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EUROPA/018: Was tun gegen Landgrabbing in Deutschland? (FoodFirst)


FoodFirst Ausgabe 2/2016
FIAN Deutschland - Mitgliedermagazin. Für das Menschenrecht auf Nahrung

Was tun gegen Landgrabbing in Deutschland?

Von Willi Lehnert, Bündnis Junge Landwirtschaft


Wem gehören Grund und Boden, und warum sind sie in den letzten Jahren so wertvoll geworden? Insbesondere für junge Leute stellt sich hier die Gretchenfrage: Ist es bei diesen Preisentwicklungen überhaupt noch möglich, in die Landwirtschaft einzusteigen und einen Betrieb fortzuführen? Diese Fragen hängen eng mit dem Thema Bodenpolitik zusammen, die Flächenausstattung eines Betriebs ist für das Überleben ausschlaggebend. Es könnte sich für den ländlichen Raum lohnen. Das Interesse an der Landwirtschaft steigt wieder und Agrar-AbsolventInnen von Ausbildung und Hochschulen sehen in den Letzten Jahren immer mehr eine Perspektive in der Landwirtschaft.


Doch die Situation ist trotz hoher Motivation nicht einfach. Insbesondere die ostdeutsche Bodenpolitik stützt nach wie vor Großbetriebe, und hochsubventioniert durch die EU-Förderpotitik haben sich Strukturen etabliert, in denen wenige Unternehmen sehr viel Land unterm Pflug haben. Immer mehr sogenannte außerlandwirtschaftliche Investoren sehen ein attraktives Investment in der Landwirtschaft, besonders in den neuen Bundesländern. Die Bodenpreise sind günstiger, und die großräumige Agrarstruktur ermöglicht eine "effiziente" Bewirtschaftung mit großen Maschinen und wenig Arbeitskräften. Und ein Ende ist nicht abzusehen, eher ist durch die weitere Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) eine Abkehr vom "Krumengold" vorerst nicht zu erwarten.

Dabei gäbe es mit einer aktiven Bodenpolitik konkrete Gestaltungsmöglichkeiten und vor allem die Chance, der Flächenkonzentration entgegenzuwirken. Was ist dahingehend auf bundespolitischer Ebene passiert?

Das Problem der Agrarinvestitionen und der Flächenhäufung bei wenigen Unternehmen ist bekannt, und Lippenbekenntnisse wie "dass man da etwas tun müsse" haben wir von vielen gehört. Nur Taten folgen leider nicht. Um das Große und Ganze zu bewegen, muss häufig ins Detail eingestiegen werden.

So gab es 2014 seitens der Länder und des Bundes Anstrengungen, bei den Flächen, die sich nach wie vor im öffentlichen Eigentum befinden, die Verwaltung und damit auch die Vergabe neu zu regeln. Ein großes Vorhaben, leider nur mit dürftigem Ergebnis. U.a. wurde in einer Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft die "Allgemeine Situation" analysiert und über Handlungsoptionen, gesetzliche Vollzugsdefizite sowie zukünftige bodenpolitische Ziele beraten. Als Fazit hält der Abschlussbericht der Arbeitsgemeinschaft fest, dass das ganze Thema viel zu komplex sei und innerhalb einer Arbeitsgruppe gar nicht bewältigt werden könne. Auch gebe es verschiedenste Standpunkte und Perspektiven der einzelnen Länder und ihrer bodenpolitischen Ausrichtungen, sodass es nicht möglich sei, diese alle unter einen Hut zu bekommen.

Die Forderungen von Interessenvertretungen wie dem Bündnis Junge Landwirtschaft nach einem Flächenpool. für JunglandwirtInnen wurde zwar diskutiert, aber letztendlich von der Politik nicht weiter verfolgt, was die Unbeweglichkeit des Systems zeigt. Konkrete handlungsorientierte Ansätze wird es somit aus der Arbeitsgruppe nur in sehr begrenztem Maße geben.

Für uns heißt das nun: Ja, es ist komplex, daran verzagen wir aber nicht, sondern bleiben trotzdem dran. Es zeigt sich hierbei aber, dass man nicht auf höheren Ebenen für allgemeine Lösungen kämpfen kann. Im konkreten Fall liegt der Teufel nämlich im Detail. Denn sämtliche Gesetzgebung rund um den Boden ist in den Landesparlamenten beheimatet. So werden wir weiter unsere Positionen für JunglandwirtInnen z.B. im Landtag Brandenburg vertreten. Die Verfassung des Landes gibt uns scheinbar Rückenwind: So verkündet Artikel 40, dass landeseigener Boden vorzugsweise verpachtet werden solle. Darauf werden wir die Landesregierung eindringlich hinweisen und aufzeigen, wer die zukünftigen PächterInnen sein könnten: Junge, motivierte Menschen, die sich in der Region engagieren und für den Wochenmarkt statt den Weltmarkt gute Lebensmittel erzeugen wollen.

KONTAKT: Willi Lehnert,
Landgrabbing-presse@riseup.net
www. buendnisjungelandwirtschaft.org

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Quelle:
FoodFirst - FIAN Deutschland - Mitgliedermagazin für
das Menschenrecht auf Nahrung, Ausgabe 2/2016, Seite 7
Herausgeber: FIAN Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
Tel. 0221/7020072, Fax 0221/7020032
E-Mail: fian@fian.de
Internet: www.fian.de
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. August 2016

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