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MITTELAMERIKA/118: Größte Mine Guatemalas in der Kritik


peace brigades international - Internationale Friedensbrigaden
pbi Rundbrief 02/10

Größte Mine Guatemalas in der Kritik
Interamerikanische Kommission für Menschenrechte fordert sofortige Schließung

Von Doris Erdmann


Der Betrieb der "Mine Marlin" in San Marcos, einer Region im Westen Guatemalas, ist seit seiner Eröffnung stark umstritten. Seit Jahren versuchen die EinwohnerInnen der Gemeinden Sipacapa und San Miguel Ixtahuacán den Betrieb zu stoppen - bisher vergeblich. Doch nun kommt Bewegung in die Angelegenheit.


Die Gold- und Silbermine wird von der Firma "Montana Exploradora de Guatemala, S.A." betrieben, einer Tochterfirma der kanadischen "Goldcorp Inc.". Sie wurde 2005 in der Gemeinde San Miguel Ixtahuacán im Verwaltungsbezirk San Marcos eröffnet. Seitdem häufen sich die Proteste von UmweltschützerInnen und Menschenrechtsorganisationen. Unterstützt werden sie von so prominenten Fürsprechern wie dem Vorsitzenden der guatemaltekischen Bischofskonferenz, Álvaro Ramazzini.


Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden

Am 20. Mai 2010 verlangte die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte (CIDH) von Guatemala "bis auf weiteres" die Schließung der Mine, um die Bevölkerung und die Umwelt zu schützen. Auch der UN-Sonderbeauftragte für die Rechte der indigenen Völker, James Anaya, unterstützte diese Forderung bei seinem jüngsten Besuch in Guatemala. Begründet wurde dies mit zunehmenden Umweltproblemen, unter denen die Bevölkerung zu leiden hat. Pro Stunde benötigt das Unternehmen 45.000 Liter Wasser für die Abbauarbeiten. Die Quellen, die die umliegenden Gemeinden mit Wasser versorgen, sind durch Zyanid- und Bleirückstände stark verseucht. Die Menschen leiden zunehmend an Krankheiten. Ihre Häuser weisen durch die Erdbewegungen zum Teil große Schäden auf.

Der Minenbetrieb bringt außerdem gravierende soziale Probleme mit sich: Menschen, die sich dem Minenprojekt widersetzen, werden verfolgt und eingeschüchtert; die Bevölkerung wird von ihrem Land vertrieben. Dadurch zerfallen die sozialen Netzwerke der Gemeinden. Zudem wird vielfach versucht, die Bevölkerung zu spalten. An Gemeindemitglieder, die bereit sind, ihr Land zu verkaufen, werden Geschenke verteilt, die anderen gehen leer aus.

Einen traurigen Höhepunkt fanden die Versuche, BergbaugegnerInnen einzuschüchtern, am 7. Juli: Unbekannte Männer verübten ein Attentat auf die Aktivistin Diodora Antonia Hernández Cinto und schossen ihr in das rechte Auge. Sie hatte sich in ihrer Gemeinde gegen die Betreiberfirma der Mine Marlin engagiert.


Streit um Weiterbetrieb der Mine

Die Frist, die von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission gesetzt wurde, um die Mine Marlin zu schließen, verstrich am 9. Juni, ohne, dass die Regierung Colom auf die Aufforderung reagiert hätte. Am 24. Juni gab die Regierung dann bekannt, dass sie der Forderung doch nachkommen werde. Aber das weitere Vorgehen ist umstritten: Das Energie- und Bergbauministerium ließ verlauten, es werde Monate dauern, bis der Betrieb eingestellt werden könne. Und der Konzern bleibt bei seiner Haltung, durch den Tagebau würden weder Gesundheits- noch Umweltschäden verursacht. Solange keine weiteren Beweise vorgelegt würden, werde es keinen Stopp der Bergbauarbeiten geben. - pbi


Die ILO-Konvention 169:

Dieses Abkommen der "Internationalen Arbeitsorganisation" (ILO) enthält Regelungen zum Schutz der indigenen Bevölkerung. Gemäß der ILO-Konvention 169 müssen indigene Gemeinden befragt werden, bevor eine Lizenz für neue Bergbau- oder Wasserkraftprojekte und für Ölbohrungen in ihrer Region vergeben wird. Guatemala hat das ILO-Abkommen 1996 ratifiziert und muss daher sicherstellen, dass die Consultas (Volksbefragungen) stattfinden. Trotzdem werden die meisten Lizenzen ohne Befragung vergeben. Daher organisieren viele indigene Gemeinden eigene Consultas, um ihre Ablehnung gegen neue Großprojekte zum Ausdruck zu bringen.



Zum Weiterlesen:

Sonderpublikationen des pbi-Guatemalaprojektes (auf englisch und spanisch) als pdf unter
www.pbi-guatemala.org/field-projects/pbi-guatemala/publications/special-reports/

• "Metal Mining and Human Rights in Guatemala"
   Studie zum Bergbau in Guatemala. pbi 2006

• "Guatemala's Indigenous Women in Resistance"
   Studie zum Widerstand der indigenen Frauen in Guatemala. pbi 2010


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Quelle:
pbi Rundbrief 02/10, S. 8
Herausgeber: pbi Deutscher Zweig e.V.
Harkotstr. 121, 22765 Hamburg
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. September 2010