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OFFENER BRIEF/030: An Guido Westerwelle anlässlich der Sicherheitskonferenz (IPPNW)


IPPNW-Pressemitteilung vom 31. Januar 2013
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), Sektion Deutschland

Atomwaffenmodernisierung an der Fiskalklippe

Offener Brief an Guido Westerwelle anlässlich der Sicherheitskonferenz



Abrüstungsbefürworter der Kampagne "atomwaffenfrei.jetzt" haben Außenminister Guido Westerwelle in einem Offenen Brief aufgefordert, sich auf der Münchener Sicherheitskonferenz gegenüber den USA für einen Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland einzusetzen. Zudem solle er die Modernisierung der in Europa stationierten, nicht-strategischen B61-Nuklearwaffen thematisieren. Angesichts der drohenden Fiskalklippe findet in den USA derzeit eine Diskussion über die Bewilligung der Gelder für die Modernisierung dieser Bomben statt.

Die "Bürgermeister für den Frieden" unterstützen die Initiative der Kampagne. Stellvertretend für die 400 deutschen Bürgermeister hat der Bürgermeister der Landeshauptstadt Hannover, Bernd Strauch, der zugleich Vizepräsident des weltweiten Städtebündnisses mit über 5.400 Städten ist, ebenfalls einen entsprechenden Brief an Außenminister Guido Westerwelle geschrieben.

Allein 369 Millionen US-Dollar für das Jahr 2013 kostet die Atomwaffenmodernisierung in Europa. Sie muss noch von beiden Kammern des US-Kongresses beschlossen werden, womit nicht vor April zu rechnen ist. Die Gelder für die B61-Modernisierung sind nur ein kleiner Teil der 10 Milliarden US-Dollar, die das gesamte Programm bis 2020 kosten wird. Analog werden auch die von Deutschland zu tragenden Kosten für die Tornado-Modernisierung - bis 2017 etwa 900 Millionen Euro - in bisher nicht abschätzbarem Ausmaß steigen, um die Tornados an die neue B-61 anzupassen. Allein diese Kostenexplosionen wären Grund genug, das Programm jetzt zu beenden.

Der Deutsche Bundestag hat den Abzug der Atomwaffen bereits 2010 beschlossen. "Keiner will die Atombomben mehr, ganz zu schweigen von einer neuen, zielgerichteten Präzisionswaffe", erklärt Kampagnensprecherin Xanthe Hall. Beim Beschluss des NATO-Gipfels in Chicago im Mai 2012, die taktischen Atomwaffen in Europa zu behalten, ging es um eine so genannte Betriebsdauerverlängerung (LEP), nicht um eine Modernisierung der B61-Bomben. In Wirklichkeit wird aber mit der Modernisierung nicht nur die Betriebsdauer verlängert, sondern eine neue Waffe geschaffen, in der fast sämtliche Komponenten ausgetauscht wurden: Aus einer taktischen wird eine strategische Waffe, aus einer "dummen", freifallenden Atombombe eine zielgesteuerte Präzisionswaffe. Damit steigt die Gefahr eines Einsatzes.

Die Entscheidung, Atomwaffen in Europa zu modernisieren, würde sich zudem negativ auf die Verhandlungen mit Russland über die Transparenz ihrer taktischen Atomwaffen auswirken.

Die Kampagne wird getragen von etwa 50 deutschen Nichtregierungsorganisationen und ist der deutsche Partner der "International Campaign to Abolish Nuclear Weapons" (ICAN).

Die Kampagne:
Ziel unserer Kampagne ist, Atomwaffen durch einen juristisch verbindlichen Vertrag weltweit zu ächten, so wie es bei anderen Massenvernichtungswaffen schon geschehen ist. Denn es gibt nur eine Antwort auf die Gefahren, die Atomwaffen mit sich bringen: ihre vollständige Abschaffung. Auf dem Weg zur weltweiten Abrüstung ist ein erster wichtiger Beitrag der Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland. Deswegen setzen wir uns mit Nachdruck dafür ein. Die geplante Modernisierung der in Europa stationierten Atombomben ist kontraproduktiv und außerdem eine Verschwendung von Finanzressourcen. Daher fordern wir einen Stopp dieser Pläne.
www.atomwaffenfrei.de

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atomwaffenfrei.


 
Offener Brief an:

Bundesaußenminister Westerwelle
Auswärtiges Amt
11013 Berlin

28. Januar 2013


Sehr geehrter Herr Westerwelle,

wir begrüßen Ihre Bemühungen, einen Abzug der in Deutschland stationierten Atomwaffen in der NATO zu thematisieren.

Anlässlich der vom 1. bis 3. Februar stattfindenden Sicherheitskonferenz in München schreiben wir Ihnen, um Sie weiterhin in diesen Bemühungen zu bestärken. Sie haben jetzt die Gelegenheit, Ihren Kollegen aus den USA deutlich zu machen, dass diese - wie Sie sie selbst oft beschrieben haben - "Relikte des Kalten Krieges" keine Funktion für die europäische Sicherheit haben und abgezogen werden können. Umfragen belegen, dass dies auch eine große Mehrheit der deutschen Bevölkerung so sieht. Die Gelegenheit bietet sich gerade jetzt, weil aktuell angesichts der "Fiscal Cliff" in den USA die Diskussion über die Bewilligung der Gelder für eine Modernisierung dieser Bomben läuft.

Wie Sie sicherlich wissen, müssen die 369 Millionen US-Dollar für die Modernisierung der u.a. in Europa stationierten, nicht-strategischen B61-Nuklearwaffen von beiden Kammern des US-Kongresses noch freigegeben werden, womit nicht vor April zu rechnen ist. Diese Gelder sind nur ein kleiner Teil der mittlerweile 10 Milliarden US-Dollar, die das ganze Programm kosten wird. Analog werden auch die von Deutschland zu tragenden Kosten für die Tornado-Modernisierung - bis 2017 etwa 900 Millionen Euro - in bisher nicht abschätzbarem Ausmaß steigen, um die Tornados an die neue B-61 anzupassen. Allein diese Kostenexplosionen wären Grund genug, das Programm jetzt zu beenden. Aber ein anderes Argument kommt hinzu: Deutschland will keine Atombomben mehr, ganz zu schweigen von einer neuen, zielgerichteten Präzisionswaffe.

Diskussion in der NATO, die in Chicago im Mai 2012 in den Beschluss mündete, die taktischen Atomwaffen zunächst doch in Europa zu halten, drehte sich nicht um eine neue Waffe, sondern um die Beibehaltung der alten B61. In den Medien hierzulande wird jedoch immer wieder behauptet, Sie hätten mit diesem Beschluss die Modernisierung der B61 unter dem Deckmantel einer so genannten Betriebsdauerverlängerung (LEP) angenommen. Von einer einfachen Betriebsdauerverlängerung kann aber keine Rede sein, wenn eine taktische in eine strategische Waffe bzw. eine "dumme" freifallende Atombombe in eine zielgesteuerte Präzisionswaffe, in der fast sämtliche Komponenten ausgetauscht wurden, umgewandelt wird. Die B61-12 hat damit eine ganz andere Zielsetzung und Rolle: Sie ist keine "politische" Waffe mehr, sondern eine einsetzbare.

Darüber hinaus wirkt sich die Entscheidung, die Atomwaffen in Europa zu modernisieren, schlecht auf die Verhandlungen mit Russland über die Transparenz ihrer taktischen Atomwaffen aus. Die Umwandlung der US-Atombomben in strategische Waffen führt auch zu der Frage, wie sie in den nächsten START-Verhandlungen zu behandeln sind.

Wir bitten Sie daher nachdrücklich, Ihre Bemühungen für einen Abzug der Atomwaffen in Deutschland fortzusetzen und bei der Münchener Sicherheitskonferenz die o.g. Argumente vorzutragen.

Mit freundlichen Grüßen,
Roland Blach
Xanthe Hall
Regina Hagen
Wolfgang Schlupp-Hauck
SprecherInnen und Koordinator der
Kampagne "atomwaffenfrei.jetzt"


atomwaffenfrei.jetzt
Koordinator: Roland Blach
Werastr. 10, 70182 Stuttgart
Tel. 0711-51885601
E-Mail: ba-wue@dfg-vk.de
www.atomwaffenfrei.de

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Der offene Brief der Kampagne "atomwaffenfrei.jetzt" an Guido Westerwelle kann abgerufen werden unter:
http://www.atomwaffenfrei.de/fileadmin/user_upload/pdf_Dateien/Off_Brf_WW_final.pdf

Den offenen Brief von Bürgermeister Strauch für die deutschen Bürgermeister für den Frieden finden Sie unter:
http://www.mayorsforpeace.de/fileadmin/user_upload/PDF-Dateien/130128Brief_Westerwelle.pdf

Weitere Informationen und Materialien unter: www.atomwaffenfrei.de

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Quelle:
Pressemitteilung vom 31. Januar 2013
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), Sektion Deutschland
Körtestr. 10, 10967 Berlin
Tel. 030/69 80 74-0, Fax: 030/69 38 166
E-Mail: ippnw@ippnw.de
Internet: www.ippnw.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Februar 2013