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BERICHT/314: War Resisters' International in Afrika - Ein Kap der Hoffnung (ZivilCourage)


ZivilCourage Nr. 3 - August/September 2014
Das Magazin für Pazifismus und Antimilitarismus der DFG-VK

WRI in Afrika - Ein Kap der Hoffnung
Konferenz der Internationale der Kriegsdienstgegner im südafrikanischen Kapstadt

Von Stephan Brües



Manche TeilnehmerInnen waren überrascht: 95 Jahre alt ist die War Resisters' International (WRI) und erst jetzt das erste Mal in Afrika? Das ist sehr spät, aber immerhin. So trafen sich mehr als 200 Menschen aus 50 Ländern in der ehrwürdigen, doch sanierungsbedürftigen und heizungslosen City Hall in Kapstadt. Genau dort, wo Nelson Mandela nach seiner Freilassung seine erste Rede in Freiheit gehalten hatte.

Neben der WRI-Konferenz unter dem Thema "Small Actions, Big Movements - The Continuum of Nonviolence" traf sich das Women's Peace Programme (WPP) und das Panafrican Network for Peacebuilding und Nonviolence. Das führte bei der praktischen Durchführung der WRI-Konferenz sowohl zu Synergieeffekten, aber zum Teil auch zu Konkurrenzen. Synergien gab es, weil kurze Berichte über das, was in den anderen Treffen besprochen wurde, rasch an die WRI weitergegeben werden konnte, Konkurrenz, weil damit zum einen die Frauen, zum anderen die afrikanischen TeilnehmerInnen immer wieder Verpflichtungen hatten, die sie von einer Teilnahme am WRI-Programm abhielten. Es war dadurch alles etwas "busy".

WRI-Konferenz

Die Konferenz vom 5. bis 8. Juli hatte dieses Grundschema: Ein morgendliches Plenum zum Tagesthema mit ReferentInnen und kurzer Diskussion, die Themengruppen, Mittagessen, Workshops, weitere Workshops, Filme oder Kulturprogramm (z.B. Hip-Hop), Abendessen, Abendprogramm. Sehr amüsant waren am Morgen die Beiträge "Here is the news", die in der Regel von anwesenden JournalistInnen gestaltet wurden und in denen neben einigen ernsten Nachrichten (Entwicklung in Gaza oder der Ukraine etc.) auch Geschehnisse der Konferenz aufs Korn genommen wurden, etwa das fehlende Internet im Übernachtungshaus an der Uni Kapstadt ("Experiment, wie lange AktivistInnen ohne Internet leben können"). ReflektorInnen berichteten subjektiv über das, was sie am vergangenen Tage inhaltlich besonders angesprochen hat (oder auch nicht).

Es gab insgesamt sieben Themengruppen und mindestens ein Dutzend jeweils überaus interessanter Workshops, die es den Teilnehmenden schwer machte, zu entscheiden, wohin sie gehen sollten. Ich selbst nahm an der Themengruppe "Daily Violence" teil, bei der Gewalt von Gangs, aber auch gegenüber Frauen thematisiert wurde.

Zunächst wurde aus den Erfahrungen der TeilnehmerInnen, die aus der Demokratischen Republik Kongo, Mexiko, den USA, Deutschland und Südafrika kamen, zusammengetragen, welche Formen von alltäglicher Gewalt es gibt und wie diese definiert werden könnten. Im zweiten Schritt wurden diese Formen den verschiedenen Ebenen zugeordnet, in denen sie stattfinden (persönliche, kriminelle, staatliche, wirtschaftliche, soziale Ebene) und den Ursachen, die zu ihnen führen (Armut, Ungleichheit, Machismo etc.). Schließlich wurden am letzten Tag Wege aus der Gewalt benannt und diskutiert. Das ging von Streitschlichtung in Schulen, Anti-Mobbing-Programmen, Trainings in gewaltfreier Konfliktbearbeitung und Gender & Versöhnung bis zu Maßnahmen zur Bekämpfung von Armut und Arbeitslosigkeit. Die Ergebnisse der Themengruppen wurden auf Flipcharts ausgelegt, die von den Konferenzteilnehmenden "erwandert" werden konnten. Besonders originell war die Themengruppe "Militarisierung der Jugend", die ihre Ergebnisse als lebende Statuen präsentierten - auf der Vorderseite die Bestandsaufnahme der Militarisierung, auf der Rückseite die Handlungsmöglichkeiten, dagegen vorzugehen.

Neben meinem eigenen Workshop über die Arbeit der Nonviolent Peaceforce, an dem eine Handvoll wechselnder Personen aus Somalia, Südafrika und Ruanda teilnahm, besuchte ich den Workshop über Südsudan und einen Schnupperkurs eines Trainings in Gender & Versöhnung, bei dem es um Geschlechterbilder, im weiteren aber über Gewalt- oder Vergewaltigungserfahrungen ging, die von Männern wie Frauen berichtet werden, was anschließend in einem Ritual des Honouring gegenüber dem anderen Geschlecht mündete. Das mag dem einen oder der anderen spirituell "verzwurbelt" vorkommen, es scheint aber in der Praxis gute Ergebnisse zu erzielen. Insgesamt habe ich viel gelernt in diesen Workshops.

Kulturprogramm

Das Kulturprogramm der WRI-Konferenz war einfach kolossal gut. Es begann bei der Eröffnung am 4. Juli mit Trommlern aus Burundi, den beiden Hip-Hoperinnen aus Brooklyn mit Cellobegleitung (Jemi Lonewolf und Yasimi Dream), die uns noch durch die gesamte Konferenz begleiten sollten. Insbesondere Yasimi Dream, eine Tamilin, die in New York Exil fand, arbeitete den Konflikt in Sri Lanka poetisch, musikalisch und tänzerisch auf.

Am 5. Juli fand ein Konzert gegen den Klimawandel statt, an dem mit der Frank Paco's Art Ensemble und Bongani Blax Sontshonanda Jazz Quintet zwei Jazzensembles der Spitzenklasse auf der Bühne standen. Besonders die zweite führte zu Tanzeinlagen der leider nicht sehr zahlreichen BesucherInnen. Und dann war da noch die Black-Panther-Aktivistin, Poetin und Musikerin Mama Charlotte O'Neil, die aus Kansas kommt, aber seit 40 Jahren in Tansania lebt. Back to her roots in Africa.

Exkursionen

Leider sehr kurzfristig wurde am 8. Juli eine Exkursion in das durch gewaltsame Gangs berüchtigte Township Manenberg angeboten. Dabei trafen sich die TeilnehmerInnen mit AktivistInnen und SozialarbeiterInnen und auch mit Hip-Hoppern, die später im Vorabendprogramm vor dem Abendessen auftraten und durch ihre künstlerische Leistung beeindruckten.

Die zweite Exkursion ging in das Stadtviertel District Six, wo ausgehend von einem Besuch im gleichnamigen Museum die Geschichte der Vertreibung durch das Apartheid-Regime und der Versuch, die Gemeinschaft nach deren Ende wieder aufzubauen und weiterzuentwickeln, thematisiert wurde. Zugleich ging es bei der Exkursion um die soziale Ausbeutung der schwarzen Bevölkerung, die bis heute anhält. "Eine ganz tolle Exkursion", sagte Frank Feiner von der niederländischen Friedensbewegung.

WRI-"Business Meeting" und -Assembly

In mehreren Häppchen wurde das so genannte Business Meeting bzw. die Assembly der WRI serviert, beginnend mit dem Treffen des amtierenden WRI-Rates am 3. Juli, fortgeführt als Business Meeting bzw. Assembly am 4. Juli sowie am 8. Juli und am 10. und 11. Juli.

Dabei wurde gesprochen

• über die Finanzen (Defizit, d.h. viele Trainings etc. wurden finanziert, aber es fehlen Mittel für das Büro in London; die WRI braucht 20.000 Englische Pfund); es gab Überlegungen, Gelder für bestimmte Projekte über Crowdfunding zu besorgen, und die Mitgliedsorganisationen wurden gebeten, soweit möglich dem Beispiel der Niederländer zu folgen, die jährlich eine Crowdfunding-Aktion für die WRI machen;

• über die Programme "Gewaltfreiheit" (u.a. Trainings in Afrika und Asien und Lateinamerika, Handbook on Nonviolent Action in verschiedenen Sprachen, u.a. Koreanisch) und "Recht auf die Verweigerung des Tötens" (u.a. Darmstädter Konferenz Jugend und Militarisierung; Aktionen gegen War Profiteers in Europa);

• und über die Arbeitsgruppen (Afrika, Kolumbien, Klimawandel), insbesondere wurde natürlich die Arbeit der Afrika Working Group gewürdigt, die als Bindeglied zwischen der WRI und dem Pan African Network for Nonviolence and Peacebuilding fungiert und bereits vor der Konferenz mehrere Webinars durchgeführt hatte. Die Gruppe zum Klimawandel hat ein Statement zur Unterstützung vorgelegt, in dem ein Ökologischer Sozialismus gefordert wird.

Das Procedere der Wahlen für den WRI-Rat zu finden, hatte am ersten Abend eine lange Zeit in Anspruch genommen, Frage war: ein Wahlgang oder zwei? Wir blieben zunächst bei zwei, was bei der vorherigen Konferenz in Indien erstmalig angewandt wurde. Dieses Vorgehen ist allerdings nicht in Stein gemeißelt und soll wieder auf den Prüfstand gestellt werden. Die Ergebnisse der zweistufigen Wahl: Vorsitzende (bereits vor der Konferenz im Konsensverfahren per E-Mail beschlossen): Christine Schweitzer (Deutschland), Schatzmeister: Vermutlich "Sergeij Sandler (Israel) und weitere Mitglieder des Exekutivrats, Cattis Laska (Schweden) und Hülya Üçpinar (Türkei). Die weiteren Ratsmitglieder sind Carlos Barranco (Spanien), Albert Beale (Großbritannien), Jungmin Cho (Korea), Subash Chandra Kattel (Nepal), Moses Monday John (Südsudan), Igor Seke (Serbien/Mexiko), Stellan Vinthagen (Schweden/USA), Miles Tanhira (Zimbabwe/Schweden und Lexys Rendón (Venezuela).

Schließlich wurden mehrere Anträge beraten, u.a. die Unterstützung von Trainings in Gewaltfreiheit von verschiedenen Akteuren (Eriträa, Panafrican Network), von Aktionen gegen die Zwangsrekrutierungen in Ruanda, Unterstützung der Bewegung gegen eine Änderung der militärfreien Verfassung Japans, Überlegungen über eine neue Übersetzungsanlage sowie die Statements zu Gaza und der Ukraine. Vor allem die zu Gaza war - wenig überraschend - umstritten, während es bei dem Ukraine-Statement angesichts ihrer ausgewogenen Qualität kein Problem bei der Konsensfindung gab. (Beide Erklärungen sind auf den nächsten Seiten dieser ZivilCourage dokumentiert.)

Das nächste Treffen des Pan African Network on Nonviolence und Peacebuilding soll am Rande des Weltsozialforums in Tunesien im Februar 2015 stattfinden, dessen nächste ordentliche Konferenz 2016 entweder in Sierra Leone, Ghana oder Burundi. Was die WRI angeht, so nähert sich langsam die Hundertjahrfeier 2021, deren Begehung in jedem Fall im Gründungsort Den Haag stattfinden sollte. Die Konferenz dazwischen sollte also 2017 oder 2018 sein.

Insgesamt fanden die WRI-Konferenz wie auch die -Assembly in einer sehr angenehmen und konstruktiven Atmosphäre statt.


Stephan Brües ist ZivilCourage-Redakteur. Er ist Co-Vorsitzenderdes Bundes für Soziale Verteidigung (BSV) und war in Kapstadt Delegierter des BSV, der seit Kurzem ein weiterer deutscher Zweig der War Resisters' International (neben der DFG-VK und anderen Organisationen) ist. Sein Flug wurde von Brot für die Welt/EED gefördert.

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Quelle:
ZivilCourage Nr. 3 - August/September 2014, S. 10-11
Das Magazin für Pazifismus und Antimilitarismus der DFG-VK
Herausgeberin: Deutsche Friedensgesellschaft -
Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen e.V. (DFG-VK)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. September 2014