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STANDPUNKT/257: Bündnis "Nein zum neuen Polizeigesetz NRW" übt heftige Kritik am Gesetzentwurf (Grundrechtekomitee)


Bündnis "Nein zum neuen Polizeigesetz NRW"
Pressemitteilung vom 06.06.2018

Breites Bündnis "Nein zum neuen Polizeigesetz NRW" übt heftige Kritik am Gesetzentwurf der NRW-Landesregierung

Stetig wachsender Unterstützer*innenkreis von bereits über 100 Organisationen und Einzelpersonen


Köln - Heftige Kritik an der geplanten Neufassung des Polizeigesetzes in NRW übten Vertreter*innen des Bündnisses "Nein zum neuen Polizeigesetz NRW" heute auf einer Pressekonferenz. Sie stellten dort klar, dass das sogenannte "Sicherheitspaket I" eine Gefahr für die Demokratie und nur die erste Stufe der Verschärfungen darstellt. Weitere Änderungen sollen noch in dieser Legislaturperiode folgen. Die Verschärfungen greifen die Grund- und Freiheitsrechte aller Menschen in Nordrhein-Westfalen umfassend an und wirken sich auf verschiedenste Lebensbereiche aus.

Vertreter*innen des Bündnisses zeigten auf der Pressekonferenz auf, dass das neue Gesetz massive negative Auswirkungen auf die Freiheit der Person, die Bewegungsfreiheit, die informationelle Selbstbestimmung sowie auf von Rassismus betroffene Personen haben wird.

So ermöglicht der Gesetzesentwurf drastische freiheitsbeschränkende und -entziehende Maßnahmen - präventiv und auf Basis reiner Spekulationen. Sie könnten jede Person treffen, die sich zur falschen Zeit am falschen Ort befindet oder mit der falschen Person in Kontakt steht. Dazu Michèle Winkler, Sprecherin des Bündnisses: "Kontakt- und Aufenthaltsvorgaben, die künftig fast willkürlich verhängt werden können, stellen einen übermäßigen Eingriff in die Bewegungsfreiheit und persönliche Lebensgestaltung der Betroffenen dar. Das ist ebenso wenig hinnehmbar wie die Ausweitung des Präventivgewahrsams auf bis zu einen Monat. Freiheitsentzug ist einer der schwerwiegendsten Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte und unterliegt strengsten Voraussetzungen. Die Pläne, dieses Mittel auf Verdacht zu nutzen, verstoßen gegen das Grundgesetz und die europäische Menschenrechtskonvention."

Zur Ergreifung solcher autoritären Präventivmaßnahmen muss die Polizei künftig nicht einmal mehr nachweisen, dass konkret geplante Straftaten vorliegen: Mit den neu eingeführten, sehr unbestimmten Rechtsbegriffen der "drohenden Gefahr" und "drohenden terroristischen Gefahr" kann bereits auf Grundlage von Vermutungen gegen Menschen vorgegangen werden - es reicht der bloße Verdacht einer Gefahr. "Der neue § 8 PolG NW ermöglicht schärfste polizeiliche Maßnahmen zu einem Zeitpunkt, an dem lediglich Vermutungen vorliegen. Durch die Anordnung von Hausarrest beispielsweise kann die Polizei selbst bei eigenem rechtswidrigem Vorgehen die Voraussetzung für eine Strafbarkeit schaffen. Damit werden elementare Voraussetzungen der Strafbarkeit in die Hand der Exekutive gegeben.", sagte der Kölner Rechtsanwalt und Sprecher des Bündnisses Christian Mertens.

Auch Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung werden vom neuen Polizeigesetz bedroht: So sollen öffentliche Plätze zukünftig häufiger und verstärkt mit Videokameras beobachtet werden - und zwar schon dann, wenn es einen begründeten Verdacht gibt, dass dort Straftaten vorbereitet oder begangen werden könnten, was letztlich überall ist.

Bislang mussten dafür am fraglichen Ort in der Vergangenheit bereits häufig Straftaten begangen worden sein. Weiter soll die Telekommunikation von vermeintlich Verdächtigen präventiv und ohne deren Wissen durch den Einsatz von Trojanern überwacht und aufgezeichnet werden dürfen. "Die Polizei braucht nicht mehr Überwachungsbefugnisse, sondern besser geschultes Personal. Wir lassen uns nicht Überwachung als Sicherheit verkaufen." warnt Kerstin Demuth, Sprecherin des Bündnisses. "Der Einsatz von Staatstrojanern verstößt gegen unsere Grundrechte - in NRW genauso wie auf Bundesebene."

Auch die Schleierfahndung soll wieder eingeführt werden - aus Rücksichtnahme auf den Koalitionspartner FDP als "Strategische Fahndung" getarnt. Somit kann die Polizei zukünftig ohne jeglichen Verdacht jede Person an allen öffentlichen Orten nach ihrer Identität befragen und durchsuchen. Dazu Martin Behrsing, Sprecher des Bündnisses: "Das ist faktisch ein Freibrief für Racial Profiling. In der Gesellschaft verankerter und struktureller Rassismus wird dafür sorgen, dass von Rassismus betroffene Personen zukünftig noch stärker ins Visier der Polizei geraten, als ohnehin schon. Dies zementiert gesellschaftliche Ungleichheit und Ungerechtigkeit."

Ähnlich wie in Bayern hat sich auch in Nordrhein-Westfalen ein breites Bündnis namens "Nein zum neuen Polizeigesetz NRW" gebildet, das inzwischen von über 100 Organisation, politischen Parteien und Einzelpersonen unterstützt wird (1). Das Bündnis kündigte an, den Gesetzgebungsprozess kritisch und vielfältig zu begleiten - gipfelnd in einer Großdemonstration am 07. Juli, 13 Uhr in Düsseldorf. Im Vorfeld sind unter anderem eine Kundgebung vor dem Landtag (07. Juni, 9 Uhr), dezentrale Aktionstage (22./23. Juni), sowie regionale Demonstrationen (30. Juni) in mehreren Städten geplant. Dazu Nils Jansen, Sprecher des Bündnisses: "Das NRW-Polizeigesetz ist kein "Sicherheitspaket" sondern brandgefährlich. Völlig zu Recht haben deshalb bundesweit bereits Zehntausende gegen die jeweiligen neuen Landespolizeigesetze und die Einschränkung von Freiheit und Grundrechten protestiert. Wir rufen alle dazu auf, am 07. Juli in Düsseldorf gemeinsam auf die Straße zu gehen und auch im Vorfeld gegen das Gesetz aktiv zu werden."


Anmerkung:
(1) Liste der Unterstützer*innen des Bündnisses:
https://www.no-polizeigesetz-nrw.de/unterstuetzerinnen/

Aufruf des Bündnisses:
https://www.no-polizeigesetz-nrw.de/aufruf/

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Quelle:
Komitee für Grundrechte und Demokratie
Aquinostr. 7 -11, 50670 Köln
Telefon 0221 97269 -30; Fax -31
E-Mail: info@grundrechtekomitee.de
Internet: www.grundrechtekomitee.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juni 2018

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