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STANDPUNKT/082: Wunsch und Wirklichkeit - Obamas Forderung Atomwaffen abzuschaffen (ZivilCourage)


ZivilCourage Nr. 2 - Mai 2009
Das Magazin für Pazifismus und Antimilitarismus der DFG-VK

Wunsch und Wirklichkeit
Barack Obamas Forderung nach weltweiter Abschaffung der Atomwaffen

Von Marion Küpker


"Obama fordert die Abschaffung der Atomwaffen!" - Diese Schlagzeile ging nach der Rede des neuen US-Präsidenten vor Tausenden begeisterter Zuhörer am 5. April in Prag um die Welt. Ist der Jubel - nicht nur in Prag - berechtigt? Schauen wir uns die Aussagen Obamas an und vergleichen sie mit der Realität:

"Um unsere Sprengköpfe und Lager zu reduzieren, werden wir dieses Jahr noch einen neuen strategischen Waffen-Reduzierungsvertrag mit Russland verhandeln."

Da die Lebensdauer von Atomwaffen begrenzt ist und diese kostspielig erneuert werden müssten, könnte uns eine ohnehin fällige Verschrottung von alten US- und russischen Atomwaffen als Schritt zur weltweiten Abrüstung verkauft werden. Es ist unwahrscheinlich, dass die USA gerade in der jetzigen Wirtschaftskrise die Tausende strategisch nicht mehr einsetzbarer alter Atomwaffen erneuern werden. Und Arno Neuber aus dem Beirat der Informationsstelle Militarisierung (IMI) schreibt, dass Russland aus Kostengründen kaum in der Lage sein wird, seine U-Boot-gestützten Atomwaffen auszubauen, weshalb eine starke Reduzierung der russischen Interkontinentalraketen bis 2020 wegen Überalterung erwartet wird. Parallel läuft in den USA, Frankreich und Großbritannien (dort z.B. mit 117 Milliarden Euro bis ins Jahr 2055) eine immense Modernisierung der Atomwaffensysteme.

"Dieses Ziel [die Abschaffung aller Atomwaffen] wird nicht schnell erreicht werden können, vielleicht noch nicht mal in meiner Lebenszeit."

Auch die Bush-Regierung wollte offiziell die weltweite nukleare Abrüstung, aber erst wenn die USA und damit auch die Nato sich nicht mehr im Kriegszustand, im so genannten Krieg gegen den Terror, befänden.

"Wir brauchen echte und sofortige Konsequenzen für Länder, die des Regelbruchs überführt wurden oder versuchen, den Vertrag ohne Grund zu verlassen."

Hiermit ist Nord-Koreas legaler Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag gemeint. Kein Wort findet sich in der Rede über die sehr schwerwiegenden Regelverletzungen durch die USA, deretwegen Nord-Korea aus diesem Doppelmoral-Vertrag ausgestiegen ist.

"Wir müssen in unseren Bemühungen, den Klimawandel zu bekämpfen, die Atomenergie nutzen und diesen Fortschritt allen Menschen zugänglich machen."

Der Atomwaffensperrvertrag sieht die weltweite Verbreitung von Atomenergie vor. Wenn Obama medienwirksam von erneuerbarer Energie als Lösung gegen den Klimawandel spricht, redet er u.U. sogar generell von Atomenergie. 2001 haben Nichtregierungsorganisationen erfolgreich die Atomenergie wieder aus dem Kyoto-Protokoll - bezüglich des Emissionshandels - rausgekriegt, wodurch die Atomenergie als erneuerbare Energieform einzustufen gewesen wäre, aber der Kampf darum setzt sich fort.

"Wir schauen ohne Illusionen nach vorn. Einige werden die Regeln brechen, aber darum brauchen wir für diesen Fall eine bereits vorhandene Struktur, die sicherstellt, dass wenn irgendein Land dieses macht, es mit Konsequenzen konfrontiert wird. Diesen Morgen wurden wir wieder daran erinnert, warum wir ein neues und rigoroseres Herangehen brauchen, um dieser Bedrohung entgegen zu treten. Nord-Korea brach ein weiteres Mal die Regeln, indem es eine Rakete testete, die als Langstreckenrakete genutzt werden könnte." (Die ganze Rede Obamas ist auf Englisch im Internet nachzulesen unter http://i.usatoday.net/news/TheOval/Obama-in-Prague-4-5-2009.pdf)

Die verstärkte Drohung an Nord-Korea zeigt deutlich, dass Obama keinen Schritt von der vorigen Bush-Politik abweicht. Auch die Erklärung der US-geführten Nato aus Straßburg vom 4. April ist eindeutig: "Eine Abschreckung, die sich auf eine geeignete Mischung aus nuklearen und konventionellen Fähigkeiten stützt, bleibt ein Kernelement unserer Gesamtstrategie."

Es ist illusorisch, von Obama zu erwarten, dass er einen grundlegend anderen Kurs als sein unbeliebter Vorgänger Bush einschlagen kann. Obama stellt u.a. gerade 30.000 neue Soldaten für den Krieg in Afghanistan bereit und benötigt von den europäischen Nato-Mitgliedsstaaten weitere finanzielle wie personelle Unterstützung für die neue Devise des "Burden- und Power-Sharing" in der Nato. Barack Obama ist der ideale Mann, um das neue Arrangement der Nato auf den Weg zu bringen. Einige publikumswirksame Reformen wurden angekündigt, um die Akzeptanz in der Weltbevölkerung zu erhöhen.

Die Anti-Atomwaffenbewegung hat es im letzten Jahr geschafft, die Diskussion um die völkerrechtswidrigen Atomwaffen in Büchel bundesweit bekannt zu machen. Daher bringt Obamas Aussage unsere Politiker zur diesjährigen Bundestagswahl in große Erklärungsnot. Schließlich stimmten jüngst gerade einmal 130 Bundestagsabgeordnete "für einen Abzug der in Deutschland noch verbliebenen US-Nuklearwaffen", dagegen 392. Bei der Parteizugehörigkeit wird deutlich: Alle Abgeordneten der Regierungsparteien CDU/CSU und SPD, die an der Abstimmung teilnahmen, stimmten gegen diesen Antrag (bis auf eine Ja-Stimme und eine Enthaltung aus der SPD-Fraktion), alle Grünen-, Linke- und FDP-Abgeordneten sowie die beiden parteilosen Abgeordneten stimmten zu. Steinmeiers Ansagen sind daher ganz klar Wahlkampfpropaganda.

Widerstand ist nötig: Um die Abschaffung der US-Atomwaffen durchzusetzen, müssen wir deutlich benennen, dass der Abzug der Atomwaffen und die Aufgabe der nuklearen Teilhabe keine Zugeständnisse von Obama oder unserer Regierung an uns sind. Sie sind laut geltenden Verträgen, Gesetzen und dem Völkerrecht verpflichtet, dieses umzusetzen. Dieser offensichtliche Rechtsbruch, aber vor allem die Notwendigkeit, den Druck zur Abschaffung dieser Massenvernichtungswaffen zu erhöhen, sollte uns alle zum Schritt zu gewaltfreien Widerstandsaktionen ermutigen! Deshalb: Kommt zu den Sommeraktionen am Atomwaffenstützpunkt in Büchel. (Der Aufruf der DFG-VK-Mitgliedsorganisation GAAA ist in der Heftmitte beigefügt)


Marion Küpker ist internationale Koordinatorin gegen Atom- und Uranwaffen der DFG-VK und Koordinatorin der Gewaltfreien Aktion Atomwaffen abschaffen (GAAA).


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Quelle:
ZivilCourage Nr. 2 - Mai 2009, S. 25
Das Magazin für Pazifismus und Antimilitarismus der DFG-VK
Herausgeberin: Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte
KriegsdienstgegnerInnen e.V. (DFG-VK e.V.),
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Erscheinungsweise: zweimonatlich
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juni 2009