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BERICHT/252: Rüstungsgeschäfte laufen trotz Wirtschaftskrise prächtig (ZivilCourage)


ZivilCourage Nr. 4 - September 2009
Das Magazin für Pazifismus und Antimilitarismus der DFG-VK

Rüstungsgeschäfte laufen trotz Wirtschaftskrise prächtig
Deutsche Rüstungsfirmen machen Rekordgewinne

Von Jürgen Grässlin


Wirtschaftskrise? Firmenzusammenbrüche? Massenentlassungen? Nichts von alledem kennzeichnet die wirtschaftliche Lage führender deutscher Rüstungskonzerne. In Zeiten allgemeiner Rezession laufen die Waffengeschäfte dank einer großzügigen Exportförderungspolitik der Bundesregierung und personell chronisch unterbesetzter Rüstungskontrollbehörden wie geschmiert. In der Folge hat sich Deutschland, nach den USA und Russland, endgültig auf Platz 3 der Weltwaffenexporteure etabliert. Wie das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri dokumentierte, stiegen die deutschen Rüstungsausfuhren in den letzten fünf Jahren um rund 70 %, der Weltmarktanteil am Waffenhandel konnte von sieben auf 10 % ausgebaut werden.

Bei der European Aeronautics Defence and Space Company (EADS) hat sich Aufbruchsstimmung breit gemacht. Größte Anteilseigner sind der deutsche Automobil- und Rüstungsriese Daimler und Sogeade (Lagardère und die französische Staatsholding Sogepa) mit je 22,5 %. Die spanische Staatsholding SEPI hält 5,49 % des Kapitals. Bei ihren Kriegseinsätzen kämpfen die deutschen, französischen und spanischen Streitkräfte dementsprechend mit Waffen der EADS.

Die Zielvorgabe der EADS-Führung ist klar: "Insbesondere im Verteidigungsgeschäft" sollen die Verkäufe erhöht werden. EADS-Chairman Rüdiger Grube, mittlerweile Vorsitzender der Deutschen Bahn AG, jubelte über die "sehr positiven" Ergebnisse des Geschäftsjahres 2008. "Selbst in Krisenzeiten besteht in unserer sich wandelnden Welt stetiger Bedarf an Flugzeugen, Verteidigungs- und Sicherheitssystemen", heißt es im aktuellen Geschäftsbericht.

Die lange Liste von Erfolgsmeldungen basiert auf den Konzernbilanzen der EADS-Unternehmensbereiche: Airbus Military konnte den Umsatz 2008 auf 2,8 Milliarden Euro steigern und legte allein im letzten Geschäftsjahr beim Auftragseingang um 548 % (!) zu. Die EADS unterzeichnete 2008 einen Vertrag über die Bereitstellung einer Tankerflotte für die britische Luftwaffe, ab 2011 sollen 14 weitere Tankflugzeuge in Dienst gestellt werden. Weitere Empfängerländer der A330 MRTT sind Australien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien. Der Gesamtauftragsbestand der Airbus-Tankflugzeuge umfasst mittlerweile ein Volumen von 23 Milliarden Euro.

Die EADS-Tochter Eurocopter, weltweit führender Hubschrauberhersteller, erzielte einen Umsatz zu 55 % durch den Verkauf von Militärhelikoptern. Gegenüber dem Vorjahr konnte Eurocopter 2008 den Umsatz um 8 % auf 4,4 Milliarden Euro, den Profit, bei international tätigen Konzernen als EBIT (Gewinn vor Zinsen und Steuern) ausgewiesen, um 39 % auf 293 Millionen Euro steigern.

Die EADS-Sparte Astrium, europäischer Spitzenreiter bei Raumfahrtprogrammen, erreichte einen Umsatzanteil von 35 % durch militärische Produkte. Dabei konnte der Umsatz im Jahr 2008 um 21 % auf 4,3 Milliarden Euro, der EBIT um 34 % auf 174 Millionen Euro hochgeschraubt werden. Die neue Generation ballistischer Raketen vom Typ M51 befindet sich in der Endphase der Entwicklung für die französische U-Boot-Flotte. Damit ist die EADS das einzige europäische Unternehmen, das Trägersysteme für atomare Gefechtsköpfe fertigt. Der Geschäftsbereich Verteidigung und Sicherheit hat "starke Ergebnisse erzielt", was auch mit dem "Wachstum im Exportgeschäft" begründet wird. Zu 97 % militärisch, stieg der Umsatz um 5 % auf 5,4 Milliarden Euro, der EBIT um 18 % auf 345 Millionen Euro.

Die Kriegsprofite der EADS werden in den kommenden Jahren exorbitant steigen, sobald der neue Militärtransporter A400M in Serie gehen wird. Mit vielen Verzögerungen verließ der erste der A400M im Sommer 2008 die Endmontage. Mit dem A400M lassen sich Soldaten und Kriegsgerät noch schneller und in größerer Zahl in Kriegsgebiete verlegen. Schon heute liegt die immens hohe Zahl von 192 Bestellungen des Transportfliegers von europäischen "Startkunden", Südafrika und Malaysia vor.


Was die Stuttgarter Daimler AG in der Fertigung von Großwaffensystemen ist, das ist H&K bei den so genannten "Kleinwaffen", nämlich Marktführer in Deutschland. Der Jahresumsatz des mittelständischen Unternehmens ist im Geschäftsjahr 2008 auf die Rekordsumme von 185,7 Millionen Euro angewachsen, um 25 % in einem Jahr. Durch Waffenverkäufe konnte der Nettogewinn auf 12,8 Millionen Euro gesteigert werden, was mehr als einer Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr entspricht.

Mehr und mehr entpuppt sich das Sturmgewehr G36, Standardwaffe der Krisenreaktionskräfte der Bundeswehr, als weltweiter Verkaufsschlager. Vor zehn Jahren bereits wurde eine erste Lizenz an Spanien vergeben, inzwischen eine zweite an Mexiko und eine dritte in den Mittleren Osten - was noch einiges Aufsehen erregen wird. Längst schießen Bundespolizeien, Präsidentenwachen und militärische Spezialeinheiten in mehr als 35 Staaten mit den unterschiedlichen G36-Typen. Der illegale G36-Export in das Kriegsland Georgien ist offiziell noch immer nicht geklärt.

Nur wenige Länder stehen auf der bundesdeutschen Embargoliste. Angesichts der Wirtschaftskrise setzt die Bundesregierung auf Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie, die Menschenrechtslage im Empfängerland spielt de facto keine Rolle.

Allein die Zahl der durch H&K-Waffen Getöteten beläuft sich seit der Firmengründung 1949 auf rund zwei Millionen Menschen, berechnet auf einem erhöhten Weltmarktanteil von 12 %. Damit ist Heckler & Koch Deutschlands "tödlichstes" Unternehmen. Opferzahlen wie diese sind in den Firmenzentralen offenbar kein Thema, stattdessen können die Sektkorken knallen: Der allgemeinen Krise zum Trotz wurden die Produktionskapazitäten ausgebaut, die Beschäftigungszahlen erhöht und die Rüstungsprofite gesteigert.


Wo aber bleibt der Aufschrei einer Gesellschaft, die sich ethischen, moralischen und christlichen Werten verpflichtet fühlt? Wie geht es weiter nach der Bundestagswahl, in deren Verlauf die Diskussion um Rüstungsexporte in Krisen- und Kriegsgebiete und damit die Beihilfe zum Völkermord nicht stattgefunden hat? Ansatzpunkte gibt es genug: Vom Mitmachen bei den Kampagnen www.wir-kaufen-keinen-mercedes.de und "60 Jahre Heckler & Koch: Kein Grund zum Feiern!" bis hin zur aktiven Unterstützung politischer Aktionen, wie der aktuellen "Birkacher Erklärung: Waffenexporte ächten!" der Evangelischen Landeskirche in Württemberg (siehe www.rib-ev.de).

Neben den verantwortlichen Politikern und Rüstungsmanagern sind auch die Geldgeber zu ächten: Maßgeblich mitverantwortlich ist die Deutsche Bank. Als Hausbank von H&K und langjähriger Anteilseigner der Daimler AG kontrolliert sie scharf - nicht die Menschenrechtslage der Waffenempfängerländer der von ihr finanzierten Unternehmen, sondern ihre eigenen kritischen Aktionäre. Auch oder gerade in der Krise gilt ein altbekannter Slogan mehr denn je: Deutsche Waffen, deutsches Geld morden mit in aller Welt.


Jürgen Grässlin ist Bundessprecher der DFG-VK.


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Quelle:
ZivilCourage Nr. 4 - September 2009, S. 16-17
Das Magazin für Pazifismus und Antimilitarismus der DFG-VK
Herausgeberin: Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte
KriegsdienstgegnerInnen e.V. (DFG-VK e.V.),
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Erscheinungsweise: zweimonatlich, sechs Mal jährlich
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Einzelheft: 2,00 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Oktober 2009