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MITTELAMERIKA/119: "Der Bergbau ist eine Form von Gewalt gegen Mutter Erde"


peace brigades international - Internationale Friedensbrigaden
pbi Rundbrief 02/10

"Der Bergbau ist eine Form von Gewalt gegen Mutter Erde"
Xinka-Frauen aus Guatemala wehren sich gegen neue Bergbaulizenzen

Von Doris Erdmann


Der "Verein der Indigenen Frauen aus Santa María Xalapán" (AMISMAXAJ) aus der Region Jalapa setzt sich seit 2004 für Frauenrechte, für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und den Schutz ihrer ethnischen Identität ein. Die Frauen gehören zum indigenen Volk der Xinka im Osten Guatemalas. In den Bergen von Santa María de Xalapán, wo AMISMAXAJ aktiv ist, sind neue Bergbauprojekte der kanadischen Firma Goldcorp Inc. geplant. Zudem bestehen reiche Ölvorkommen. Gegen die Projekte regt sich jedoch zunehmend Widerstand, denn die "Mine Marlin" hat gezeigt, welche schweren Auswirkungen der Bergbau nach sich zieht.


In Guatemala-Stadt treffe ich mich mit der AMISMAXAJ-Aktivistin Lorena Cabnal. Sie trägt ein T-Shirt des Frauensektors, einem Zusammenschluss von guatemaltekischen Frauenorganisationen. Diesem gehört der Verein seit 2004 an. "Der Bergbau ist eine Form von Gewalt gegen die Mutter Erde", begründet Lorena ihre Ablehnung gegen die geplanten Großprojekte. Mit großen Gesten erzählt sie von den Aktivitäten, die sie und ihre Mitstreiterinnen organisiert haben. Sie strahlt Überzeugungskraft und Stärke aus - trotz der Drohungen, die sie bereits mehrfach erhalten hat. Begonnen hat dies, nachdem sie im Dezember 2008 vehementer nachzufragen begann, an welche Unternehmen in der Region bereits Bergbaulizenzen vergeben wurden. Die erteilten Auskünfte enthielten jede Menge widersprüchliche Angaben. Also ließ sie nicht locker, um weitere Informationen zu erhalten. Doch die kamen so spärlich, dass die Gruppe im Sommer 2009 beschloss, diese öffentlich einzufordern.


Erster öffentlicher Protest

Am 14. Juli 2009 veranstaltete AMISMAXAJ die erste Demonstration in der Provinzhauptstadt Jalapa. Bald folgte eine zweite, auf der die Xinka-Frauen dem Provinzgouverneur einen Brief aushändigten. Darin lehnten sie die geplanten Projekte ab und forderten, die Bedürfnisse der Bevölkerung zu respektieren. Im Herbst 2009 zog AMISMAXAJ schließlich bis in die Hauptstadt, um einen Brief an den Präsidenten und den Kongress zu überreichen. Dieser wurde von 20.000 Personen unterzeichnet. Sie sprachen sich damit gegen die 15 Lizenzen aus, die in den Bergen von Santa María Xalapán für Ölbohrungen und Bergbauprojekte erteilt wurden. Eine kommunale Volksbefragung, wie es die ILO-Konvention 169 vorschreibt, hatte es nicht gegeben.

Mit ihren Aktivitäten haben Lorena und ihre Mitstreiterinnen endlich Aufmerksamkeit erhalten. Dies bringt allerdings auch die Gefahr mit sich, bedroht zu werden. Um sich zu schützen, fragten die Frauen im Sommer des vergangenen Jahres Begleitung durch pbi an. Die erste Begleitung fand am 14. Juli 2009 bei der Demonstration in der Provinzhauptstadt Jalapa statt. Seitdem ist pbi regelmäßig in der Region präsent.


"pbi hat uns viel Kraft gegeben"

Beim Besuch in ihrer Gemeinde zeigen mir die Mitglieder von AMISMAXAJ ihre "Schule der Frauen". Sie unterstützen die Frauen aus der Gemeinde dabei, sich politisch zu bilden und ihre Rechte, zum Beispiel gegen familiäre Gewalt, wahrzunehmen. In einer patriarchalisch geprägten Gesellschaft ist das keine Selbstverständlichkeit. María Elena Andrés, die von allen nur "Doña María" genannt wird, erzählt mir, dass die indigenen Gemeinderäte traditionell nur männliche Mitglieder haben. Ihre Tochter ergänzt: "Selbst wenn es eine Frau schaffen würde, gewählt zu werden, würden die Männer sie nicht anhören. Und so versuchen sie es gar nicht erst." Doña María und ihre Tochter aber sind starke Persönlichkeiten und lassen sich den Mund nicht verbieten.

Im Raum hängen die Plakate und Transparente der vergangenen Aktivitäten. Doña María war bei der Demonstration in Jalapa dabei und ist dankbar für den Begleitschutz, den sie und die anderen Frauen erhalten: "pbi hat uns viel Kraft gegeben. Wir fühlen uns unterstützt." Sie berichtet von den Einschüchterungen, die sie sowohl von den eigenen Gemeindemitgliedern als auch vom Gouverneur erhalten hat. Ihr wurde mit einer Anzeige gedroht, wenn sie sich weiter gegen die geplanten Großprojekte stellt. Aber davon lässt sie sich nicht aufhalten. Mit Nachdruck erklärt sie, sie werde sich zur Wehr setzen, sobald die Unternehmen mit ihren Maschinen kommen. Ein paar Kilometer von ihrem Haus entfernt sollen in diesem Jahr die Abbauarbeiten beginnen. - pbi


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Quelle:
pbi Rundbrief 02/10, S. 9
Herausgeber: pbi Deutscher Zweig e.V.
Harkotstr. 121, 22765 Hamburg
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. September 2010