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SERIE/068: Das Gefängnis-Tagebuch der Heide L. - 08.02.2008 bis 13.02.2008


Das Gefängnis-Tagebuch der Heide L.

30. Teil - 08.02.2008 bis 13.02.2008


8.1.08 [*]

[*] Anmerkung der Redaktion Schattenblick:
gemeint ist der 8. Februar 2008

Habe mich so auf den Büchertausch gefreut, der ja schon am Dienstag wegen Fasching auf Freitag, also heute, verlegt wurde. Heute morgen dann die Durchsage "Büchertausch fällt aus". Ich wollte auch im StgB nachschauen, was genau "Führungsaufsicht" bedeutet, mit der mir ja der Herr Psychologe S. gedroht hatte. Andere Möglichkeit, sich zu informieren, gibt es hier ja nicht, weil wir blöd und stumpf gemacht bzw. bleiben sollen.

Beim Hofgang, gestern auch schon halb, hat A., die mir heute mittag netterweise Obst und Gemüse geschenkt hat und die ja eigentlich meine Tischtennis- und Federball-Partnerin ist, apathisch auf der Bank gesessen und ist nur ein paar Schritte langsam herumgeschlichen. Ich vermute, daß sie Medikamente wie Psychopharmaka, Neuroleptika oder so bekommt. Als ich sie gestern darauf ansprach, verneinte sie dies. Offiziell hat sie Bauchschmerzen an ihrer Gallen-OP-Narbe. Nachmittags kam auf Bayern 2 Radio ein langes Interview mit Fr. Denninger, der Geschäftsführerin der Obdachlosenzeitung "Biss", die ja das JVA-Gebäude Neudeck übernehmen und zu einem Hotel umbauen will. Sie war sehr euphorisch. Ich gönne dieser Initiative Erfolg, aber bei dem Gedanken, daß in diesem verfluchten, von Verzweiflung und Tränen getränkten Kerkergebäude (das ja auch schon während der Nazizeit eifrig genutzt wurde) einmal reiche Geldsäcke an der Bar sitzen werden, die sich daran aufgeilen, dass dies einmal ein echtes Gefängnis mit echten Gefangenen war, kommt mir das Kotzen.


10.2.08

Ich dachte, heute wäre der letzte Tag "meiner" Freizeitsperre und somit glaubte ich an die Großzügigkeit von Fr. L., als sie meine Zelle heute mittag offen ließ. Nachmittags war ich dann kurz im Büro und erfuhr, dass ich heute schon keine Sperre mehr habe, meinen Fernseher würde ich morgen wiederbekommen. Hoffentlich! Als ich meinte, ich dachte ich wäre begnadigt, sagten sie, das würde mir dann mitgeteilt und wenn die Freizeitsperre heute noch gelten würde, würde ich jetzt nicht "draußen" herumlaufen. Also nix von wegen Nettigkeit oder Großzügigkeit.


11.2.08

Habe schon heute morgen um 9 Uhr "meinen" Fernseher wiederbekommen, den ich allerdings erst reinigen musste, bevor ich ihn mitnehmen durfte. Er war wirklich sehr staubig, das muss ich zugeben. Heute ist die Rollwägelchen-Frau aus der Psychiatrie wiedergebracht worden. Sie ist ganz zahm und ruhig. Offenbar war sie nicht in Würzburg, sondern in Günzburg, aber das ist ja auch egal, in der Psychiatrie war sie auf jeden Fall. Heute habe ich wieder mit A. Tischtennis gespielt, auf jeden Fall besser, als immer nur im Kreis herumrennen. Diese Woche habe ich Küchenputzdienst, nächste Woche ist die Spülzelle dran. Mist.

Vorige Woche hatte ich Briefwahlunterlagen angefordert, heute kam ein Brief mit Wahlwerbung von der CSU - ausgerechnet.

Heute Mittag war nur wenig Essen da, die Küchenmafia allerdings kam mit übervollen Tellern von der Essensausgabe zurück, genauso wie am Sonnabend, als wir "Moha"-Esser kein Joghurt bekamen, diese Damen dann aber eine ganze Palette für sich auf die Seite geschafft hatten - unter den Augen der Beamtinnen, die ja stets bei der Essensausgabe daneben stehen.


12.2.08

Heute war Büchertausch, eine total aggressive Gefangene S. hat eine andere Frau ständig angepöbelt und erst auf Drohung der Beamten damit aufgehört. A. dreht immer mehr am Rad, sie war heute am Heulen, sie hat Beamtin L. um ein Gespräch gebeten, erst hieß es "Wir haben momentan keine Zeit", später "Wir können nichts machen, sie müssen zum Arzt oder versuchen sie es mal mit einem Psychiater". Beim Arzt war sie schon tausendmal, auch bei einer Magenspiegelung und beim HNO-Arzt. Alles o.B. Sie ißt viel, sagt aber immer, sie kann nicht essen, ihre Schleimhäute sind total angeschwollen und brennen. Irgendetwas stimmt da nicht, hat sie Bulämie oder was sonst?


13.2.08

Die Beamtinnen nutzen jede Gelegenheit zu schikanieren und ihre Macht zu zeigen. Hatte heute meinen Einkaufsschein bekommen und hätte lt. ihm für 80,- Euro meine Jahrespaketmarke verbraten können. L. hat ihn mir wieder weggenommen, weil ich wegen der Einkaufssperre nur für 40,- Euro einkaufen darf. Mal ein Auge zudrücken zu unseren Gunsten würden sie niemals - deutsche Beamte halt, auch hier genießen sie ihr bisschen Macht. Mein Gott, wie armselig. Am besten kann man sie wohl wirklich mit Mitgefangenen-K.'s Methode ärgern, indem man immer wieder betont, wie bequem und gut wir es hier haben, wie erholsam das Leben hier doch ist. Nach dem Motto "Endlich komme ich einmal dazu, in Ruhe den Koran zu lesen", "Mein Drittel? Muss ich nicht haben". Gestern habe ich übrigens im StgB wegen der von Psychologe S. angedrohten Führungsaufsicht nachgeschaut. Diese ist an Verurteilungen nach bestimmten Paragraphen gebunden, die, nach denen ich verurteilt wurde, sind nicht darunter! Wieder eine ihrer leeren, aber beim ersten Eindruck beängstigenden Drohungen.



Anmerkungen der Schattenblick-Redaktion:

Bei diesem Gefängnistagebuch handelt es sich um die persönlichen Aufzeichnungen der Heide L., die deren subjektive Erlebnisse und Einschätzungen widerspiegeln. Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte Dritter wurde gleichwohl durch Anonymisierung auf sämtliche Namensnennungen verzichtet. Der Text wurde in Hinsicht auf Orthographie und Interpunktion originalgetreu übertragen.


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Quelle:
Gefängnistagebuch von Heide Luthardt
© 2010 Irmgard Luthardt und Dr. Hans Luthardt


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Februar 2010