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STANDPUNKT/039: Endlich - Das Bundesverfassungsgericht hebt das strafrechtliche Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe auf


Pressemitteilung der Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union
vereinigt mit der Gustav Heinemann-Initiative
Pressemitteilung vom 26. Februar 2020

Endlich, das Bundesverfassungsgericht hebt das strafrechtliche Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe auf (§217 StGB)!


Wir, die Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union, setzen uns seit vielen Jahren für ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben ein. Seit die Idee des § 217 StGB aufkam, haben wir uns öffentlich dagegen ausgesprochen (u.a. vor gänge 210/211, Heft 2/3 2015, https://bit.ly/3c7ODQR).

Heute ist das Bundesverfassungsgericht unserer Auffassung zum grundrechtlich geschützten Recht auf selbstbestimmtes Sterben gefolgt und hat den § 217 StGB aufgehoben. Wir begrüßen besonders, dass das Bundesverfassungsgericht klargestellt hat, dass dieses Recht nicht auf bestimmte Lebens- oder Krankheitsphasen beschränkt ist, sondern "in jeder Lebensphase" existiert und dass dabei die Hilfe Dritter in Anspruch genommen werden darf. Damit werden zum einen die individuellen Maßstäbe und Vorstellungen Sterbender abgesichert und Fremdvorstellungen jeder Art, ob religiös oder paternalistisch, zurückgewiesen. Zum anderen wird die Hilfe beim Sterben weder auf Ärzte noch auf Sterbehilfe-Vereine beschränkt, solange sie von der Selbstbestimmung der Sterbenden ausgeht und diese nicht einschränkt oder gar gefährdet.

"Das Urteil hat Grundsatzcharakter", so Prof. Dr. Rosemarie Will, die stellvertretende Vorsitzende der Humanistischen Union. "Es schreibt verfassungsrechtlich verbindlich den Grundsatz der Selbstbestimmung beim Sterben fest. Alle Organe des Staats und alle Fachgerichte, aber auch der Gesetzgeber, sind an diese Auffassung künftig gebunden."

Damit ist die Rechtslage so, wie sie vor der Einführung des § 217 StGB war. D.h. es gibt kein strafrechtliches Verbot der Suizidassistenz mehr. Die Freiheit und Selbstbestimmung beim Sterben bleibt aber weiter beeinträchtigt durch die Regelung des Betäubungsmittelgesetzes und die Weigerung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und des Bundesgesundheitsministers das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 2. März 2017 (Az BVerwG 3 C 19.15) zur Herausgabe des tödlichen Medikaments zu befolgen.

Ebenso stehen nach wie vor die berufsrechtlichen Verbote in 10 Landesärztekammern dem Recht Sterbender, ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen zu können, entgegen. Das Urteil kritisiert diesen Zustand und macht Vorschläge, wie dies zu überwinden wäre. Hier besteht aber dringender Handlungsbedarf, um das heutige Urteil nicht zu konterkarieren. Rosemarie Will: "Es ist unsinnig, von einem umfassenden Selbstbestimmungsrecht Sterbender auszugehen, ihnen aber den legalen Erwerb eines tödlichen Medikaments zu verweigern und die Ärzte, wenn sie Suizidassistenz leisten, mit berufsrechtlichen Sanktionen zu bedrohen."

Nach diesem Urteil geht es jetzt darum, neue gesetzliche Regelungen zu schaffen, die das Selbstbestimmungsrecht Sterbender umfassend gewährleisten. Dazu gehören nicht nur Sicherungen der autonomen Entscheidungsfähigkeit Sterbender, sondern auch legale Bezugsmöglichkeiten des tödlichen Medikaments und die Aufhebung der berufsrechtlichen Verbote für Ärzte, beim Suizid zu assistieren.

Die Humanistische Union veranstaltet zum Urteil und den jetzt nötigen Handlungsoptionen am 9. März in der Humboldt-Universität zu Berlin (östlicher Lichthof) von 18:00 - 21:00 Uhr ein Podiumsgespräch mit führenden Experten aus Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft (https://bit.ly/2TbNi2Q).

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Quelle:
Humanistische Union e.V.
- Bundesgeschäftsstelle -
Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin
Telefon: 030 - 204 502 56, Fax: 030 - 204 502 57
E-Mail: info@humanistische-union.de
Internet: www.humanistische-union.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Februar 2020

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