ZivilCourage - Nr. 3 / 2018
Magazin der DFG-VK
Global betrachtet
Kriegsfrühling 2018. Von Analyse, Kritik und Gegenaktionen weltweit
Von David Scheuing
Jemen. Europas Verantwortung für Kriegsverbrechen. Eine
internationale Koalition zivilgesellschaftlicher Akteure hat Klage
gegen eine italienische Tochter von Rheinmetall, RWM Italien, und
Offizielle der italienischen Kriegswaffenexportbehörden eingereicht.
Die Klage wurde vom "European Center for Constitutional and Human
Rights", der unabhängigen jemenitischen Menschenrechtsorganisation
"Mwatana" und der italienischen antimilitaristischen Organisation
"Rete Italiana per il Disarmo" vorbereitet. Im Verfahren, das in Rom
anhängig ist, wird eine Mitverantwortung dieser Akteure bei
Kriegsverbrechen im Krieg im Jemen 2016 vermutet und ein Bruch des
italienischen Kriegswaffenkontrollgesetzes, das Exporte in
Konfliktländer verbietet. Ein Fall, der Vergleiche geradezu aufdrängt.
Mehr Infos zum Fall:
https://www.ecchr.eu/fall/europas-verantwortung-fuer-kriegsverbrechen-im-jemen/
und
http://mwatana.org/en/european-respnsibility-for-war-crimes-in-yemen/
(kein Druckfehler, sondern wirklich: respnsibility; englisch).
Eine Analyse zur Situation vor Ort von IMI:
http://www.imi-online.de/2018/04/04/jemen-auf-dem-weg-ins-desaster/
Afrin: der Syrien-Krieg und seine vielen Kriege. Auch in Syrien herrscht in diesem Frühjahr Krieg. Der explizite Einmarsch der Türkei in die nordsyrische Region Afrin und die Stadt Afrin hat diesen Krieg weiter zu einem Krieg der vielen Kriege gemacht. Relativ ohnmächtig betrachtete die Welt diesen Angriff, sprach darüber, berichtete darüber.
Auch hier gilt es, Militärkooperationen weltweit zu kritisieren, die
diese Kriege anfachen, Waffenexporte zu skandalisieren und zu
verhindern, aufzuklären, zu dokumentieren. Das Statement der
Arbeitsgruppe zur Türkei bei der WRI findet sich hier:
https://www.wri-irg.org/en/story/2018/turkish-peace-and-human-rights-activists-call-stop-arms-trade-turkey (englisch).
Verbreitet es und tretet selbst in Aktion. Die großen Demonstrationen
in Berlin, Frankfurt und anderen Städten haben gezeigt, dass wir auch
Menschen mobilisieren können - wir sollten es nutzen!
10 Prozent der Militärausgaben? Was würde ich tun ... Das Internationale Friedensbüro IPB hat für April bis Anfang Mai einen globalen Aufruf gestartet mit der Frage, wohin jede*r "10 Prozent der weltweiten Militärausgaben verschieben würde, wenn wir es könnten?" Die Antworten sind sehr kreativ, vielfältig, und es beteiligen sich Aktivist*innen aus vielen Ländern der Welt - am einfachsten zu sehen via social-media-Kanäle (twitter.com/@DemilitarizeDay).
Wohin diese Aktion führen kann, ist offen, aber sie zeigt, welch breites Mobilisierungspotenzial Fragen nach dem Frieden hat. Nachdem die Koalitionsverhandlungen in Deutschland in Friedensfragen ein schwer zu verdauender Brocken waren - mit einer vergifteten 1-zu-1- Regelung (jeder Euro Rüstung führt zu einem Euro für "Frieden") -, ist es wohl an uns allen, wieder vehementer größere Umverteilung zu fordern. Nur 10 Prozent? Entweder: Aller Anfang ist klein; oder: Das kann uns nicht reichen - 100 Prozent der Militärausgaben müssen das Ziel sein. Dranbleiben!
Keine Waffen: Referendum gegen staatliche Rüstungsfinanzierung und weitere Aktionen. In der Schweiz hat GSOA (Gruppe für eine Schweiz ohne Armee) gerade eine Kampagne für ein Referendum gestartet, das über einen Verfassungszusatz entscheiden soll, der es schweizerischen staatlichen Stellen untersagen soll, Rüstungsgeschäfte zu finanzieren. Das gilt im Initiativtext weitreichend für alle Unternehmen, die mehr als 5 Prozent ihres jährlichen Umsatzes mit Rüstungsgüterproduktion aufbringen. Die Kampagne nimmt allerdings Sportwaffen aus - ebenso wie Entminungsgeräte. Zur Inspiration mehr Informationen zur Initiative: https://kriegsgeschaefte.ch/
In Finnland haben Aktivistinnen von Sadankomitea und der Friedensunion
in den letzten Monaten verstärkt auf potenziell illegale Waffenexporte
nach Saudi-Arabien hingewiesen und sogar das Justizministerium zu
einer Auskunft gezwungen. Amnesty International, Save the Children und
andere Akteure schlossen sich dem Protest an und lancierten ihre
eigenen Aktionen. Auch bei der Europäischen Kommission wurde
Beschwerde eingelegt. Mehr dazu:
https://www.wri-irg.org/en/story/2018/finnish-activists-challenge-arms-exports-conflict-areas (englisch).
Eine neue Publikation des Centre Delas aus Katalonien/Spanien schaut
sich die Beteiligung der Finanzindustrie an der Waffenproduktion
genauer an. Eine wertvolle Argumentationsund Informationshilfe! Hier
zu finden:
http://www.centredelas.org/bancaarmada/en/ (englisch)
Die gerade neu gegründete Initiative Global Net (gn-stat.org; siehe die Titelgeschichte in diesem Heft), die die Beteiligung von Rüstungsfirmen an globalen Kriegen akribisch nachzeichnet, könnte durch mehr solcher Initiativen (Referenden, Petitionen, Mayors for Peace, usw.) noch weiter unterstützt werden.
Forscher*innen für den Frieden? Ein breites Bündnis an
Organisationen (European Network Against Arms Trade (ENAAT),
International Network of Engineers and Scientists for Global
Responsibility (INES), International Peace Bureau (IPB), Rete Italiana
per il Disarmo, Scientists for Global Responsability (SGR) and
Vredesactie) hat eine Petition ins Internet gestellt, welche die EU
dazu auffordert, keine 90 Millionen Euro bis 2020 für militärrelevante
Forschung auszugeben. Der Aufruf erinnert die EU an ihren
Friedensnobelpreis von 2012 und fordert, dass die EU keine weiteren
Schritte hin zu einem European Defense Fund ("Europäischer
Verteidigungsfonds") unternehmen, sondern das Geld ziviler Forschung
und zivilen Zwecken zur Verfügung stellen soll. Wer mitzeichnen
möchte, kann das hier tun:
https://www.researchersforpeace.eu/form/researchers-pledge-form
(englisch).
Internationaler Tag der Kriegsdienstverweigerung: weltweites
Echo. Da diese Ausgabe nach dem 15. Mai erscheint, wünsche ich allen,
einen schlagfertigen Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung
2018 verbracht zu haben. In diesem Jahr hatte War Resisters'
International dazu aufgerufen, den Tag unter anderem mit Fokus auf
Kriegsdienstverweigerung in Südkorea zu legen. Die Situation vor Ort
ist immer noch schwierig, über 300 junge Menschen sitzen für bis zu 18
Monate im Knast - weil sie es wagen, sich der Militarisierung
entgegenzustellen. Unsere Solidarität muss mit ihnen sein. Wer noch
schreiben will, die Adressen finden sich auf der Homepage! Mehr Infos:
https://www.wri-irg.org/de/artikel/2018/werde-aktiv-freekoreancos.
Viele von euch waren sicherlich engagiert. Mehr Aktionen und Events
aus aller Welt rund um den diesjährigen Tag finden sich hier:
https://www.wri-irg.org/de/veranstaltungen/2018-05/tag-der-internationalen-kriegsdienstverweigerung
Kriegsdienstverweigerung in Paraguay: nicht einfach so
abspeisen lassen! Die Organisation Serpaj, die im lateinamerikanischen
Netzwerk der Antimilitarist*innen aktiv ist, kritisiert den neuen
"Nationalen Rat für Kriegsdienstverweigerung". Obwohl zunächst
natürlich ein gutes Zeichen, dass in Paraguay Kriegsdienstverweigerung
anerkannt wird, so greifen die Aktivist*innen die Tatsache an, dass
der neue "Nationale Rat" eine Begründung der Verweigerung verlangt.
Diese Begründung sei allerdings gesetzlich nicht vorgesehen, und die
einfache Erklärung müsse genügen. Da Serpaj begründete Zweifel an der
Zuständigkeit dieses Rates anmeldet, dringt sie darauf, dass
Jugendliche am Besten ihre Verweigerung gar nicht erst vor dem Rat
erklären. Auch 2018 ist KDV-Beratung immer noch (überlebens)wichtig.
Solidarität mit dem Widerstand gegen die schleichende Militarisierung.
Mehr Infos:
http://www.ultimahora.com/serpaj-rechaza-conformacion-consejo-nacional-objecion-conciencia-n1135140.html (spanisch)
Kurz notiert:
Europa: Aufruf zum Widerstand gegen Kriegsvorbereitungen 2018.
WRI hat einen globalen Aufruf zu gewaltfreien direkten Aktionen gegen
die Eurosatory Waffenmesse in Paris und den Nato-Gipfel in Brüssel im
Juli gestartet. Hier der Call:
https://www.wri-irg.org/en/story/2018/call-outs-actions-against-war-preparations-europe (englisch).
Armenien: Widerstand gegen neue Rekrutierungsgesetzgebung. Die
Gesetzesänderung verlangt von Studierenden, sich für zwei Jahre
Militärzwang nach dem Studium bereitzuerklären, um vorher ausgenommen
zu werden. Das rief große Proteste hervor trotz der erheblich
repressiven Situation. Mehr:
https://www.wri-irg.org/en/story/2018/armenian-students-protest-against-bill-military-service (englisch).
USA: neue Regeln zum Kriegsdiensteinsatz ab 2020? Präsident
Trump hat eine Überarbeitung der Rekrutierungsregularien angeordnet.
Eine Ausweitung der Rekrutierung wird diskutiert und eine noch
weiterführende Militarisierung der us-amerikanischen Jugend. Doch es
gibt Widerstand! Mehr:
https://www.wri-irg.org/en/story/2018/new-us-national-commission-military-conscription (englisch).
Südkorea: Erneut persönliche Daten von
Kriegsdienstverweigerer*innen geleakt. Obwohl die Rekrutierungsbehörde
schon mehrfach wegen dieser Leaks verurteilt wurde, sind auch in
diesem Jahr erneut persönliche Daten von Kriegsdienstverweigerer*innen
öffentlich gemacht worden. Mehr:
https://www.wri-irg.org/en/story/2018/south-korea-mma-publishes-personal-details-cos-again (englisch).
David Scheuing ist Vertreter der DFGVK bei der War
Resisters' International (WRI), dem internationalen Dachverband der
DFG-VK mit Sektionen in weltweit 45 Ländern, gewählt. An dieser Stelle
berichtet er regelmäßig in der ZivilCourage aus der WRI, um den
LeserInnen das globale Engagement von KriegsgegnerInnen sichtbar zu
machen. Das sind keine tieferen Analysen, sondern kleine kursorische
Überblicke und Nachrichten; es geht dabei nicht um Vollständigkeit,
vielmehr um Illustration. Ideen und Vorschläge für kommende Ausgaben
sind erwünscht. Der Autor ist per E-Mail erreichbar unter
scheuing@dfg-vk.de
*
Quelle:
ZivilCourage - das DFG-VK Magazin, Nr. 3 / 2018, S. 22 - 23
Herausgeberin: Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen e.V. (DFG-VK)
Werastraße 10, 70182 Stuttgart
Redaktion: ZivilCourage - das DFG-VK-Magazin,
Werastraße 10, 70182 Stuttgart
Telefon: 0711 - 51 89 26 20
E-Mail: zc@dfg-vk.de
Internet: www.zc-online.de
Erscheinungsweise: fünf Mal jährlich
Jahres-Abonnement: 14,00 Euro inklusive Porto
Einzelheft: 2,80 Euro
veröffentlicht im Schattenblick zum 21. August 2018
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