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MITTELAMERIKA/102: Kolumbien - andauernde Unterdrückung wegen der Ölpalme


peace brigades international - Internationale Friedensbrigaden - pbi Rundbrief 01/06

Andauernde Unterdrückung wegen der Ölpalme

Drohungen gegen Vertriebene in den humanitären
Zonen im Chocó, Kolumbien


Pbi beobachtet mit Sorge die zunehmenden Drohungen gegen MitarbeiterInnen der interkirchlichen Kommission Gerechtigkeit und Frieden und der vertriebenen Familien am Fluss Curvaradó, Region Chocó im Nordwesten Kolumbiens. Einer der Protagonisten für eine Rückkehr der Vertriebenen ist DON ENRIQUE PETRO HERNANDEZ, er ist nach 10 Jahren zurückgekehrt und hat einen Teil seines Landbesitzes für die Schaffung einer humanitären Zone zur Verfügung gestellt. Nun wagen weitere Familien die Rückkehr. pbi begleitet die Kommission Gerechtigkeit und Frieden bei ihrer Arbeit mit den Vertriebenen-Gemeinschaften.

Landwirtschaftsminister Andrés Felipe Arias hat die Rückgabe von mehr als 25.000 Hektar Land an ihre ursprünglichen Eigentümer angekündigt, welche sich Unternehmen zur Anpflanzung der afrikanischen Ölpalme auf illegale Weise angeeignet hatten. Es geht um ein Gebiet im Department Chocó, welches von den Flüssen Jiguamiandó und Curvaradó eingefasst wird, das nach Angaben des staatlichen Menschenrechtsbeauftragten den Vertriebenen- Gemeinschaften durch Drohungen und Zwangsumsiedelungen ab 1996/97 entrissen wurde. Die Bekanntmachung rief Argwohn unter einigen Palmöl-Unternehmen der Region hervor: Diese beschuldigen internationale humanitäre Organisationen und die Kommission Gerechtigkeit und Frieden, sie hätten die Armut und die Rückkehr der Gewalt in der Region begünstigt und stünden hinter der Aktion des Landwirtschaftsministeriums. Einige der rechtmäßigen Landeigentümer, wie Don Petro haben bereits Drohungen von Seiten der Paramilitärs erhalten, in denen diese warnen: "Im Moment ist es nicht möglich, an Don Enrique Petro heranzukommen, weil er mit den Ausländern und Begleitern unterwegs ist, aber es wird möglich sein, an das heranzukommen, was ihn am meisten schmerzt, nämlich an seine Kinder und seine Familie". Die Region Curvaradó ist beispielhaft für das, was in vielen Regionen Kolumbiens gegenwärtig geschieht, in denen indigene und afrokaribische Gemeinden bedrängt und umgesiedelt werden, um Projekte agroindustrieller Ausbeutung zu ermöglichen.

Bereits 2003 hat der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte Schutzmaßnahmen für die Gemeinden und Familien im Jiguamiandó und Curvaradó angeordnet und fordert deren Einhaltung vom kolumbianischen Staat. (Auszug: Focos de Interés Nr. 101, Oktober 2006, pbi Kolumbien)


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DON PETRO wurde vor 67 Jahren in Monteria, im Department Córdoba geboren, aber Wurzeln geschlagen hat er auf einem Grundstück in Andalucía, am Fluss Curvaradó im Department Chocó. Dort baute er gemeinsam mit seiner Frau und seinen Kindern Reis, Mais, Yucca und Bananen an und widmete sich der Viehzucht für die Selbstversorgung in der Region. Dann kamen die Paramilitärs. Viele Menschen wurden ermordet. Diejenigen, die am Leben blieben, mussten vor der Bedrohung fliehen. Heute hat DON PETRO nur ein kleines Eckchen Land, um inmitten riesiger Ölpalmenplantagen zu überleben. Mit Unterstützung der Menschenrechtsorganisation "Interkirchliche Kommission Gerechtigkeit und Frieden" ('Justicia y Paz') versuchen einige NachbarInnen auf ihre Grundstücke zurückzukehren. Solange ihr Kampf andauert, hat DON PETRO ihnen ein Stück Land zum Leben geliehen. Dort stellen sie sich nun gemeinsam neuen Drohungen und warten darauf, eines Tages zurückzubekommen, was Ihnen rechtmäßig gehört.

Im Folgenden drucken wir ein Interview von LAURA CHINCHETRU URIZAS (pbi-Kolumbienprojekt) mit DON PETRO ab, die ihn auf der dritten Versammlung der Nationalen Bewegung der Opfer staatlicher Gewalt traf:

Laura Chinchetru Urizas:
Ich weiß nicht, ob Sie sich mit dem Wort Opfer identifizieren - einige tun das, andere nicht?

Don Petro:
Ja, wir sind Opfer. Und wir sind Opfer des Staates! Sie haben bewaffnete Gruppen geschickt, um uns unser Land zu entreißen! Die Paramilitärs haben einen meiner Söhne und einen meiner Brüder getötet. Und die Guerilla einen weiteren Sohn, dabei haben sie uns als Kollaborateure bezeichnet.

Laura Chinchetru Urizas:
Welche Bedeutung hat diese nationale Zusammenkunft der Opfer?

Don Petro:
Uns wurde gesagt, dass wir bald unser Land zurückbekommen und für den erlittenen Schaden eine Wiedergutmachung erhalten würden. In meinem Fall sollen die Verluste auf der Basis meiner früheren Produktion berechnet werden, d.h. was ich in diesen Jahren hätte erwirtschaften können. Aber ich mache mir fast mehr Sorgen um meine Nachbarn, die sehr isoliert leben und denen es schlecht geht. Das Bewegende an dieser Versammlung ist, so viele Leute zu treffen, die gemeinsam die Wahrheit aussprechen und die Verbrechen beim Namen nennen. Das bedeutet, dass die Angst zu reden schwindet, und das ist gut so.

Laura Chinchetru Urizas:
Bei welchen Institutionen fanden Sie Unterstützung und welche Hilfe haben Sie vermisst?

Don Petro: Am Anfang haben wir uns an die staatlichen Menschenrechtsbeauftragten gewandt und deren Worte klangen sehr gut, bis sie mit den Plantagenbetreibern gesprochen haben. In dem Moment hat sich ihre Haltung geändert. Eines Tages kamen die internationalen humanitären Organisationen und die Kommission Gerechtigkeit und Frieden. Sie haben mir geholfen und gaben mir Hoffnung. Auch die Unterstützung der internationalen Organisationen ist eine Freude für mich. Ich fühle mich nicht so alleine, sie sorgen dafür, dass ich mich sicherer fühle und sind sehr liebevoll mit mir und meinen Leuten umgegangen.

Laura Chinchetru Urizas:
In welche Richtung entwickelt sich dieser Prozess? Sind Sie optimistisch?

Don Petro:
Ich glaube, dass wir uns auf die Wiedererlangung der Ländereien hinbewegen. Es handelt sich um einen komplizierten Prozess. Selbst wenn wir das Land zurückbekommen, so ist die Erde doch durch die Ölpalmen ausgelaugt. Wir werden sie mit Maschinen umwälzen müssen und von vorne beginnen. Die Palmen sind nicht für unsere Erde geeignet, deshalb wollen wir sie nicht haben.

Laura Chinchetru Urizas:

Wie beurteilen Sie die Zukunft Kolumbiens?

Don Petro:
Ich sehe keine Veränderungen, zumindest nicht unter Präsident Alvaro Uribe. Ich glaube, dass die Paramilitärs ihn beim ersten Mal an die Macht brachten und dass er sie jetzt legalisiert hat, damit sie ihn erneut unterstützen.

Laura Chinchetru Urizas:
Was ist Ihrer Ansicht nach die wichtigste anstehende Aufgabe der Regierung in Bezug auf die Menschenrechte?

Don Petro:
Der Präsident interessiert sich nur für die großen Landbesitzer, nicht für die Bauern. Wenn sie mich umbringen, dann nicht, um von mir zu stehlen, sondern weil ich mich nicht bestehlen lasse.

Laura Chinchetru Urizas:

Nennen Sie einen Wunsch für die Zukunft ihrer Enkel.

Don Petro:

Dass wir wieder unser Land bewirtschaften können sowie
früher. - pbi

Übersetzung aus dem Spanischen:
Anne Olf


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Quelle:
pbi Rundbrief 01/06, Seite 14-15
Herausgeber: pbi-Deutscher Zweig e.V.
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den 19. Januar 2007