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AUFRUF/043: "Mut zur Solidarität mit demokratischen Kräften in der Türkei" (KulturForum TürkeiDeutschland)


KulturForum TürkeiDeutschland - 2. November 2016

KulturForum nach erneuten Angriffen auf die Tageszeitung "Cumhuriyet":

"Mut zur Solidarität mit demokratischen Kräften in der Türkei"


Am 31. Oktober 2016 nahm die türkische Polizei den Chefredakteur der Tageszeitung Cumhuriyet Murat Sabuncu, den bekannten Kolumnisten und Menschenrechtler Aydn Engin und elf weitere Mitarbeiter und Führungskräfte der Zeitung fest. Weiterhin sollen der Geschäftsführer Akn Atalay, sowie ein weiterer Mitarbeiter, die zufällig im Ausland waren, festgenommen werden. Gegen den ehemaligen Chefredakteur Can Dündar, der sich zZt in Deutschland aufhält, ist erneut wegen "Hochverrats" ein Haftbefehl erlassen worden. Festgenommene Journalisten können frühestens nach fünf Tagen von ihren Anwälten kontaktiert und 30 Tage in Polizeigewahrsam gehalten werden, bevor ein Richter über ihre weitere Haft entscheidet.

Begründet wird die aktuelle Verhaftungswelle, wie so oft in anderen Fällen in den letzten Monaten, mit dem Verdacht auf "Unterstützung von Terrororganisationen", im Falle von Cumhuriyet sowohl der islamistischen Gülen-Bewegug, die die Zeitung seit Jahrzehnten bekämpft, als auch der kurdischen PKK. Doch schon seit geraumer Zeit reicht es völlig aus, Kritiker der Erdogan-Regierung zu sein, um als Terrorverdächtige festgenommen oder schickaniert zu werden.

Dieses Vorgehen reiht sich in eine beispiellose Unterdückungswelle gegen alle Oppositionelle, bekannte Journalisten, Autoren und Wissenschaftler in der Türkei, die sich der Regierungspolitik nicht fügen. Seit Wochen und Monaten sitzen mit ähnlichen Vorwürfen u.a. die Schriftstellerin Asl Erdoan, die renommierten Journalisten Ahmet und Mehmet Altan, Nazl Ilcak, Murat Aksoy, Ali Bulaç, und die Wissenschaftlerin Necmiye Alpay in Haft.

Seit dem Putschversuch am 15. Juli wurden in der Türkei über 30.000 Menschen inhaftiert, darunter mehr als Hundert Journalisten; gegen 85.000 Personen wird ermittelt. Etwa 200 Medienorganisationen wurden per Notstandsdekret verboten; rund 600 Journalisten wurde der Presseausweis entzogen. Allein in den letzten Tagen sind über 700 wichtige Parteimitglieder der prokurdischen HDP verhaftet worden, darunter mehrere gewählte Bürgermeister wie Gülten Kisanak und Firat Anli in Diyarbakir.

Ein Mitgliedsland der NATO, und immerhin ein Beitrittskandidat der EU, wird von Präsident Erdogan zu einer islamistisch-nationalistischen Diktatur umgebaut, und rüstet sich zugleich, unbemerkt von der europäischen Öffentlichkeit, für den Bürgerkrieg. Der AKP-Innenminister erklärt, dass bewaffnete Bürger einen nächsten Putsch abwehren sollten: "Wir werden jedem AKP-Funktionär einen Waffenschen geben." Dabei lässt Präsident Erdogan die türkischen Streitkräfte auf irakischem und syrischen Territorium intervenieren und stellt offen die Grenzen der Türkei in Frage, die im Vertrag von Lausanne 1924 geregelt sind.

Das Kulturforum Türkei/Deutschland ruft die Bundesregierung und alle Fraktionen im Bundestag dazu auf, sich nicht mehr, wie bisher, mit Schweigen und wirkungslosen Beschwichtigungsgesten zu begnügen. Europa und Deutschland müssen Erdogan mit klaren Worten und Taten zeigen, dass ein solches Vorgehen nicht vereinbar ist mit einer Mitgiedschaft im Europarat und auf keinen Fall in der EU. Eine gründliche Untersuchung der Berichte über Folterungen und Misstände in den Haftanstalten gehört ebenso dazu wie ein Stopp der Waffenlieferungen an die AKP-Regierung.

Das Kulturforum Türkei/Deutschland ruft die demokratische Öffentlichkeit in Deutschland erneut dazu auf, den Druck auf der Bundesregierung und politische Parteien zu erhöhen, damit diese sich endlich konsequent für Menschenrechte, Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei einsetzen.

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Quelle:
KulturForum TürkeiDeutschland e.V.
Niederichstr. 23, 50668 Köln
Telefon: +49 221 120 90 68-0
E-Mail: info@das-kulturforum.de
Internet: www.das-kulturforum.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. November 2016

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