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APPELL/177: Aus Angst vor dem Virus darf keine Diskriminierung werden (LAG Antidiskriminierungsberatung BW)


Pressemitteilung der LAG Antidiskriminierungsberatung Baden-Württemberg

Aus Angst vor dem Virus darf keine Diskriminierung werden!

Beratungsstellen gegen Diskriminierung im Land bieten Unterstützung an.


Bundesweit berichten Menschen, denen andere einen 'asiatischen' Hintergrund zuschreiben, von rassistischen Diskriminierungen im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Coronavirus. Sie erleben in alltäglichen Situationen, aufgrund ihres Aussehens oder ihrer (vermeintlichen) Herkunft zurückgewiesen und benachteiligt zu werden. So verweigerten andere ihnen den Zutritt zu Arztpraxen oder Läden und verwehrten ihnen aus diesem Grund sogar Wohnungen. Weltweit wehren sich Menschen gegen solche rassistischen Zuschreibungen, wie die Hashtags #IchBinKeinVirus, #IAmNotAVirus, #JeNeSuisPasUnVirus in den sozialen Medien oder sie Website Sinophobia Track (https://sites.google.com/view/sinophobia-tracker/stories) verdeutlichen. Auch in Baden-Württemberg suchen Menschen Beratungsstellen gegen Diskriminierung auf, weil sie in Zusammenhang mit dem Coronavirus diskriminiert werden.

Wir wollen hier eindeutig klarstellen: Bei konkreten Verdachtsfällen aufgrund entsprechender Symptome und Reisen in bekannte Corona-Krisengebiete sind angemessene Schutzmaßnahmen zu treffen. Die Angst vor dem Coronavirus rechtfertigt aber niemals rassistische Zuschreibungen und Ausgrenzungen aufgrund einer anhand äußerer Merkmale zugeschriebenen Herkunft.

Bernhard Franke, der kommissarische Leiter der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, stellt unter Berufung auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) klar: "Menschen, die im Arbeitsleben oder bei Alltagsgeschäften Benachteiligungen wegen ihrer ethnischen Herkunft erleben, können dagegen auch vor Gericht vorgehen und die Verursacher der Diskriminierung auf Entschädigung und Schadensersatz verklagen" (siehe Pressemitteilung im Anhang).

Wer von solchen diskriminierenden Erfahrungen betroffen ist, kann sich in den Beratungsstellen gegen Diskriminierung Unterstützung holen oder sich an unsere Onlineberatung wenden. Hier erhalten Ratsuchende die Möglichkeit, über ihre Erfahrung zu sprechen und können gemeinsam mit Antidiskriminierungsberater*innen überlegen, ob undwelche Schritte sie gegen die Diskriminierung unternehmen wollen. Sie können auch jederzeit Kontakt aufnehmen, wenn sie die erlebte Diskriminierung lediglich melden möchten, damit die Vorfälle dokumentiert sind.

Alle, die selbst nicht von rassistischen Zuschreibungen betroffen sind, fordern wir auf, sichsolidarisch zu verhalten und sich gegen Diskriminierung jedweder Art entschlossen zur Wehr zu setzen. Insbesondere rufen wir Journalist*innen auf, ihrer Verantwortung als Multiplikator*innen gerecht zu werden.

Wir unterstützen hiermit die Aufforderung von korientation e.V. und den Neuen deutschen Medienmacher*innen: "Eine übersteigerte Angst vor dem Corona-Virus rechtfertigt keinen Rassismus. Wir empfehlen deshalb bei der Berichterstattung auf diskriminierende Wortwahl und Bildsprache zu achten, eine Kulturalisierung der Viruskrankheit zu vermeiden und nicht ausschließlich die westliche Perspektive einzunehmen. Die Aufgabe von Journalist*innen ist zu berichten, ohne dabei ganze Gruppen der Weltbevölkerung zu stigmatisieren" (siehe Pressemitteilung im Anhang).

In der LAG Antidiskriminierungsberatung (www.lag-adb-bw.de) sind die Beratungsstellen gegen Diskriminierung zusammengeschlossen, die von der Landesantidiskriminierungsstelle (LADS) des Ministeriums für Soziales und Integration Baden-Württemberg (www.lads-bw.de) gefördert werden.

Sie sind professionelle Anlaufstellen für alle Menschen, die z.B. aufgrund der zugeschriebenen Herkunft, der Hautfarbe, der Religion, der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Milieu, der Behinderung, des Geschlechts, der sexuellen Orientierung oder des Alters strukturell oder individuell von Diskriminierung betroffen sind.

Es gibt Beratungsstellen in Esslingen, Friedrichshafen, Freiburg, Karlsruhe, Mannheim, Heidelberg, Stuttgart und Tübingen/Reutlingen. Für andere Regionen können wir mobile Beratungsangebote, sowie unsere Online-Beratung (www.adis-online.com) anbieten.

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Stellungnahme der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) vom 12. Februar 2020

Coronavirus: Gehäufte Anfragen wegen Diskriminierungen bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes


Im Zusammenhang mit der weltweiten Ausbreitung des neuartigen Corona-Virus erreichen die Antidiskriminierungsstelle des Bundes zunehmend Anfragen von Menschen asiatischer Herkunft. "Wir erleben gerade, dass Menschen pauschal wegen ihres Aussehens oder ihrer Herkunft ausgegrenzt und benachteiligt werden", sagte Bernhard Franke, kommissarischer Leiter der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, am Mittwoch in Berlin. Insgesamt haben sich in den vergangenen Tagen 19 Betroffene an die Antidiskriminierungsstelle gewandt und Erfahrungen mit Diskriminierung geschildert. So verweigerte beispielsweise eine Arztpraxis einem Patienten chinesischer Herkunft eine Behandlung, obwohl die betroffene Person wegen gänzlich anderer Symptome beim Arzt und seit Monaten nicht in China gewesen war. Eine chinesische Studentin bekam eine Absage bei einer Wohnungsbewerbung mit der Begründung "Ich möchte keinen Coronavirus." Ein Gemüsehändler in einer süddeutschen Touristenmetropole verbot chinesischen Touristen den Zutritt zu seinem Laden.

"Menschen, die im Arbeitsleben oder bei Alltagsgeschäften Benachteiligungen wegen ihrer ethnischen Herkunft erleben, können dagegen auch vor Gericht vorgehen und die Verursacher der Diskriminierung auf Entschädigung und Schadensersatz verklagen. Hier ist es sinnvoll, dass Betroffene sich über die rechtlichen Möglichkeiten beraten lassen, z. B. bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes", sagte Franke. Die Angst vor Ansteckung sei zwar verständlich. "Das Coronavirus rechtfertigt aber niemals rassistische Diskriminierung", sagte Franke.

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Stellungnahme von korientation e.V. & Neue deutsche Medienmacher*innen vom 05. Februar 2020

Diskriminierende Berichterstattung zum Corona-Virus: China ist keine Krankheit


Immer öfter werden Menschen mit dem Corona-Virus in Verbindung gebracht, nur weil sie "asiatisch" aussehen. Inzwischen zirkulieren weltweit die Hashtags #IchBinKeinVirus, #IAmNotAVirus, #JeNeSuisPasUnVirus in den sozialen Medien. Dass diese Aufklärung nötig ist, liegt an einer Vermischung rassistischer Vorurteile mit der diffusen Angst vor dem Corona-Virus, die sich in der Medienberichterstattung widerspiegelt.

So fragt die BILD-Zeitung, ob man noch Glückskekse essen oder Pakete aus China annehmen könne und DER SPIEGEL titelt am Samstag: "Corona-Virus. Wenn die Globalisierung zur tödlichen Gefahr wird." Das Cover zeigt eine mit rotem Schutzanzug und Atemmaske verhüllte Person. Der Aufmacher in großen, gelben Buchstaben "Made in China" spielt mit der kolonial-rassistischen Vorstellung der "Gelben Gefahr" aus dem "Osten" und löst diskriminierende Assoziationen zu minderwertiger Qualität und Massenproduktion aus. China wird damit als Produktionsstätte eines tödlichen Virus dargestellt und seine gesamte Bevölkerung als Krankheitsträger*innen - die Liste der Beispiele für rassistische Berichterstattung zum Corona-Virus ist lang.

Menschen, die als asiatisch eingeordnet werden, sehen sich durch solche Medienberichte ausgegrenzt. Sie werden mit einer Krankheit in Verbindung gebracht, mit der sie nicht mehr zu tun haben als die Journalist*innen, die solche Berichte produzieren.

Dieses mediale Framing hat reale Konsequenzen: Am Wochenende wurde eine chinesische Staatsbürgerin in Berlin angegriffen und bespuckt, die Polizei geht von einem rassistischen Motiv aus. Asiatische Deutsche und Asiat*innen berichten von einer Zunahme solcher Übergriffe, seit es in Deutschland die ersten Corona-Fälle gibt.

Eine übersteigerte Angst vor dem Corona-Virus rechtfertigt keinen Rassismus. Wir empfehlen deshalb bei der Berichterstattung auf diskriminierende Wortwahl und Bildsprache zu achten, eine Kulturalisierung der Viruskrankheit zu vermeiden und nicht ausschließlich die westliche Perspektive einzunehmen. Die Aufgabe von Journalist*innen ist zu berichten, ohne dabei ganze Gruppen der Weltbevölkerung zu stigmatisieren.

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Quelle:
LAG Antidiskriminierungsberatung Baden-Württemberg
c/o adis e.V.
Fürststraße 3, 72072 Tübingen
Internet: https://lag-adb-bw.de/


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. März 2020

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