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SERIE/062: Das Gefängnis-Tagebuch der Heide L. - 17.01.2008


Das Gefängnis-Tagebuch der Heide L.

24. Teil - 17.01.2008


17.1.2008

Nachdem die vorigen Tage ätzend und öde wie immer waren, wurde ich gestern mittag aus der Zelle geholt, Zellenkontrolle hieß es. Nachdem ich gestern den Brief an Mutti mit dunklen Andeutungen gespickt hatte, ahnte ich gleich, daß es um meine mühsam gesammelten und gehorteten Schlaftabletten ging. Naja, selber schuld, warum habe ich Idiot auch den Brief geschrieben und die Dinger nicht besser versteckt. Immer die gleiche Blödheit bei mir, nichts gelernt. Natürlich fanden sie die Tabletten. Großes Theater. Beamtin L. kam und sagte, ich müsse in die "Monitorzelle". Warum? Sie hätten meine Tabletten gefunden und es bestände Suizidgefahr. Ich sagte, ich gehe nicht. Sie redete ruhig auf mich ein, bis ich sagte: "Dann holen Sie doch Ihre Bullen.". "Das drohe ich Ihnen an". Die Tür ging zu, nach einiger Zeit hörte ich Männerstimmen. Tür wieder auf. Fr. L. und zwei Beamtete, wohl von der Männerabteilung standen davor. Sie und einer von den beiden versuchten mich zu bewegen, hinüberzugehen, redeten ruhig mit mir.

Der eine Beamte schaut mich an, ich ihn auch, wir sehen uns lange direkt in die Augen. Dann wendet er sich ab, schüttelt den Kopf. Gerade von ihm habe ich später tiefe, blutige Abschürfungen auf meinem Arm. Herr Z. hätte es angeordnet. Ich sagte, das wäre mir scheißegal. Nein, ich gehe nicht. Nach einiger Zeit meinte der Beamte zu seinem Kollegen "Also los". Beide kamen zu mir, ich saß auf meinem Stuhl. "Wenn sie jetzt nicht gehen, tuen wir Ihnen weh" sagte einer. "Nein, Ich gehe nicht!" Dann packten sie mich an Handgelenken und Unterarmen und verdrehten diese so, daß es sofort unwahrscheinlich weh tat, kein Gedanke an Widerstand. Mit mir zwischen sich gingen sie den kurzen Weg, vielleicht 50 Meter. Der Schmerz war so stark, daß mir schon auf der Hälfte des Weges total schlecht wurde. Ich konnte nur stöhnen. Ich wehrte mich ja nicht und der links gehende Beamte lockerte seinen Griff minimal, aber es tat immer noch höllisch weh. Der rechte dagegen drückte und drehte immer wieder und fasste mit kräftigem Griff nach, unglaubliche Schmerzen. An der Tür drehte er meinen Kopf nach links, dann wurde ich in den Raum geführt. "Geiler Job" und "Arschloch" sagte ich hinter den Männern her. Fr. F. und eine andere Beamtin standen dort und sagten, ich solle mich ausziehen. Auch das verweigerte ich, erstaunlicherweise klopften sie dann nur meine Taschen ab. Die Zelle erinnerte mich an die Ettstraße. Als erstes verklebte ich das Tür-Guckloch mit feuchtem Toilettenpapier. An der Decke hängt in der Ecke direkt gegenüber der Tür die Überwachungskamera. Ich nahm mir eine Decke, hockte mich dann direkt unter die Kamera in die Ecke. In der Hoffnung, daß ich so dem Blickfeld entgehen würde. Ich drückte den ganzen Nachmittag und Abend über den Notruf, nur so. Auf den Hinweis, das sei verboten, sagte ich nur "Das ist mir scheißegal". Direkt über mir auf dem Flur läuft eine von den durchgeknallten Junkies herum, die sich ihr Gehirn kaputtgefixt haben. Sie miaut wie eine Katze - ewig lange. Auch die Nacht war wie in der Ettstraße - Schrecklich. Mitternacht drückte ich wieder den Notrufknopf, sagte, ich wäre wohl versehentlich daran gekommen. Stimmte aber nicht. Am Morgen kam Fr. L. und fragte, ob ich Frühstück wolle. Nein! Ich drehte im Bett um und sagte "Verpiß Dich". Hörte nur, wie sie sagte "Was?" oder so ähnlich. Dann ging sie.

Später kam sie mit meinen Blutdrucktabletten. Ich sollte sie unter ihrer Aufsicht einnehmen. Nein. Irgendwie tut sie mir leid, sie steht meiner Aggressivität hilf- bis fassungslos gegenüber. Sie ging wieder. Später kamen sie zu dritt. Der Arzt W., eine Schwester und Frau F.: Der Arzt redete, die Frauen standen Spalier.[*2]

[*2]: Beim Zugangsgespräch hatte er den Eindruck, dass ich über ein hochaggressives Potential verfüge.

Ich hätte einen Vertrauensbruch begangen, müßte die "lebensnotwendigen" Blutdrucktabletten jetzt immer unter Aufsicht einnehmen. Das Schlafmittel "Zopiclon" wäre in der Dosierung von 25 Stück durchaus tödlich (Atemlähmung).[*1]

[*1]: In Aichach würde mit Zopiclon gehandelt, die Junkies wären ganz wild danach. Oder ich hätte mich umbringen wollen.

Es wäre meine Entscheidung, ob ich mit ihnen zusammenarbeiten will, wenn nicht, müsste ich die Folgen tragen. Ich "Dann sollen wir hier also allen in den Arsch kriechen!" Er: "Das ist durchaus sinnvoll". Dann: "Wir sitzen am längeren Hebel." und "Sie können uns nicht brechen. (Pause) Aber wir können Sie brechen". Na, das war wenigstens ehrlich. Er wolle, daß es uns hier gutgeht (guter Witz) und wir gesund (und verblödet, Anm. von mir) hier entlassen werden. Wenn jemand (wie ich) seine Tabletten nicht nehmen und auch sonst nicht zur Zusammenarbeit bereit wäre und es demjenigen dann schlecht ginge, hätte er keine schlaflose Nacht. Das wäre ihm egal. Ich "Ich weiß, daß wir Ihnen egal sind". Er meinte, ich wäre in einen Hungerstreik getreten, was aber nicht stimmt.[*5]

[*5]: Er drohte, in diesem Falle würde ich als "Vollzugsstörer" eingeordnet, denen in Bayern (natürlich!) drakonische Strafen, z.B. mehrwöchige Absonderung drohen.

Der Vergleich Ettstraße/Monitorzelle war zu heftig. Dann mußte ich zum Strafrapport zum Abteilungsleiter, Hrn. Z., der mich kaugummikauend in seinem nach Knoblauch riechenden "Vernehmungszimmer", eine Alibi-Beamtin für alle Fälle neben sich sitzend, für das Tablettensammeln, das Notrufdrücken und die verbale Attacke verurteilte, inklusive Bewährungswiderruf: 4 Tage Bunker, 1½ Wochen Freizeitsperre (d.h. beim Aufschluß in die Zelle, ohne Fernsehen), 3½ Wochen Einkaufssperre.[*3]

[*3]: Die einzig gute Nachricht für mich sei, daß weder die 2 Abführbeamten noch Fr. L. Strafantrag wegen Beleidigung gestellt hätten.

Er fragte zwischendurch immer wieder warum. Warum ich nicht freiwillig in die Monitorzelle gegangen bin? Warum Arschlöcher? Zum Glück hatte ich immer eine Antwort.[*4]

[*4]: Seltsamerweise fragten weder Arzt noch Abteilungsleiter, die mir ja beide Suizidabsichten unterstellt hatten, ob ich irgendeine Form von seelischer psychologischer Hilfestellung haben möchte. Nur Drohungen und Strafen gab es.

Dann ging ich mit Frau L. in die K.A., schluckte dort wie ein braves kleines Kind unter Aufsicht meine Tabletten, die Lithofalk wollten sie mir nicht geben. Dann kam ich in die Arrestzelle, wo ich ja 4 Tage verbringen soll. Fr. L. und eine andere Beamtin gingen mit mir in den Vorraum. Ich sollte mich wieder ausziehen, weigerte mich wieder. Hin und her. Dann tat ich es doch. L. und die andere starrten mich demonstrativ an. Ich war sehr aggressiv, sagte: "Da sieht man, wie Sie nicht starren!" Und "Geiler Job" nachdem anfangs beide versicherten, sie würden nicht schauen. Schweine bzw. Säue! - In schönen Uniformen dastehen und nackte Gefangene anglotzen. Pervers. Und mit Sicherheit auch wieder wie unten in der Kleiderkammer - als Demütigung und Unterwerfungszeremonie gedacht. Ich bekam andere Klamotten, dann ging es in die Arrestzelle. Wenigstens ein Buch konnte ich mitnehmen und Schreibpapier und Stift gibt es auch. Die Beamtin brachte mir Brot und Tee, dann gifteten wir uns noch ein bißchen an. Übrigens, wenn ich einen Hungerstreik machen würde, müßte ich den anmelden. Typisch deutsch! Dann verabschiedete sie sich mit einem zuckersüßen "Schönen Abend noch."


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Anmerkungen der Schattenblick-Redaktion:

Bei diesem Gefängnistagebuch handelt es sich um die persönlichen Aufzeichnungen der Heide L., die deren subjektive Erlebnisse und Einschätzungen widerspiegeln. Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte Dritter wurde gleichwohl durch Anonymisierung auf sämtliche Namensnennungen verzichtet. Der Text wurde in Hinsicht auf Orthographie und Interpunktion originalgetreu übertragen.


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Quelle:
Gefängnistagebuch von Heide Luthardt
© 2010 Irmgard Luthardt und Dr. Hans Luthardt


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Februar 2010