInnen noch HändlerInnen bisher ein tragfähiges Konzept zur Weiterführung des FLP vorgelegt haben, besteht die Gefahr, dass das Siegel missbraucht wird. Unternehmen können damit werben, ohne dass tatsächlich geprüft wurde, ob sie die FLP-Standards einhalten.


FIAN zieht Konsequenzen

Als Menschenrechtsorganisation, die für verbindliche Regeln eintritt, kann FIAN Deutschland FLP aus den genannten Gründen nicht länger unterstützen. Wir sind immer parallel zu unserer Arbeit im FLP auch erfolgreich gegen Verletzungen von Rechten der BlumenarbeiterInnen auf Länder-, Fall- und individueller Ebene vorgegangen. In Uganda wurde mit Unterstützung von FIAN die Gewerkschaft der BlumenarbeiterInnen im Blumensektor nach zweijährigem Kampf von den ProduzentInnen anerkannt. Auf einer kolumbianischen Farm konnte mit Hilfe von FIAN Gewerkschaftsfreiheit durchgesetzt werden. Die Witwe eines ugandischen Blumenarbeiters, der an den Folgen einer Pestizidvergiftung gestorben war, erhielt nach einer internationalen Briefaktion von FIAN die ihr gesetzlich zustehende Entschädigung.

Wir werden auch weiterhin für soziale Menschenrechte in der Plantagenproduktion eintreten und unsere Partnerorganisationen in den Produktionsländern nicht im Stich lassen. Der Schwerpunkt wird dabei auf Existenz sichernden Löhnen liegen. Ein Menschenrecht, das erfahrungsgemäß den meisten PlantagenarbeiterInnen vorenthalten und mit freiwilligen Standards nicht durchgesetzt wird.

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Quelle:
FoodFirst - FIAN Deutschland - Mitgliedermagazin für
das Menschenrecht auf Nahrung, Ausgabe 1/2012, Seite 10
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedelerstraße 13, 50969 Köln
Tel. 0221/7020072, Fax 0221/7020032
E-Mail: fian@fian.de
Internet: www.fian.de
 
Erscheinungsweise 4 Ausgaben/Jahr
Einzelpreis: 4,50 Euro
Abonnement: 15,- Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. September 2012