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STANDPUNKT/143: Soziale Medien im Kontext friedenspolitischer Arbeit (ZivilCourage)


ZivilCourage Nr. 2 - Mai/Juni 2016
Das Magazin für Pazifismus und Antimilitarismus der DFG-VK

Soziale Medien im Kontext friedenspolitischer Arbeit
DFG-VK-Seminar über Chancen und Risiken

Von Benno Malte Fuchs


Soziale Medien sind als Werkzeuge für politische Organisationen in der heutigen Zeit nicht mehr wegzudenken. Trotzdem bleiben viele Friedensorganisationen in Deutschland hinter ihrem Potenzial, diese zu nutzen, um die Öffentlichkeit zu erreichen, die öffentliche Meinung zu beeinflussen und Mitglieder zu gewinnen. Aus diesem Grund trafen sich am 9./10. April DFG-VK-Aktive in Kassel zu einem Seminar, um sich über die Möglichkeiten, die soziale Medien bieten, zu beraten.

Soziale Medien ermöglichen das Austauschen von Informationen zwischen einer Menge an Personen und in einer Geschwindigkeit, die größer und schneller sind als alle Kommunikationswege zuvor; und das bei geringen Kosten. Sie ermöglichen das Vorantreiben von zwei Themen, die für die Friedensbewegung von vitalem Nutzen sind: internationale Solidarität und Massenbewegungen. Die Friedensbewegung kann dann erfolgreich sein, wenn sie an die öffentliche Meinung appelliert. Wenn genug Menschen verstehen, dass sie ihre Macht nur abgegeben haben, so ist das die Grundlage dafür, sie wieder zurückzuholen. Und genau das funktioniert nachhaltig und effektiv nur, wenn die Beteiligung an direkten gewaltfreien Aktionen groß genug ist. Der arabische Frühling ist ein Beispiel dafür, wie soziale Medien genutzt werden können, um zu mobilisieren.

Leider nutzt die Friedensbewegung hierzulande ihr Potenzial in den neuen Medien nicht ausreichend. Youtube, Facebook, Tumblr, Instagram, Twitter und Co. scheinen für viele aus unserer Organisation ein Fremdwort zu sein. Die Frage, wer hinter dem Twitter-Account mit dem Namen "DFG-VK" steckt, ist nach wie vor ungeklärt.

Natürlich sind große Organisationen im Kapitalismus neben diesem selbst immer ein Problem, und Datenschutzfragen dürfen nicht außer Acht gelassen werden. Es muss ein Bewusstsein darüber bestehen, dass beispielsweise auch Geheimdienste alle Informationen und Meta-Daten erhalten, speichern und auswerten, die wir über diese Medien streuen. Aber die Zahl an Menschen, die mithilfe dieser alltagspolitischen Werkzeuge erreicht werden können, ist so immens, dass dabei die Vorteile die Nachteile deutlich überwiegen.

In meiner Arbeit gegen die Militarisierung der Jugend beschäftigt mich täglich die Frage: Wie können wir Interesse bei Jugendlichen für die Friedens- und Antikriegsarbeit wecken? Und eine der Antworten auf diese Frage lautet: soziale Medien. Das ist der Ort, an dem junge Menschen heutzutage viel Zeit verbringen. Hier tauschen sie innerhalb kürzester Zeit Meinungen untereinander aus und prägen sich so auch in politischer Hinsicht. Das geschieht über Bilder und Überschriften, die schnell Aufmerksamkeit auf sich lenken und bereits innerhalb der ersten drei Sekunden etwas über das Thema verraten; so wird dann Interesse für die weiteren Inhalte generiert. Es ist wichtig, unter der Flut an Banalitäten nicht völlig aus dem Blick der zu gewinnenden Mitglieder zu verschwinden. Sogenannte "filter Bubbles" erschweren es zusätzlich, zu den Nutzern durchzudringen. Die Suchalgorithmen und die Notwendigkeit, die Menge an Informationsangeboten zu selektieren, führen dazu, dass die User sich oft in ihrer eigenen Welt bewegen, in der andere oder neue Ideen nur wenig Platz finden.

Es geht bei der Kontaktpflege durch soziale Medien also nicht wirklich darum, große Gedankenkonstrukte und schwierige Theorien zu vermitteln, sondern um kleine Schritte, die keine zu große Hemmschwelle aufbauen und es ermöglichen, einen tieferen Kontakt vorzubereiten.

Diejenigen, die der Titel "abholt", möchten gerne direkt etwas tun. Beispielsweise etwas bestätigen, kommentieren, unterschreiben, spenden, Material bestellen oder ein Beitrittsformular ausfüllen. Das sollte einfach zu finden sein, denn Geduld ist bei vielen Nutzern heutzutage sehr rar. Das Internet bietet viele Möglichkeiten der Partizipation. Wir müssen einbeziehen, anregen mitzumachen und allen das Gefühl vermitteln, dabei sein zu können. Und das ist einfach, jedeR kann im Internet dazu beitragen, gute Interaktion zu gestalten. Dabei ist auch zu beachten, dass der Zeitraum, in dem etwas als schon nicht mehr aktuell gilt, sich enorm verkürzt hat. Die Fülle an Informationen hat auch die Geschwindigkeit beeinflusst, in der wir diese bearbeiten. Genau das ist eine der Herausforderungen, die soziale Medien an uns stellen. Die Schnelllebigkeit und somit auch Kurzlebigkeit der Inhalte widerspricht der Nachhaltigkeit, die Friedensarbeit bedarf, und dem auf neue Alternativen und unterschiedliche Perspektiven ausgelegten Friedensjournalismus. Wir dürfen nicht davon ausgehen, mit unseren Posts auf Facebook direkt etwas an Grundeinstellungen, Werten und Normen unserer Interessenten zu verändern. Für die Etablierung eines Erstkontakts zu unserer Bewegung ist das jedoch auch nicht der Anspruch. Die Reichweite und die Einfachheit, mit der wir an unterschiedlichste Kontakte kommen können, ist mit nichts zu vergleichen, was es vor der Zeit der sozialen Medien gab. Es wäre fahrlässig, daraus nichts zu machen.

Empfehlenswert für unsere Mitglieder wäre ein mehrtägigen praktischer Workshop, in dem vermittelt werden kann, wie soziale Medien für die politische Arbeit genutzt werden können. Dabei könnte sich auch ein Expertenteam herausbilden, das für die DFG-VK beratend und unterstützend bei der Ausgestaltung eines Medienkonzepts und möglichen Herausforderungen auf diesem Gebiet zur Seite stehen kann. Es ist unbedingt notwendig für uns, hier professionell zu agieren.

Bei Interesse, Fragen und Ideen können sich die LeserInnen dieses Artikels gerne an die E-Mail Adresse
socialmedia@info.dfg-vk.de wenden.



Benno Malte Fuchs arbeitet zurzeit für die Kampagne "Schulfrei für die Bundeswehr - Lernen für den Frieden!" in der Geschäftsstelle des DFG-VK-Landesverbands Baden-Württemberg in Stuttgart.

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Social-Media offensiv nutzen: Die DFG-VK auf Facebook

Ein großes Thema auf dem Social-Media-Seminar im April war der Umgang mit Daten durch Plattform-Anbieter wie Facebook. Die Vorbehalte gegen die Großunternehmen sind berechtigt, dennoch trägt vor allem unser Facebook-Auftritt enorm zur Bekanntheit der DFG-VK bei.

1500 Menschen folgten uns im November letzten Jahres auf Facebook. Durch kontinuierliche Arbeit - das Posten von Aktionsfotos der Basisgruppen, eine Bilderreihe unter der Überschrift "Fakten gegen Krieg" und Hintergrundinformationen - hat sich diese Zahl bis April mit 3400 mehr als verdoppelt. Dabei ist die Resonanz der Menschen, die unsere Facebook-Seite besuchen und Postings fast ausnahmslos positiv kommentieren: Leute schrieben schon, "gerade die Beitrittserklärung zur DFG-VK abgeschickt" oder gespendet zu haben. Facebook macht uns - vor allem bei jüngeren Leuten - sichtbar, wie die Statistiken zeigen: Unsere Posts erreichen zehntausende Menschen. Beiträge über den Syrien-Krieg und über horrende Militärausgaben erreichten sogar weit über einhunderttausend Menschen und wurden tausendfach "geliked".

DFG-VK-Gruppen sollten Facebook nutzen, um Menschen zu erreichen - wir dürfen uns von aktuellen technischen und sozialen Entwicklungen nicht abhängen lassen. Das entbindet nicht von einer kritischen Auseinandersetzung mit neuen Medien. Doch der Nutzen für unseren Verband überwiegt aktuell bei Weitem. Werdet daher in Social-Media aktiv oder unterstützt den DFG-VK-Bundesverband, indem ihr beispielsweise Fotos eurer Aktionen zur Verfügung stellt, damit wir die vielfältigen Aktivitäten unseres Verbands auch auf Facebook und weiteren Medienplattformen präsentieren können - einfach mailen: svg@dfg-vk.de


Michael Schulze von Glaßer ist stellvertretender politischer Geschäftsführer der DFG-VK.

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Quelle:
ZivilCourage Nr. 2 - Mai/Juni 2016, S. 19 - 20
Das Magazin für Pazifismus und Antimilitarismus der DFG-VK
Herausgeberin: Deutsche Friedensgesellschaft -
Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen e.V. (DFG-VK)
Werastraße 10, 70182 Stuttgart
Redaktion: ZivilCourage, Werastraße 10, 70182 Stuttgart
Telefon: 0711 - 51 89 26 20, Telefax: 03212 - 102 82 55
E-Mail: zc@dfg-vk.de
Internet: www.zc-online.de
 
Erscheinungsweise: zweimonatlich, sechs Mal jährlich
Jahres-Abonnement: 14,00 Euro einschließlich Porto
Einzelheft: 2,30 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. August 2016

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