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OFFENER BRIEF/094: Europäische Militär-Fazilität birgt erhebliche Risiken für Menschenrechte und Frieden (forumZFD)


Pressemitteilung des Forum Ziviler Friedensdienst e. V. - 7. Oktober 2019

Europäische Militär-Fazilität birgt erhebliche Risiken für Menschenrechte und Frieden

17 Organisationen fordern Außenminister Heiko Maas zum Handeln auf


Köln - Das forumZFD wendet sich gemeinsam mit 17 Organisation in einem Offenen Brief an Außenminister Heiko Maas. Die Unterzeichner kritisieren den Entwurf für eine sogenannte Europäische Friedensfazilität. Sie fordern die Bundesregierung auf, sich in den laufenden Verhandlungen für Änderungen der Fazilität einzusetzen, die ab 2021 Militäreinsätze sowie Ausbildung und Ausrüstung der Armeen von Drittstaaten mit rund 10,5 Milliarden Euro finanzieren soll.

Die Finanzierung von Waffen, Munition und anderer Kampfausrüstung an Drittstaaten müsse explizit ausgeschlossen werden. Zivile Programme müssten hingegen immer Vorrang vor militärischen Mitteln im Rahmen der geplanten Europäischen Fazilität haben und in allen Phasen eines Konflikts zum Einsatz kommen, fordern die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner.

Die Aufrüstung von Drittstaaten berge erhebliche Risiken für den Frieden, für die Sicherheit der Zivilbevölkerung und für die Menschenrechte, warnen die Autorinnen und Autoren des Offenen Briefes. Mit der neuen Europäischen Fazilität könnten zukünftig im Namen der Europäischen Union Rüstungsgüter für Drittstaaten etwa im Sahel oder im Nahen Osten finanziert werden, die für die Repression von Zivilgesellschaft und gegen die Zivilbevölkerung zum Einsatz kommen.

Die Unterzeichner kritisieren zudem die gewählte Bezeichnung 'Friedensfazilität' für ein Budget, das ausschließlich zur Finanzierung von Ausbildung, Ausrüstung und Einsatz von Militär vorgesehen ist, als unangemessen und irreführend. Die Europäische Union verfüge über vielfältige Erfahrungen und die notwendigen Mitteln, um mit zivilen Mittel Einfluss auf Konflikte zu nehmen und Frieden nachhaltig zu fördern. Statt unter dem Vorwand, Frieden fördern zu wollen, neue militärische Programme zu entwickeln, solle die Bundesregierung sich für den Ausbau der bewährten EU-Programme der zivilen Konfliktbearbeitung einsetzen.

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Berlin, den 30.09.2019

Offener Brief "Europäische Friedensfazilität"

Sehr geehrter Herr Außenminister,

wir sind tief besorgt über den Vorschlag für eine sogenannte Europäische Friedensfazilität, der aktuell von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union verhandelt wird. Unsere Bedenken beziehen sich insbesondere auf die Maßnahmen zur Ausbildung und Ausrüstung der Armeen von Drittstaaten. Die gewählte Bezeichnung 'Friedensfazilität' für ein Budget, das ausschließlich zur Finanzierung von Ausbildung, Ausrüstung und Einsatz von Militär vorgesehen ist, ist in unseren Augen unangemessen und irreführend.

Unserer Ansicht nach wird nicht deutlich, wie die neue Fazilität zum Frieden beitragen soll. Im Gegenteil: Sie birgt erhebliche Risiken für den Frieden, für die Sicherheit der Zivilbevölkerung und für die Menschenrechte.

Die Bilanz militärischer Ausbildungs- und Ausrüstungshilfen ist schlecht. Diese Programme stärken oft Regierungen, die selbst über keine demokratische Legitimation verfügen, sich nicht an Menschenrechtsvereinbarungen halten oder an Rechtsstaatskonventionen gebunden fühlen, und Sicherheitskräfte, die selbst Konfliktparteien sind. Der Verbleib ausgelieferter Waffen und militärischer Ausrüstung ist nur schwer zu kontrollieren, sie gelangen nachweislich auch in die Hände anderer bewaffneter Akteure.

Die bisherige Erfahrung mit solchen "Ertüchtigungsmaßnahmen" gibt Grund zu befürchten, dass die Europäische Union mit dieser Fazilität nach dem vorliegenden Entwurf zukünftig Rüstungsgüter liefert und finanziert, die für die Repression von Zivilgesellschaft und gegen die Zivilbevölkerung zum Einsatz kommen. Damit würde die EU dem Geist ihres Gemeinsamen Standpunkts zu Rüstungsexporten widersprechen.

Deshalb fordern wir Sie dringend auf, sehr geehrter Herr Außenminister, sich in den Verhandlungen zur sogenannten Europäischen Friedensfazilität für folgende Veränderungen des aktuellen Entwurfs einzusetzen:

  • Finanzierung und Lieferung von Waffen, Munition und anderer Kampfausrüstung müssen explizit ausgeschlossen werden.
  • Zivile Programme müssen immer Vorrang vor militärischen Mitteln im Rahmen der geplanten Europäischen Fazilität haben und in allen Phasen eines Konflikts zum Einsatz kommen.
  • Menschliche Sicherheit darf nicht dem Ziel der Stabilisierung von Regimen untergeordnet werden. Die Förderung der Sicherheit der Zivilbevölkerung und der Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor Repressionen und Menschenrechtsverletzungen muss oberstes Ziel sein.

Die Europäische Union verfügt über vielfältige Erfahrungen und die notwendigen Mittel, um Einfluss auf Konflikte zu nehmen und Frieden nachhaltig zu fördern. Statt unter dem Vorwand, Frieden fördern zu wollen, neue militärische Programme zu entwickeln, sollte sie die bewährten Programme der zivilen Konfliktbearbeitung ausbauen.

Wir bitten Sie eindringlich, sich mit allem Nachdruck für diese Änderungen in den Verhandlungen zur dieser Europäischen Fazilität einzusetzen.

Hochachtungsvoll

Plattform Zivile Konfliktbearbeitung
forumZFD
World Vision Deutschland e.V.
Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden e.V.
Zentrum für Konfliktforschung der Universität Marburg
FORUM MENSCHENRECHTE
Church and Peace
Stiftung die schwelle
Bund für Soziale Verteidigung
AMICA e.V.
Initiativkreis gegen Atomwaffen
Forum Friedensethik Ev. Landeskirche in Baden
Quartalszeitschrift Wissenschaft und Frieden
Frauennetzwerk für Frieden e.V.
Antikriegshaus Sievershausen
Ohne Rüstung Leben
Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit
Leserinitiative Publik-Forum e.V.


Der offene Brief im PFD-Format mit weiteren Unterzeichernerinnen und Unterzeichnern ist zu finden unter:
https://www.forumzfd.de/de/media/2007

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Quelle:
Pressemitteilung vom 7. Oktober 2019
Forum Ziviler Friedensdienst e. V.
Am Kölner Brett 8, 50825 Köln
Telefon: 0221 91 27 32 - 0, Fax: 0221 91 27 32 - 99
E-Mail: kontakt@forumZFD.de
Internet: www.forumZFD.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Oktober 2019

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