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STANDPUNKT/117: Schattenkriege im 21. Jahrhundert (Forum Pazifismus)


Forum Pazifismus Nr. 38 - II. Quartal 2013
Zeitschrift für Theorie und Praxis der Gewaltfreiheit

Schattenkriege im 21. Jahrhundert
Die Automatisierung des Krieges durch Drohnen und Roboterwaffen

Von Manfred Pappenberger



Kriegerische Auseinandersetzungen waren bislang Konflikte zwischen Menschen, wenngleich die waffentechnologische Entwicklung die Distanz zwischen den sich bekämpfenden Menschen immer weiter wachsen ließ. Die Entwicklung von autonomen Roboterwaffen bedeutet gleichsam eine neue Dimension innerhalb der militärischen als auch in der sicherheitspolitischen Entwicklung. Zum einen haben die Roboterwaffen zu einem vorläufigen Höhepunkt im Prozess der so genannten "Revolution in Military Affairs" (RMA), d.h. die Erlangung einer Überlegenheit der eigenen Streitkräfte durch qualitativ hochwertige Waffentechnologie geführt (Asymmetrie der Stärke).(1) Zum anderen hat der Einsatz von bewaffneten Drohnen das Risiko eigener Verluste für den Besitzer solcher Waffensysteme weiter vermindert (Risikotransferkriege).

Darüber hinaus hat mit den autonomen Roboterwaffen eine neue militärische Ära - das Zeitalter der anonymen Kriege - begonnen. Bereits seit den 1990er Jahren finden unbemannte, ferngesteuerte Roboter bzw. Flugkörper (Drohnen) in vielfältigen militärischen, aber auch zivilen (Waldbrände, Verkehr, Pipelines), polizeilichen (Großdemonstrationen) und geheimdienstlichen Bereichen Verwendung (Dual-use).

In diesem Beitrag liegt der Fokus auf den militärischen bzw. geheimdienstlichen Aspekten von unbemannten Flugkörpern.

Besaßen Drohnen (Unmanned Aerial Vehicles, UAVs) anfänglich lediglich eine militärische Unterstützungsfunktion - besonders im Bereich Aufklärung - avancierten bewaffnete Drohnen (Unmanned Combat Aerial Vehicles, UCAVs) zum bevorzugten Mittel für gezielte Tötungen im Kontext des von US-Präsident George W. Bush in der Folge des Attentats vom 11. September 2001 proklamierten Kriegs gegen den Terrorismus.

Neben Israel und Großbritannien setzen insbesondere die USA bewaffnete Drohnen zur gezielten Tötung von Menschen ein. Seit der ersten bekannt gewordenen Tötung durch US-Drohnen (Ali Kaid Sinjan al-Harithi am 03.11.2002 im Jemen)(2) ist eine massive Ausweitung des Drohnenkriegs in quantitativer und qualitativer Hinsicht im Rahmen der neuen sicherheitspolitischen Doktrin "No boots on the ground"(3) unter US-Präsident Barack Obama zu beobachten. Gezielte Tötungen markieren dabei eine politische Kehrtwende, waren doch staatlich genehmigte Attentate seit 1976, als Präsident Gerald Ford politische Morde verboten hatte, tabu gewesen.

Neben der Zunahme der Häufigkeit solcher Drohnenangriffe - mittlerweile werden etwa fünf von sechs Angriffen in Pakistan der Verantwortlichkeit der Obama-Administration zugerechnet veränderte sich zudem der Schwerpunkt von so genannten "Personality-" zu "Signature"-Schlägen. Waren in der ersten Kategorie vermeintliche Führungspersonen bewaffneter nicht-staatlicher Gruppierungen das Ziel der Angriffe, so werden in der jetzigen Kategorie die potenziellen Ziele auf Terrorismus-Verdächtige, Drogenbarone oder militante Zivilpersonen erweitert.

Dieser militärischen Praxis hinkt der öffentliche Diskurs um Jahre hinterher. Eine breite öffentliche Diskussion über völker- bzw. menschenrechtliche, soziale und (gesellschafts-)politische Implikationen, über Risiken und Gefahren dieser neuen Kriegsführung ist nicht nur im Hinblick auf eine mögliche Ausrüstung der Bundeswehr mit bewaffneten Drohnen, wie sie Verteidigungsminister Thomas de Maiziere plant,(4) dringend erforderlich - und hat nun durch den Untersuchungsausschuss im Bundestag zur Drohnen-Affäre und die Drohnen-Kampagne der Friedensbewegung (www.drohnen-kampagne.de) wenigstens begonnen.



Drohnen - weapons of choice

Die technologische Überlegenheit westlicher Armeen hat dazu geführt, dass klassische Kriege inzwischen mit relativ wenigen eigenen Opfern realisierbar sind. Allerdings sind die Hightech-Waffen für die Zeit nach der offiziellen Beendigung des Kriegseinsatzes während der Phase der Besetzung nur bedingt geeignet, wenn sich die Gegenseite zur Führung eines asymmetrischen Guerilla-Krieges(5) oder zu terroristischen Aktionen entschließt. Starben bis zur Einnahme von Bagdad lediglich 138 US-Soldaten, wurden in der Folgezeit, nach dem offiziellen Ende der Kriegshandlungen im Irak, fast 5.000 Soldaten getötet. Die Zahlen für Afghanistan verhalten sich ganz ähnlich.

An dieser Stelle bilden bewaffnete Drohnen das Mittel der militärischen Wahl, suggerieren sie doch eine Bekämpfung von Aufständischen und Al-Qaida ohne eigene Verluste.

Für Politiker und Militärs liegen die Vorteile der Robotertechnologie im Drohnenkrieg auf der Hand. Bei Drohnen handele es sich um Waffensysteme von höchster, fast schon chirurgischer Präzision, die nur das treffen, was sie treffen sollen, nämlich ausschließlich militärisch relevante Bereiche. Die ungeheure Präzision der neuen Waffentechnologie biete die einzigartige Möglichkeit, hinlänglich sicher zwischen Kombattanten bzw. Terroristen und unschuldigen Zivilpersonen zu unterscheiden. John Brennan, langjähriger Experte für Terrorbekämpfung und neuer CIA-Chef gilt als Architekt der modernen Kriegsführung der USA. Für ihn ist der entscheidende Vorteil des ferngesteuerten Tötungsapparates "die chirurgische Genauigkeit, die Möglichkeit, mit laserscharfer Präzision diesen krebsartigen Tumor zu entfernen, der sich Al-Quaida-Terrorist nennt, und das darum liegende Gewebe so wenig wie möglich zu beschädigen."(6)

Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass die Ausbildungskosten für diejenigen, die Drohnen fernsteuern, wesentlich geringer sind als die eines Kampfjet-Piloten. Weiterhin, so die Befürworter, führen Angriffe mittels Drohnen, die Raketen mit relativ geringer Sprengkraft zielgenau abfeuern, zu wesentlich geringeren Schäden bei Menschen und an Gebäuden als die Bombardements durch Kampfjets.

Doch nicht nur in militärischen Dimensionen (vermintes Gelände, Sprengfallen, bei Scharfschützen, zur Aufklärung) hat die Robotertechnologie Vorteile vorzuweisen. Selbst in ethischer Hinsicht sind Automaten dem Menschen in Kampfhandlungen aus der Perspektive ihrer Protagonisten überlegen, weil von ihnen keine Massenvergewaltigungen oder Massaker an der Zivilbevölkerung ausgehen. Und in der Tat: Ein Blick in die Geschichte der Menschheit zeigt, dass Kriegsverbrechen, Gewaltorgien und Genozide allesamt Taten waren, die von Menschen begangen wurden. Insofern werden Kriege mit Drohnen oder Robotern nicht grausamer und unmenschlicher, aber sie werden - und das ist der entscheidende Punkt - wahrscheinlicher.

Drei Aspekte führen aus meiner Sicht zu einer Erhöhung der Wahrscheinlichkeit einer bewaffneten militärischen Auseinandersetzung: Neben der Abtrennung der emotionalen Komponenten von den Folgen des soldatischen Handelns und der Aufweichung bzw. Zerstückelung von Verantwortlichkeiten ist in diesem Zusammenhang die Reduzierung eigener Verluste zu nennen.


Erhöhung der Kriegswahrscheinlichkeit durch den Einsatz von Drohnen

Eine Studie der rechtswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten von Stanford und New York vom September 2012 zu Praxis und Auswirkung des Drohneneinsatzes in Pakistan widerlegte die offizielle US-Regierungsversion, wonach die Zivilbevölkerung beim Einsatz von Drohnen weitestgehend geschützt werde.(7) Wirklich geschützt werden nur diejenigen, die über solche Waffensysteme verfügen. Ein Krieg, der jedoch keine eigenen Opfer fordert, ist zwar einerseits wünschenswert, bewirkt aber andererseits beim Angreifer wesentlich geringere politische Kosten und führt letztlich dazu, dass militärische Gewalt zur Durchsetzung von politischen und/oder wirtschaftlichen Interessen auch dann eine politische Option darstellt, wenn Gesellschaften immer weniger bereit sind, eigene Todesopfer zu tolerieren. Die militärische Machbarkeit führt dazu, dass gewaltfreie politische Lösungen von Konflikten zu Optionen zweiter Klasse verkommen.

Der Traum vom schnellen, siegreichen Krieg ohne eigenes Blutvergießen hat mit dem Einsatz von bewaffneten Drohnen eine neue Dimension in einem Prozess erreicht, den der britische Politikwissenschaftler Martin Shaw mit dem Begriff "Risikotransferkriege"(8) treffend beschrieben hat. Danach besitzen insbesondere westliche Demokratien Öffentlichkeiten mit einer hohen Sensibilität gegenüber eigenen Verlusten, so dass militärische Strategien existenzielle Risiken vermeiden oder auf andere Gruppen transferieren müssen. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn es sich nicht um Verteidigungskriege, sondern um (welt-)ordnungspolitische Konflikte ohne eindeutigen Bezug zum nationalen Interesse handelt.

Durch die Fähigkeit, den ausgespähten Gegner aus immer größerer Distanz punktgenau zu bekämpfen und die eigenen Soldaten immer stärker oder ganz vom Schlachtfeld fernzuhalten, konnte die "Opfersensibilitätsfalle"(9) umgangen und sowohl die militärische als auch die politische Vorgabe, nur noch Missionen mit einer Konzentration der Schäden beim Gegner und minimierten eigenen Verlusten durchzuführen, umgesetzt werden.



Absenkung der Hemmschwelle

Die Perfektion der modernen Waffentechnologie ermöglicht weitgehend unblutiges Töten mittels Knopfdruck. Die Rakete fliegt weit weg, der eigenen Sicht und Vorstellung entrückt, absolut zielgenau, und zerstört nur militärische Anlagen des Gegners. Es wird der Eindruck eines klinisch reinen Krieges vermittelt, bei dem die Zivilbevölkerung weitgehend ge- und verschont wird.(10)

Psychologisch ist die Hemmschwelle viel geringer, auf den berühmten Knopf zu drücken, auch wenn die Folge dieses Knopfdrucks eine Million Tote bedeuten würde, als jemandem direkt die Gurgel durchzuschneiden oder ein Messer in den Bauch zu stoßen. Die Abspaltung der Gefühle vom Denken bzw. Handeln bewirkt eine humane Deformation, weil sich eine Denkweise entwickelt, die durch keine emotionale Kontrolle rückgekoppelt ist. Umgekehrt ist die Abspaltung der Gedanken von der Gefühlswelt ebenso problematisch, weil jede Einseitigkeit die Möglichkeit zur Pathologie begünstigt. Gefühle ohne Gedankenrückkoppelung lassen den Psychopathen und Gedanken ohne Gefühle den Soziopathen, den Kriminellen entstehen. Schon Konrad Lorenz war der Auffassung, dass die Abkoppelung des Sensoriums den Menschen überhaupt erst befähigt, skrupellos zu sein. Das Phänomen des Ausblendens der Gefühlswelt führt zu einer zunehmenden Schizophrenisierung militärisch Handelnder, weil die emotionale Komponente der Akteure mehr oder weniger umfassend von ihrer Persönlichkeit abgetrennt wird. Die Kriegsbereitschaft des Individuums steigt in dem Maße, wie es gelingt, das Einfühlungsvermögen in den anderen auszuschalten.



Zerstückelung von Verantwortlichkeiten

Die militärische Sozialisation ist nicht nur auf den Verlust der Selbstachtung durch soldatische Rituale, militärischen Drill und Schikanen ausgerichtet, sondern zielt darüber hinaus auf den Abbau der Tötungshemmung. Das militärische System ist gekennzeichnet durch eine extrem hierarchische Struktur und das Prinzip "Befehl und Gehorsam". Die Bomberpiloten Paul Tibbets (Hiroshima) und Charles Sweeney (Nagasaki) haben so viele Menschen getötet wie sonst niemand in der Geschichte der Menschheit. In einem Interview sagte Sweeney: "Ich bin Soldat, und Befehl ist Befehl; ich habe gemacht, was ich tun musste." Und er fügte hinzu: "Jeder Soldat der Welt würde so handeln."(11) Richtig! Auf Befehl wurde und wird zu allen Zeiten gemordet, gefoltert und zerstört. Und wenn es doch einmal zu einer juristischen Aufarbeitung von Kriegsverbrechen oder Massenmord kommen sollte, lautet die entschuldende Aussage und Rechtfertigung häufig, man habe nur Befehle befolgt. Danach liegt die Verantwortung des Soldaten nicht in den Konsequenzen des Befehls, sondern lediglich in der Art seiner Ausführung. Der Soldat sieht (noch) was er tut, trägt selbst dafür aber nicht die Verantwortung, sondern der Befehlgeber, der aber nicht sieht, was getan wird.

Die Aufweichung der Verantwortlichkeit ist heute vielen großen Systemen immanent (Wissenschaftssysteme, Finanzsysteme, globalisierte Konzerne, militärische Systeme); sie vollzieht sich, indem Verantwortung sehr weit gestreut wird und bei der der Einzelne nur einen kleinen Teil bearbeitet und sich gar nicht für das große Ganze verantwortlich machen kann, weil er die Komplexität nicht mehr durchschaut. Die Nationalsozialisten haben die Zerstückelung von Verantwortung nicht erfunden, aber radikal praktiziert und konnten so ihre menschenverachtende Politik umsetzen. Und sie wussten, dass es auch in einem arbeitsteilig und die Verantwortung zerstückelnden Prozess Bereiche gibt, die psychisch besonders schwierig waren, wie die berühmte Posener Rede von Heinrich Himmler verdeutlicht. Auch das Massaker von My Lai im Vietnamkrieg wurde dahingehend untersucht, wer die Verantwortung hatte: Es wurde keiner gefunden. Oder: Wer hatte die Verantwortung für die Finanzkrise 2008? Und wenn es beim Einsatz von Drohnen einmal zu Fehlern kommt und unschuldige Zivilisten getötet werden, wer trägt die Verantwortung dafür? Der Wissenschaftler? Der Hersteller? Der Befehlsgeber? Der Programmierer? Derjenige, der auf den Knopf drückt?

Tatsächlich führt die Ausstattung der Drohnen mit immer mehr und leistungsfähigeren Sensoren, mit GPS-geleiteten Präzisionsraketen sowie die Vernetzung zwischen den militärischen Einheiten (System der Systeme) zu einem exponentiellen Wachstum von Daten, die es auszuwerten und zu beurteilen gilt. Dabei wird die Befehlsübermittlung einer hochkomplexen und für den Einzelnen meist nicht durchschaubaren Entscheidung mehr und mehr über Computersysteme gesteuert. Zwar liegt der eigentliche Abschuss der Rakete noch beim Menschen, doch diese finale Handlung gerinnt mehr und mehr zum Ritual scheinbarer Selbstständigkeit, zum symbolischen Akt, weil die Basis für die Entscheidung zum Abfeuern längst durch Computer und Algorithmen vorbereitet wurde. Der Knopfdruck stellt letztlich keine bewusste menschliche Entscheidung mehr dar, so dass dem Menschen die Entscheidungsgewalt nurmehr auf einer abstrakten Ebene erhalten bleibt.

"Verwaltungsmassenmorden" nannte Hannah Arendt die arbeitsteilige Aufspaltung von Gewalthandlungen. Daraus resultiert bei den handelnden Personen eine Verantwortungslosigkeit und moralische Indifferenz, weil sie mit den Folgen ihres Handelns nur noch ausschnitthaft oder gar nicht mehr direkt konfrontiert werden.

Doch nicht nur die enormen Datenmengen werden die eigenständige Rolle des Menschen zugunsten von Computersystemen zurückdrängen. Da Funkverbindungen über große Entfernungen besonders störanfällig sind, werden sich auch die wenigen beim Menschen verbliebenen Entscheidungssequenzen hin zu den Roboterwaffensystemen verschieben. "Letale Autonomie" heißt der Fachbegriff und bedeutet die Übernahme des Tötens automatisiert durch Maschinen.


Politische und soziale Folgen für Demokratie und Gemeinwesen

Die letale Autonomie ist jedoch lediglich der finale Akt eines Prozesses, der schon im Vorfeld viele Aspekte als notwendige Bedingungen hierfür voraussetzt.

Um einen vermeintlichen oder tatsächlichen Gegner exekutieren zu können, müssen die Roboterwaffen zuvor mit entsprechenden Daten programmiert worden sein. Nach welchen Kriterien solche "killing lists" erstellt werden, findet im Geheimen statt, ohne dass Öffentlichkeit oder Parlament eine Kontrolle ausüben kann.

Durch automatisierte Waffensysteme konzentriert sich militärische Macht in wenigen Händen. Diese Machtkonzentration ist jedoch mit demokratisch verfassten Gesellschaften unvereinbar.

Auf jeden Fall müssen Personendaten erfasst, digitalisiert und gespeichert werden, damit Roboterwaffen später Zielpersonen erkennen, verfolgen und automatisch töten können. Neben persönlichen Daten und Bildern werden in den Überwachungssystemen der Zukunft auch menschliche Bewegungsmuster erfasst, um gegebenenfalls Abweichungen aufzuzeigen, denn ein solches intelligentes Überwachungssystem "weiß", wie sich Menschen normalerweise an einem bestimmten Ort verhalten. Auch Riechen lernen die Roboterwaffen bereits: Im menschlichen Atem werden bis zu fünfzehn verschiedene Chemikalien abgesondert, die von elektronischen Sensoren identifiziert und zur Zielerfassung benutzt werden.

"Es geht nicht um umfassende Überwachung, sondern um Befugnisse, um Sie als Bürger vor terroristischen Anschlägen zu schützen"(12) - so versuchte Bundesinnenminister Friedrich (CSU) noch 2011 zu beruhigen. Doch der sicherheitspolitische Reflex, auf (Terror-)Attentate mit technischer Aufrüstung und juristischer Entgrenzung zu reagieren, ist ebenso typisch wie die Forderung, im Antiterrorkampf dürfe es keine Denkblockaden und Denkverbote geben.(13)

Selbstverständlich sind Überwachungsmaßnahmen wichtige Aspekte innerhalb eines Präventionssystems, aber sie dürfen nicht zu einem entgrenzten Präventionsstaat führen. Ein umfassender präventiver Sicherheitsstaat konzentriert sich nicht nur auf konkrete Verdachtsmomente, denn die Gefahr kann überall lauern. Aus der präventiven Sicherheitsperspektive kann jeder unbescholtene Bürger von heute zu einem Gefährder von morgen mutieren. Deshalb ist es sicherheitspolitisch geboten, lieber möglichst viele Bürger zu beobachten als einen zu übersehen. Wer umfassende Prävention leisten will, ist ständig bemüht, Überwachung zu optimieren, weil er nie alles weiß.

Seit dem 11. September 2001 sind im Rahmen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) umfangreiche Gesetzesveränderungen und Rechtsverordnungen eingeführt und umgesetzt worden.(14) Um eine möglichst umfassende Gefahrenabwehr zu garantieren, erfolgt die Arbeit der Sicherheitsbehörden weit im Vorfeld terroristischer Bestrebungen. Sie hat insgesamt zu einer globalen Erschütterung des rechtlichen Kategoriensystems geführt.

Terroristen sind keine normalen Feinde, sie sind totale Feinde - Feinde, denen elementare Grundrechte abgesprochen werden müssen (vgl. hierzu auch Anm. 3). Und letztlich ist schon der Verdacht, Terrorist sein zu können, ausreichend dafür, Rechtsprinzipien zu lockern, wie z.B. das Prinzip keine Bestrafung ohne Verbrechen und ohne Gesetz (nulla poena sine crimine; nulla poena sine lege) oder dass das Strafmaß verhältnismäßig zur nachgewiesenen Straftat sein muss. Auch in Deutschland haben Politiker und Juristen ernsthaft über die Zulässigkeit der Folter diskutiert, und das Parlament befürwortete mehrheitlich den Abschuss vollbesetzter Flugzeuge (Luftsicherheitsgesetz). Zwar hat das Bundesverfassungsgericht viele Vorhaben der Exekutive verworfen oder mit der Auflage zur Nachbesserung versehen (siehe Anm. 13), dennoch wurde im Laufe der Zeit die Legitimation rechtsstaatlicher Eingriffe um 180 Grad gedreht. Heutzutage bedarf die Verteidigung der Grundrechte der Rechtfertigung und nicht deren Einschränkung. Anstatt jedes neue Antiterrorgesetz an der Rechtsstaatlichkeit zu messen, wird den Befürwortern von Rechtsstaatlichkeit unterstellt, Terroristen unfreiwillig zu unterstützen und Verbündete des Terrorismus zu sein.

Doch es gibt kein Grundrecht auf Sicherheit. Sicherheit hat immer eine der Freiheit dienende Funktion auch in dem Sinne, eine "Verhinderung eines Hindernisses der Freiheit" (Kant) zu sein. Auch der Philosoph Peter Sloterdjik sieht die Freiheit als Opfer seit Nine-Eleven und dem Krieg gegen den Terrorismus. Nach seiner Auffassung sind aus Bürgern Sicherheitsuntertanen geworden.(15) Wer heute den absoluten Vorrang der Sicherheit kritisiert, ist verdächtig und wird als Feind wahrgenommen. Wer Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren, so lautet die oft zitierte Aussage des amerikanischen Philosophen Benjamin Franklin. Und mehr noch: Ein Rechtsstaat, der seinen Feinden elementare Grundrechte abspricht, verliert seine Würde und die Achtung vor seinen eigenen Werten. Er zerstört, was er zu schützen vorgibt: seine zivilisatorischen Werte wie Demokratie, Freiheit sowie Grund- und Menschenrechte.

Aus Angst vor dem Terror Selbstmord zu begehen, indem die eigenen Werte auf dem Altar der Sicherheit geopfert werden, ist die eigentliche Bedrohung freiheitlicher Demokratien. Ulrich Beck hat versucht, die Ambivalenz der Begriffe Freiheit und Sicherheit zu beschreiben: "Ohne Sicherheit ist Freiheit leer und bedeutungslos - es fehlen die Grundlagen, um das Leben in Freiheit zu planen und aktiv zu gestalten. (...) Ohne Freiheit verliert Sicherheit ihren Sinn. Wer die Gefahr der Terrorattentate dazu nutzt, mit dem Sicherheitsversprechen die Freiheitsrechte zu (er)drosseln, schafft am Ende eine geschlossene Gesellschaft, in der es nicht zu leben lohnt."(16)

Sicherheitsmaßnahmen behandeln nur die Symptome, nicht die Ursachen des Terrorismus, und gegen unendlich viele mögliche Ziele von Terroristen kann es keine umfassende Sicherheit geben, schon gar nicht durch nationale Alleingänge. Sicherheit kann nur über die Grenzen von Kulturen, Religionen und Staaten hinweg organisiert werden. Gemeinsame Lösungen über die Vereinten Nationen erhöhen die Sicherheit weit mehr als die Verschärfung der Gesetze und die sicherheitstechnische Aufrüstung.



(Völker-)Rechtliche Probleme

Besonders problematisch ist der Einsatz von bewaffneten Drohnen unter Völker- und menschenrechtlichen Aspekten, insbesondere dann, wenn sich das Land, in dem der Drohnenangriff stattfindet, in keinem erklärten Kriegszustand befindet. Wenn Angriffe im Rahmen eines globalisierten Krieges sowohl in offiziellen Kriegsgebieten als auch im Hoheitsgebiet eines von nicht im Krieg mit dem Angreifer befindlichen Landes durchgeführt werden, dann ist die völkerrechtliche Unterscheidung zwischen bewaffneten Konflikten und befriedeten Regionen obsolet geworden. Der Einsatz von Drohnen außerhalb direkter Kampfgebiete ist nach Auffassung der Schweizer Rechtsexpertin Helen Keller illegal, und mit dem Völkerrecht unvereinbar: "Die gezielte Tötung außerhalb von, Kampfzonen kommt einer Exekution gleich. Das heißt, der Staat bedient sich des Gewaltmonopols, um illegal Menschenleben zu vernichten. In jedem Rechtsstaat wäre das nur unter den sehr strengen Voraussetzungen eines finalen Rettungsschusses (etwa in einem Entführungsfall) zulässig. Eine der wesentlichen Voraussetzungen dafür ist, dass alle anderen Mittel, um der Zielperson habhaft zu werden, ausprobiert worden sind oder völlig aussichtslos erscheinen. Das scheint mir bei der Erschießung eines Terrorverdächtigen im Jemen a priori nicht gegeben zu sein. Wie die Situation in Somalia zu beurteilen ist, das ich als gescheiterten Staat qualifizieren würde, ist schwierig zu sagen. Aber auch da sollten die Hürden hoch genug angesetzt werden, um den Regierungen keinen Freipass zum gezielten Töten zu geben. Das humanitäre Völkerrecht würde wohl auch in einem solchen Fall gebieten, einen Verdächtigen primär gefangen zu nehmen, statt ihn einfach umzubringen."(17)

Der Schutz der staatlichen Souveränität gehörte bislang zu den grundlegenden Normen des Völkerrechts und wurde insbesondere durch das zwischenstaatliche Gewaltverbot und das Verbot der Einmischung in innere Angelegenheiten gewährt.

Vom Völkerrecht ist der Einsatz militärischer Gewalt nur in zwei eng definierten Ausnahmefällen gedeckt: Zur Abwendung einer militärischen Aggression als individuelle oder kollektive Verteidigungsmaßnahme nach Art. 51 ("Recht auf Selbstverteidigung) der Uno-Charta oder falls die internationale Sicherheit und der Weltfrieden bedroht sind (Art. 39). Ebenso eindeutig ist geregelt, dass es der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ist, der darüber entscheidet, ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt oder nicht.

Ursprünglich wurde dabei an Kriege zwischen souveränen Staaten gedacht. Doch wie Jugoslawien, Ruanda, Sudan, Libyen oder Mali zeigen, finden viele Konflikte nicht mehr zwischen, sondern innerhalb der Staaten statt, wodurch die Politiker und Juristen gezwungen waren, das Völkerrecht zu überdenken. So beschlossen die Vereinten Nationen im Jahre 2005 die neue "Schutzverordnungs-Doktrin" ("Responsibility to Protect"). Danach muss jeder Staat seine Bürger vor schwersten Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen wie Völkermord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder ethnischen Säuberungen schützen. Sind die Regierungen hierzu nicht in der Lage oder sind sie selbst die Ursache dieser Verbrechen, geht die Verantwortlichkeit auf die internationale Staatengemeinschaft über. Damit rückt das Wohl der Menschen in den Mittelpunkt des Völkerrechts, weil sich kein Staat mehr auf seine einzelstaatliche Souveränität berufen kann.(18)

Die Durchsetzung eigener Interessen auch über Landesgrenzen hinweg wird durch den Einsatz von Roboterwaffen wesentlich erleichtert, weil sie aus dem Schattenreich der Geheimdienste gesteuert und internationale Institutionen umgehen. Die völkerrechtlich garantierte Souveränität der einzelnen Staaten erfährt eine deutliche Relativierung. Die Aushöhlung des Völkerrechts bewirkt eine zunehmende Entrechtlichung der internationalen Beziehungen und eine stärkere eigenmächtige Auslegung und Interpretation von internationalen Beschlüssen. Die Folge ist eine Schwächung der Vereinten Nationen mit einer divergierenden Völkerrechtsordnung in unterschiedliche Rechtskreise mit einer Zunahme gewaltoffener, rechtsfreier Räume.(19)

Der Begriff "gezielte Tötung" ist im internationalen Recht nicht definiert. Im Allgemeinen wird darunter die tödliche Gewalt durch Staaten oder staatliche Organisationen wie Armeen oder Geheimdienste verstanden, die mit der ausschließlichen Absicht durchgeführt wird, bestimmte Personen ohne rechtskräftiges Urteil eines zuständigen Gerichts zu töten. Die Ausschaltung eines politischen Gegners durch dessen Exekution bedeutet die weltweite Einführung der Todesstrafe ohne Gerichtsverhandlung. Dieser Prozess einer globalen Lynchjustiz wirft die rechtsstaatliche Entwicklung auf das archaische Recht des Stärkeren zurück. Von daher ist es zu begrüßen, dass die Bundesanwaltschaft im Juli 2012 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf einen Verstoß gegen das Kriegsvölkerrecht eingeleitet hat, der im Zusammenhang mit dem Tod des deutschen Staatsbürgers Bünyamin E. durch einen Drohnenangriff in Nordwaziristan steht.(20)

Die Problematik wird sich zusehends verschärfen, wenn man sich vergegenwärtigt, dass in absehbarer Zukunft mindestens 50 Staaten - und auch nicht-staatliche Organisationen und/oder das Organisierte Verbrechen - in den Besitz solcher Waffensysteme gelangen werden, zumal deren Einsatz niedrige Kosten und geringe Risiken bei der Austragung von Konflikten verspricht. Auch die Gegenseite partizipiert an waffentechnologischen Entwicklungen und wird - zeitverzögert - in den Besitz moderner und modernster Waffensysteme gelangen (z.B. Drohnenangriffe der Hamas auf Israel).

Die globale Einführung billiger und extrem schwer zurückverfolgender Waffensysteme (ähnlich dem so genannten Cyber-War) wird nicht nur das internationale Kriegsrecht, sondern auch das Wesen der Konflikte der Menschen untereinander verändern. Es ist der Beginn des Zeitalters der "anonymen Kriegen".(21)



Die Illusion des sicheren Krieges

Die Hoffnung, dass die nationale Sicherheit der USA durch den globalen Einsatz von Roboterwaffensystemen erhöht wird, indem mutmaßliche Feinde digital erfasst, aufgespürt und beseitigt werden,(22) ist wenig realistisch. Selbst wenn der Drohnenkrieg erfolgreich geführt würde und insbesondere ranghohe Terroristen exekutiert würden - was laut oben erwähnter Studie in nur zwei Prozent der Fälle gelingt -, erinnert er in seinen Konsequenzen sehr stark an die Figur der Hydra aus der griechischen Mythologie: Jeder so getötete Feind bringt zwei neue hervor. Ein Zusammenbrechen bzw. eine Auflösung der Terrorgruppen ist nicht zu erwarten, im Gegenteil: Der Drohnenkrieg führt zu einer Radikalisierung und Mobilisierung der Überlebenden mit der Folge weiterer Terroranschläge. Wer Terrorismus mit Terror bekämpft, fördert den Terrorismus und unterstützt den Prozess der Rekrutierung neuer Terroristen.(23) Diese These wird in der afghanischen Kriegsrealität sehr deutlich durch die kontinuierliche Erhöhung von Selbstmordattentaten sowie von Angriffen mit Sprengfallen bestätigt.

Befriedete Regionen mit stabiler politischen Ordnung hinterlässt der Drohnenkrieg ganz offensichtlich nicht. Viel wahrscheinlicher ist, dass Aufständische oder Terroristen den Krieg dorthin bringen werden, wo sich die Steuerzentralen der automatisierten Roboterwaffen befinden. So gesehen ist die Eskalation der Gewalt ein Prozess, der vom Anwender der Roboterwaffen zumindest mitinitiiert ist. "Terrorismus hat keine Rechtfertigung, aber er hat sehr wohl Ursachen."(24) Inwieweit die weltweite Anschlagsgefahr durch den aktiven Kriegsbeitrag internationaler Truppen erhöht oder gesenkt wurde, ist politisch umstritten.

Die Kombination der Elemente des guten Zwecks (Durchsetzung des Völkerrechts, Absetzung von Diktatoren oder Verhinderung eines Genozids) mit für die Zivilbevölkerung schonenden Mitteln (bewaffnete Drohnen), dieser Traum vom garantierten Sieg ohne eigenes Blutvergießen bleibt eine gefährliche Illusion. "Denn der Krieg bleibt, was er ist: das gewaltsame Aufeinanderprallen zweier gegensätzlicher politischer Willen, die sich nicht nachgeben wollen."(25)

Möglichen kurzfristigen Vorteilen stehen mittel- und langfristige Nachteile gegenüber, die der Einführung bewaffneter und automatisierter Waffensysteme grundsätzlich widersprechen.


Manfred Pappenberger ist Dozent für politische Bildung am Bildungszentrum Bad Staffelstein (vormals Zivildienstschule) und vertritt in diesem Beitrag ausschließlich seine persönliche Meinung.



Anmerkungen

(1) Münkler, Herfried: Der Wandel des Krieges, Weilerswist 2006, S. 65

(2) Vgl. Der Spiegel Nr. 46/2002, S. 222

(3) Neben dem Verzicht auf Bodentruppen zur Minimierung eigener Verluste ist die neue Doktrin durch die zunehmende Vernetzung des Militärs, der CIA und dem Weißen Haus gekennzeichnet. Insgesamt ist festzustellen, dass militärische Kompetenzen und Verantwortlichkeiten in die Hände der Geheimdienste übergegangen sind.

(4) Vgl. hierzu: Die Bundeswehr plant schon den Drohneneinsatz, in: Frankfurter Rundschau vom 02.08.2012, S. 4, und: de Maizière wirbt für den Einsatz bewaffneter Drohnen, in: weltonline vom 03.08.2012

(5) Christopher Daase begreift den asymmetrischen Guerillakrieg als eine Geschichte der Konter-Revolution on Military Affairs. Vgl. Daase, Christopher: Den Krieg gewonnen, den Frieden verloren: Revolutionen und Konterrevolutionen in Military Affairs, in: Helmig, Jan/Schörnig, Niklas (Hrsg.) Die Transformation der Streitkräfte im 21. Jahrhundert. Militärische und politische Dimensionen der aktuellen "Revolution in Military Affairs", Frankfurt/Main 2008

(6) Vortrag von John Brennan: Effizienz und Ethik der US-Antiterror-Strategie, zit. nach Süddeutsche Zeitung vom 08.01.2015, S. 2. In der Kriegspropaganda wird der Gegner sprachlich häufig als Un-Mensch, als Bestie und Tier oder eben als Krebsgeschwür bezeichnet.

(7) Die Studie, die sich auf die Zahlen des Bureau of Investigative Journalism in London beruft, kommt zu dem Ergebnis, dass im Zeitraum 06/2004 und 09/2012 zwischen 2.562 und 3.325 Personen durch Drohnen getötet wurden, darunter zwischen 474 und 881 Zivilisten und davon 176 Kinder. Vgl. hierzu auch: Stellungnahme von John F. Tierney, Subcommittee on National Security and Foreign Affairs, Hearing on "Rise of the Drones: Unmanned Systems and the Future of War", vom 23.03.2010.

Vgl. auch: Ambos, Kai: Drohnen sind Terror, in: Süddeutsche Zeitung vorn 17.10.2012, S.2, und Kazim Hasnain: Obamas Drohnenkrieg schürt Terrorgefahr, in: spiegel online vom 25.09.2012.

(8) Shaw, Martin: The New Western way of War. Risk-transfer war and its crisis in Iraq, Cambridge 200S.

(9) Schörnig, Niklas: Visionen unblutiger Kriege. Hightech-Antworten zur Umgehung der Opfersensibililität, in: Geis, Anna/Müller, Harald/Wagner, Wolfgang (Hrsg.): Schattenseiten des Demokratischen Friedens. Zur Kritik einer Theorie liberaler Außen- und Sicherheitspolitik, Frankfurt 2007, S. 106

(10) Gelingt dies nicht, wird der euphemistische Begriff "Kollateralschaden" verwendet.

(11) Vgl. Drewermann, Eugen: Krieg ist Krankheit, keine Lösung, Freiburg i.Br. 2002, S. 56 f.

(12) Süddeutsche Zeitung vom 31.03.2011

(13) Schon Franz Josef Strauß forderte im Herbst 1977 im Zusammenhang mit der Entführung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer durch die Rote Armee Fraktion (RAF), das Undenkbare zu denken.

(14) In diesem Zusammenhang sind u.a. zu nennen: Sicherheitspaket I (2001): Streichung des Religionsprivilegs, Strafbarkeit der Mitgliedschaft und Unterstützung einer ausländischen Terrorgruppe; Sicherheitspaket II (2002): Einsicht von Informationen bei Banken, Fluglinien und Telekommunikationsunternehmen; Rasterfahndung (2002): präventive Rasterfahndung nach bislang nicht entdeckten islamistischen Terroristen, seit Mai 2006 nur bei einer "konkreten Gefahr für hochrangige Rechtsgüter" zulässig (Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 04.04.2006, Az.: 1 BvR 518/02); Terrorabwehrzentrum (2004): Austausch und Koordination von Informationen von Behörden aus Bund und Ländern; Luftsicherheitsgesetz (2005): Abschuss eines Passagierflugzeugs ist möglich, wenn es als Waffe benutzt wird, das BVerfG erklärt diese Regelung für verfassungswidrig, BVerfg-Urteil vom 15.02.2006, Az.: 1 BvR 557/05; Biometrischer Reisepass (2005): Pass muss digitalisiertes Bild und Fingerabdruck enthalten; Antiterrordatei (2006): gemeinsame Datei von Polizei und Geheimdiensten; Vorratsdatenspeicher (2008): 6-monatige Speicherung von Telefon-Verbindungsdaten, das BVerfG erklärt diese Regelung für verfassungswidrig, BVerfG-Urteil vorn 02.03.2010, Az.: 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08; Onlinedurchsuchung (2008): das BVerfG erlaubt Online-Durchsuchungen nur, wenn es tatsächliche Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut": gibt, BVerfG-Urteil vom 27.02.2008, Az.: 1 BvR 570/07; Vorbereitungshandlungen (2009): strafbar ist der Besuch terroristischer Ausbildungslager, Erwerb von chemischen Grundstoffen, die zur Sprengstoffherstellung geeignet sind, Finanzierung von Anschlägen; Nationales Cyber-Abwehrzentrum (2011): Kooperation von Sicherheitsorganen des Bundes zur Abwehr elektronischer Angriffe.

Vgl. hierzu auch: Gössner, Rolf: Menschenrechte in Zeiten des Terrors, Kollateralschäden an der Heimatfront, insbesondere Kap. II "Antiterrorspezialisten", S. 65-125, und Abou-Taam, Marwan: Folgen des 11. September 2001 für die deutschen Sicherheitsgesetze, in APuZ Nr. 27/2011, S. 9-14

(15) Vgl. Die Freiheit ist das Opfer dieses Jahrzehnts. Peter Sloterdjik im Interview, in: Zeit-Magazin vom 11.12.2008, S. 50

(16) Beck, Ulrich: Politik der Angst. Die offene Gesellschaft und die Terroristen, in: Süddeutsche Zeitung vom 25.07.2005, S. 11

(17) Vgl. junge Welt vom 12.11.2010, S. 10

(18) Inwieweit es sich bei dieser Doktrin um eine verbindliche Rechtsnorm des Völkerrechts handelt, ist jedoch noch nicht abschließend geklärt.

(19) Beispiele hierfür sind neben Guantanamo und Abu Ghraib auch Gefangenentransporte in Länder, die Folterpraktiken ausüben.

(20) Vgl. taz vom 20.07.2012, S. 3. Auch in den USA ziehen Bürgerrechtler im Zusammenhang mit gezielten Tötungen durch Drohnen vor Gericht.

(21) Vgl. hierzu: Suarez, Daniel: Kill Decision, Reinbek 2013

(22) Washington Post zit. nach Süddeutsche Zeitung vom 08.01.2013, S. 2

(23) Neben der Tötung von Zivilisten ist in diesem Zusammenhang insbesondere die entwürdigende Behandlung und die Folterung von Gefangenen in Guantanamo oder Abu Ghraib zu nennen.

(24) Jutta Limbach auf dem Deutschen Anwaltstag 2002 in München,

(25) Müller, Harald/Schörnig, Niklas: Drohnenkrieg: Die konsequente Fortsetzung der westlichen Revolution in Military Affairs, in: APuZ Nr 50/2010, S. 22



Literatur:

- Drewermann, Eugen: Krieg ist Krankheit, keine Lösung, Freiburg i. Br. 2002
- Gössner, Rolf: Menschenrechte in Zeiten des Terrors. Kollateralschäden an der Heimatfront, Hamburg 2007
- Helmig, Jan/Schörnig, Niklas (Hrsg.): Die Transformation der Streitkräfte im 21. Jahrhundert. Militärische und politische Dimensionen der aktuellen "Revolution in Military Affairs", Frankfurt/Main 2008
- Müller, Harald/Schörnig, Niklas: Drohnenkrieg: Die konsequente Fortsetzung der westlichen Revolution in Military Affairs, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ), Nr. 50/2010; S. 16-23
- Münkler, Herfried: Der Wandel des Krieges. Von der Symmetrie zur Asymmetrie, Weilerswist 2006 Schörnig, Niklas: Visionen unblutiger Kriege. Hightech-Antworten zur Umgehung der Opfersensibililität, in: Geis, Anna/Müller, Harald/Wagner, Wolfgang (Hrsg.): Schattenseiten des Demokratischen Friedens. Zur Kritik einer Theorie liberaler Außen- und Sicherheitspolitik, Frankfurt 2007, S. 95-122
- Shaw, Martin: The New Western way of War. Risktransfer war and its crisis in Iraq, Cambridge 2005. Suarez, Daniel: Kill Decision, Reinbek 2013

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Quelle:
Forum Pazifismus - Zeitschrift für Theorie und Praxis der
Gewaltfreiheit
Nr. 38 - II. Quartal 2013, S. 38 - 44
Herausgeber: Internationaler Versöhnungsbund - deutscher Zweig,
DFG-VK (Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte
KriegsdienstgegnerInnen)
mit der Bertha-von-Suttner-Stiftung der DFG-VK,
Bund für Soziale Verteidigung (BSV) und Werkstatt für Pazifismus,
Friedenspädagogik und Völkerverständigung PAX AN
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. September 2013