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ARTIKEL/342: "Das kleine Handbuch" der NPT Prep Com (ZivilCourage)


ZivilCourage - Nr. 3 / 2019
Magazin der DFG-VK

"Das kleine Handbuch" der NPT PrepCom
Konferenzdiplomatie praktisch

Von Verena Grießhaber


Selbst langjährigen Atomwaffenaktivist*innen wird es schwer fallen, die folgenden Fragen zu beantworten: Wie läuft eine Konferenz wie die NPT PrepCom(*) eigentlich ab? Wer diskutiert dort über die nukleare Abrüstung? Welche Ergebnisse sind zu erwarten? Auch ich konnte mir vor unserer Reise nach New York, trotz der Vorbereitung, kaum vorstellen, was mich erwartet.

Mit der Ernennung des diesjährigen Vorsitzenden, des Abgeordneten Syed Mohammad Hasrin Aidid aus Malaysia, begann in den UN-Headquarters in New York die letzte von jeweils drei Vorbereitungskonferenzen, die sich im Vorfeld der alle fünf Jahre stattfindenden Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages ereignen. Alle 191 Staaten, die den 1970 in Kraft getretenen Atomwaffensperrvertrag unterschrieben haben, waren auch jetzt wieder dazu eingeladen, Teil der zehntägigen Konferenz zu sein.

Im Jahr 2000 wurde von den Staaten beschlossen, die Vorbereitungskonferenzen thematisch voneinander abzugrenzen. Während es in den ersten beiden Jahren einer Konferenzperiode darum geht, spezifische inhaltliche Fragen zu bearbeiten, die den Vertrag und dessen Umsetzung betreffen, beschäftigt sich die dritte Vorbereitungskonferenz explizit damit, einen sogenannten Konsensbericht zu erstellen, in dem unter Berücksichtigung der Ergebnisse der ersten beiden Jahre eine Empfehlung für die Überprüfungskonferenz enthalten ist. Um Letzteres ging es auf der NPT PrepCom im Mai.

Nachdem wir die Sicherheitsschleusen am ersten Tag der Konferenz überwunden hatten, bot sich uns in den Headquarters der Vereinten Nationen in New York ein eindrückliches Bild. Geschäftiges Treiben, letzte Gespräche und Tastengeklapper. Das waren die ersten Eindrücke, die wir bei Betreten des Trusteeship Council, des Plenarsaals für die NPT PrepCom, bekamen. Während die Delegierten der Länder im Saal unten Platz nahmen, bot sich uns, den Vertreter*innen der Nichtregierungsorganisationen, die Möglichkeit, von einer Empore herab den ganzen Raum zu überblicken.

In seiner Eröffnungsrede betonte der malaysische Delegierte die Bedeutung des Jahres 2020, das das 50. Jubiläum des Vertrages markiert. Er appellierte außerdem an die teilnehmenden Delegierten, einander zuzuhören. "Verständnis, Respekt und Sensibilität sind wichtig. Alle Beteiligten müssen den Vertrag gemeinschaftlich unterstützen", so der Vorsitzende.

Im Plenarsaal der NPT PrepCom gaben die einzelnen Staaten vormittags ihre Statements ab. Dabei wurden unterschiedliche Interessen deutlich, über die im Laufe des Nachmittags debattiert wurde.

Nach den Eingangserklärungen der Länder folgten die Statements der Vertreter*innen der Zivilgesellschaft. Mandy Lüssenhop, Teilnehmerin unserer Jugenddelegation, vertrat mit einer grandiosen Rede die Gesamtheit aller anwesenden Jugenddelegationen. Mit ihrer klaren Forderung nach einer atomwaffenfreien, friedlichen Welt und der dringenden Bitte an die Delegierten und Regierungsvertreter*innen, die Gefahr eines erneuten nuklearen Wettrüstens ernst zu nehmen, erhielt die Rede - entgegen der Sitzungsordnung - nicht nur seitens der Zuhörer, sondern auch aus den Reihen der Delegierten Applaus.

"Wir, die Jugend [...], sind heute hier vereint [...]. Wir sind die nächste Generation und fordern die verantwortlichen Führenden der globalisierten Weltgemeinschaft nachdrücklich auf, unsere Bedürfnisse und Wünsche zu respektieren, damit diese Gesellschaft frei von Atomwaffen ist. Wenn wir diesen wunderbaren Planeten Erde gemeinsam nutzen, sollten wir fest entschlossen sein, eine Welt in Frieden zu schaffen", schloss Mandy Lüssenhop ihre Rede.

Neben der Hauptkonferenz im großen Sitzungssaal fanden tagsüber verschiedene Side Events statt. Diese wurden von den Delegationen verschiedener Länder und den verschiedenen teilnehmenden Friedensorganisationen organisiert. In den unterschiedlichsten Aufmachungen fanden sich Möglichkeiten, Themen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten und auf detailliertere Fragen rund ums Thema Atomwaffen einzugehen.

Vor allem ging es bei den Events um die Frage, wie notwendige Rahmenbedingungen für Abrüstung geschaffen werden können. Auch thematisch gestaltete Ausstellungen und abendliche Empfänge boten eine Möglichkeit des ungezwungenen internationalen Austausches - gerade für die Delegierten der Zivilgesellschaft wichtig, um sich zu vernetzen. Doch nicht nur das. Wir verfolgten vor allem ein Ziel: Wir wollten gehört werden.

In Diskussionen und Gesprächen vertraten wir unsere Standpunkte gegenüber Vertreter*innen Deutschlands, aber auch der USA, Russlands, des Irans, Liechtensteins und einiger weiterer Länder. In Kleingruppen befragten wir die Delegierten zu den Positionen ihrer Länder. Dabei fielen klare Worte: "Der Atomwaffenverbotsvertrag wird kommen. Spätestens bis 2020 werden 50 Länder den Vertrag unterschrieben haben. Die Frage ist: Möchte Deutschland dann auf der richtigen Seite der Geschichte stehen?", fragte unsere Delegierte Judith Butzer den deutschen Abrüstungsbeauftragten. Ein neue Denkweise müsse her. Die Gefahr eines drohenden atomaren Wettrüstens ernst zu nehmen, das forderten wir immer wieder von den Delegierten.

Ziel sei es nicht, endlose Diskussionen zu führen, sondern sachlich korrekt zu argumentieren. "Auch wenn wir hauptberuflich nicht alle im politischen Bereich arbeiten. Wir haben uns in zwei Vorbereitungsseminaren und in den Wochen vor der Reise intensiv in die Thematik eingearbeitet. Profession hin oder her - es geht uns allen um unsere Zukunft. Wir wollen unsere Bedenken klar machen und zeigen, dass wir nicht zum Vergnügen hier sind", erklärte Kathi Müller, unsere Delegationsleiterin.

Das Hauptziel der Konferenz wurde dieses Jahr jedoch verfehlt. Ein Konsensbericht aller Staaten mit einer Empfehlung für die Überprüfungskonferenz wurde, wie erwartet, nicht verabschiedet. Dass die Staaten sich nicht einmal auf eine gemeinsame Empfehlung für die Überprüfungskonferenz 2020 einigen konnten, macht wenig Hoffnung auf eine baldige und ernsthafte qualitative Abrüstung der Atomwaffen.

Trotzdem und gerade deswegen sind der Atomwaffensperrvertrag, die Konferenzen und die bilateralen Gespräche, die auf ihr geführt werden, notwendig, damit der Dialog zwischen den Staaten nicht abbricht. Und damit die Vision einer atomwaffenfreien Welt kein Traum bleibt.


Verena Grießhaber, 20, ist seit Anfang des Jahres DFG-VK-Mitglied und macht eine Ausbildung als Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin.


(*) Die Abkürzung steht für Preparatory Committee (PrepCom)-Meeting for the Review Conference of the Parties to the Treaty on the Non-Proliferation of Nuclear Weapons (NPT)
(Sitzung des Vorbereitungsausschusses für die Überprüfungskonferenz der Vertragsparteien des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen)

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Quelle:
ZivilCourage - das DFG-VK Magazin, Nr. 3 / 2019, S. 8 - 9
Herausgeberin: Deutsche Friedensgesellschaft -
Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen e.V. (DFG-VK)
Hornbergstraße 100, 70188 Stuttgart
Redaktion: ZivilCourage - das DFG-VK-Magazin,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. September 2019

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