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ATTAC/1669: Attac schickt Politikern Anleitung zur Bekämpfung von Steuertricks


Attac Deutschland - Pressemitteilung
Frankfurt am Main, 29. Januar 2016

Attac schickt Politikern Anleitung zur Bekämpfung von Steuertricks

Deutschland Hauptbremser in Verhandlungen / Vorschläge der EU-Kommission löchrig


Attac hat eine Handlungsanleitung zur Bekämpfung von Steuertricks an alle Finanzpolitikerinnen und -politiker, Fraktionsvorsitzenden sowie Finanzministerinnen und -minister der Länder, des Bundes und der EU geschickt. Das globalisierungskritische Netzwerk fordert die Angeschriebenen auf, sich endlich entschieden gegen Steuervermeidung, Steuerhinterziehung und kriminelle Finanzgeschäfte einzusetzen.

Die am Donnerstag von der EU-Kommission präsentierten Vorschläge gegen die Steuervermeidungspraktiken internationaler Konzerne wertet Attac Netzwerk als löchrig und unzureichend. Die ohnehin schwachen Vorgaben der OECD würden gerade noch erfüllt. Die neuen Regeln für ausländische Tochterfirmen könnten den Steuerwettbewerb sogar noch anheizen.

"Vor allem die deutsche Regierung ist einer der Hauptbremser bei allen internationalen Verhandlungen in der EU, der OECD und der G20. Das muss beendet werden", sagte Karl-Martin Hentschel, Mitglied der bundesweiten Attac-Arbeitsgruppe Finanzmärkte und Steuern sowie Attac-Vertreter im Netzwerk Steuergerechtigkeit. Die Positionierung Deutschlands sei bei vielen Problemen mit Konzernsteuertricks entscheidend für einen internationalen Durchbruch. "Da die Politik immer wieder betont, dass sie mit dem Kampf gegen Steuervermeidung Ernst machen will, haben wir eine detaillierte Handlungsanleitung geschrieben, die direkt umgesetzt werden kann."

Das Attac-Papier informiert konkret darüber, mit welchen Methoden Steuern vermieden oder hinterzogen werden, welche Maßnahmen dagegen international diskutiert werden, wie sich die Staaten, die EU, die OECD, die G20 und insbesondere Deutschland dabei positionieren und was Attac zur Lösung des Problems fordert.

Die fünf wichtigsten Themen der Handlungsanleitung sind

  • die länderbezogene Berichterstattung,
  • die Offenlegung von Steuervereinbarungen zwischen Finanzämtern und Firmen,
  • Mindeststeuern und Patent-Boxen,
  • die Gesamtkonzernsteuer und
  • der automatische internationale Kontendaten-Austausch.

Weitere Informationen:

Attac-Handlungsanleitung zur Bekämpfung von "Steuervermeidung und Gewinnverschiebung":
http://t1p.de/Anleitung-Bekaempfung-Steuertricks

Kurzfassung Handlungsanleitung:

http://t1p.de/Anleitung-Bekaempfung-Steuertricks-kurz

Pressemitteilung "Steuertricks: EU-Vorschläge löchrig und unzureichend", 28.1.2016 (Attac Österreich):
http://t1p.de/PM-EU-Vorschlaege-Steuertricks

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KURZFASSUNG
Attac-Handlungsanleitung zur Bekämpfung von "Steuervermeidung und Gewinnverschiebung"

1. Länderbezogene Berichterstattung

Die OECD schlägt vor, dass jeder große internationale Konzern einen Bericht über seine Aktivitäten in allen Ländern, in denen er tätig ist, erstellen soll. Dann könnten die Finanzämter erstmals abschätzen, was zum Beispiel US-Konzerne wie Apple, Amazon und Google oder auch europäische Multis wie IKEA, EON, Bayer und VW in Deutschland tatsächlich verdienen.

- Stand der Politik: Europaparlament und EU-Kommission haben sich mehrfach dafür ausgesprochen, dass die Berichte verpflichtend erhoben und veröffentlicht werden sollen. Deutschland blockiert das im Einvernehmen mit Steueroasen wie Niederlande und Irland. Die Erfahrung zeigt immer wieder, dass ohne Öffentlichkeit nicht der erforderliche Druck auf die Steuerbehörden entsteht, sich gegen die Konzerne durchzusetzen.

- Forderung: Einführung von öffentlich zugänglichen Berichten für alle großen Konzerne, die in der EU tätig sind.


2. Offenlegung von Steuervereinbarungen zwischen Finanzämtern und Firmen

Individuelle Steuervereinbarungen (tax rulings) zwischen den Steuerbehörden und großen Unternehmen gibt es in vielfältigen Formen auch in Deutschland. Im Rahmen des Lux-Leaks-Skandals sind über 500 oft auch EU-Recht-widrige Absprachen bekannt geworden.

- Stand der Politik: Das EU-Parlament und die Kommission haben eine Veröffentlichung aller Steuervorbescheide (tax rulings) gefordert. Der Ministerrat lehnt dies ab. Nicht mal die EU-Kommission soll informiert werden. Offensichtlich befürchten die Staaten, dass die EU gegen Verstöße wie im Falle Luxemburg-Leaks vorgeht.

- Forderung: Automatische Erfassung aller Vorabvereinbarungen zwischen Finanzämtern und Unternehmen in einer Datei der EU, deren Daten anonymisiert öffentlich zugänglich sind.


3. Mindeststeuern und Patent-Boxen

Die EU-Staaten sind nicht nur Betroffene, sondern sogar Haupttreiber des welt-weiten Unternehmenssteuersenkungswettbewerbes. Einige EU-Staaten werben mit Steuersätzen von 0% (Estland), 10% (Bulgarien) oder 12,5% (Irland). Andere bieten Sonderregeln wie die Patent-Boxen an (Luxemburg 5,9%, Niederlande 5%).

- Stand der Politik: Bislang sind Mindeststeuersätze in der EU kein Thema. Die deutschen Quellensteuern für Zinsen und Lizenzen sind kaum wirksam.

- Forderungen: Einführung von differenzierten Mindeststeuersätzen für Unternehmenssteuern in der EU. Abschaffung aller Patentboxen, Innovationsboxen und sonstiger besonderer Niedrigsteuersätze.


4. Gesamtkonzernsteuer

Gesamtkonzernsteuer bedeutet, dass jede Firma eine weltweite Bilanz erstellen muss. Aufgrund der realen Tätigkeiten in den einzelnen Ländern (Umsatz, Personal, Investitionen) werden die Gewinne auf die Länder verteilt und dann dort besteuert. Steueroasen, in denen keine echte wirtschaftliche Tätigkeit stattfindet, gehen dann natürlich leer aus.

- Stand der Politik: Die EU-Kommission hat 2011 eine Richtlinie für eine Gesamtkonzernsteuer vorgelegt. Eine große Mehrheit im Europaparlament einschließlich der Europäischen Volkspartei (EVP) hat dies wiederholt gefordert. Trotzdem wird die Richtlinie weiter im Ministerrat blockiert. Deutschland will sie weitgehend aufweichen.

- Forderungen: Verabschiedung der Richtlinie verpflichtend für alle Konzerne, die in der EU tätig sind (siehe auch Details im Papier).

5. Automatischer internationaler Kontendaten-Austausch

Deutsche Bürger haben mehrere hundert Milliarden Euro auf ausländischen Konten, von denen die Steuerbehörden nichts wissen. Umgekehrt lagern geschätzt bis zu 3 Billionen Euro auf Konten in Deutschland, deren Inhaber im Ausland wohnen und daher in Deutschland nicht steuerpflichtig sind.

- Stand der Politik: Die OECD schlägt eine Meldepflicht und einen automatischen Informationsaustausch vor. Der deutsche Gesetzentwurf dazu ist in keiner Weise ausreichend.

- Forderungen: Einführung von Meldepflicht und automatischem Informationsaustausch sowie geeigneten Strafandrohungen gegen Banken und Angestellte bei Verstößen.


Langversion siehe unter:
http://t1p.de/Anleitung-Bekaempfung-Steuertricks

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Quelle:
Pressemitteilung vom 29. Januar 2016
Attac Deutschland, Pressestelle
Post: Münchener Str. 48, 60329 Frankfurt/M
Tel.: 069/900 281-31; Fax: 069/900 281-99
E-Mail: presse@attac.de
Internet: www.attac.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Januar 2016

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