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LATEINAMERIKA/070: Brasilien - Die Rückkehr der Gemeinde Brejo dos Crioulos auf ihr Land (FoodFirst)


FoodFirst Ausgabe 2/2012
FIAN Deutschland - Mitgliedermagazin für das Menschenrecht auf Nahrung

Es gibt Tage des Kampfes und Tage des Sieges -
die Rückkehr der Gemeinde Brejo dos Crioulos auf ihr Land

Von Célia Varela und Jônia Rodrigues
(Sekretariat von FIAN Brasilien)



Die Gemeinde von Brejo dos Crioulos ist eine aus 512 Familien bestehenden Quilombola-Gemeinschaft, die im Norden des brasilianischen Bundesstaates Minas Gerais lebt. Bei den Quilombola handelt es sich um Nachkommen entflohener afrikanischer Sklaven. Die Familien kämpfen für die rechtliche Anerkennung ihres Landes und damit für ihr Menschenrecht auf Nahrung.


Mehr als 13 Jahre des Widerstands liegen hinter der Gemeinschaft. FIAN Brasilien hat diesen Kampf seit 2008 gemeinsam mit anderen Organisationen unterstützt. Dies hat entscheidend zur Beschleunigung des Prozesses und zum Empowerment, also der Stärkung der Gemeinschaft beigetragen. Höhepunkt der Aktionen war eine große Demonstration vor dem Präsidentenpalast, die zur Unterzeichnung des "Dekrets vom 29. September 2011" durch die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff führte. In diesem Dekret werden die zum Territorium des Quilombos Brejo dos Crioulos gehörenden Ländereien zu "Land von sozialem Interesse" erklärt. Damit ist das Land für den Prozess der Landtitelvergabe freigegeben.

Mit der Unterschrift unter dieses Dekret hat der brasilianische Staat das Recht der Menschen von Brejo dos Crioulos auf ihr Territorium anerkannt. Dies bedeutet nicht nur für die Betroffenen, sondern für das ganze Land einen großen Fortschritt bei der Umsetzung der Menschenrechte. Das Dekret könnte zum Präzedenzfall werden, denn es ist das erste und bisher einzige der Regierung Rousseff, das eine Enteignung und Entschädigung der aktuellen Eigentümer von Land, das einer Quilombola-Gemeinschaft zusteht, umsetzt.

Das Dekret ist zwei Jahre lang gültig. In diesem Zeitraum müssen die entsprechenden Enteignungsprozesse umgesetzt werden; erst dann können Landtitel ausgestellt werden. Daher sind eine weitere Beobachtung des Falles und andauernder Druck nötig, um die Umsetzung des Dekrets zu erreichen und zu verhindern, dass es den Familien von Brejo dos Crioulos ebenso ergeht wie jenen 44 Quilombola-Gebieten, deren Land seit 2006 von der brasilianischen Regierung freigegeben wurde. Von diesen 44 Gebieten haben lediglich drei ihre Landtitel erhalten.

Seit Dezember 2011 führt FIAN Seminare und Workshops mit den Familien und den übrigen Partnern durch, um Strategien festzulegen und Aktionen zu planen, die diesen schwierigen Umsetzungsprozess befördern können. Dabei wurde festgestellt, dass die Gemeinschaft und ihre lokale Interessenvertretung gestärkt sowie ein effektives Monitoring der Umsetzung des Dekrets durchgeführt werden müssen. Daher wurden folgende Strategien festgelegt:

1. Stärkung der politischen Arbeit vor Ort: Erstellen eines Fortbildungsplanes gemeinsam mit den Familien und Planung gemeinsamer strategischer Aktionen - Durchführung halbjährlicher Treffen.

2. Politischer Druck: Lobbyarbeit bei regionalen sowie nationalen Behörden, Kommissionen und Entscheidungsträgern.

3. Monitoring der Umsetzung des Dekrets: Festlegen von Zielen und Einhaltung der entsprechenden Fristen durch die Behörden.

Die ersten Schritte auf diesem Weg wurden bereits durchgeführt. Am 21. März gab es ein Treffen mit der Agrarreformbehörde INCRA. Dabei wurde vereinbart, dass INCRA das Ziel der Besichtigung der elf größeren Ländereien bis Juni erreichen wird. Diese Ländereien umfassen etwa 70 Prozent des gesamten betroffenen Territoriums. Die übrigen 79 kleineren Ländereien werden anschließend besichtigt. Diese Strategie hat den Vorteil, dass die Gemeinschaft die Ländereien nach der Enteignung nutzen kann, ohne dass die Titelvergabe abgewartet werden muss.

Falls die für die Enteignungen notwendigen Schritte nicht bis September 2013 durchgeführt werden, müsste ein neues Dekret erlassen werden. Das würde den Prozess der Landtitelvergabe noch weiter verzögern. Daher ist die Arbeit von FIAN beim Monitoring und der Stärkung der Quilombola-Gemeinschaft von großer Bedeutung.

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Quelle:
FoodFirst - FIAN Deutschland - Mitgliedermagazin für
das Menschenrecht auf Nahrung, Ausgabe 2/2012, Seite 9
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedelerstraße 13, 50969 Köln
Tel. 0221/7020072, Fax 0221/7020032
E-Mail: fian@fian.de
Internet: www.fian.de
 
Erscheinungsweise 4 Ausgaben/Jahr
Einzelpreis: 4,50 Euro
Abonnement: 15,- Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. September 2012