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INTERVIEW/179: Protestmarsch für die Obdachlosen - Hilfsmittel statt Rüstungsgelder ...    Zaklin Nastic im Gespräch (SB)


Interview am 9. Februar 2019 in Hamburg

Auf der Abschlußkundgebung zum Wintermove - Demo für die Obdachlosen [1] ergriff mit Zaklin Nastic eine mit der sozialen Situation in Hamburg gut vertraute Politikerin das Wort. Vor Antritt ihres Amtes als menschenrechtspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag nach der Bundestagswahl 2017 war sie für kurze Zeit Abgeordnete in der Hamburger Bürgerschaft. Seit 2011 hatte sie Die Linke in der Bezirksversammlung Eimsbüttel vertreten. Nach der Demonstration hatte der Schattenblick Gelegenheit, ihr einige weiterführende Fragen zu stellen.


Auf der Abschlußkundgebung - Foto: © 2019 by Schattenblick

Zaklin Nastic
Foto: © 2019 by Schattenblick

Schattenblick (SB): Es wird stets behauptet, die soziale Marktwirtschaft zeichne sich durch ein dichtes soziales Netz aus. Wie kann es dann überhaupt unfreiwillige Obdachlosigkeit geben?

Zaklin Nastic (ZN): Ich stelle sehr in Frage, daß wir in einer sozialen Marktwirtschaft leben. Wir leben im Raubtierkapitalismus, und da gilt das Recht des Stärkeren und dessen, der sich das leisten kann. Deswegen treten wir für das Menschenrecht auf Wohnen ein und daß es endlich im Grundgesetz verankert wird, weil jeder Mensch ein Recht hat, ein Dach über dem Kopf zu haben. In einem der reichsten Länder der Welt sollte dies auch möglich sein, wenn der politische Wille da wäre.

SB: Auf der Demo wurde häufiger beklagt, daß der politische Wille fehlt. Warum sollte man in einem kapitalistischen Land davon ausgehen, daß die Herstellung des sozialen Ausgleiches und des Wohlbefindens aller Menschen gewollt sei, wenn doch das Prinzip der Kapitalverwertung vorherrscht?

ZN: Man versucht zumindest, insofern soziale Zugeständnisse zu machen, daß die Menschen nicht in Massen auf die Straße gehen wie in Frankreich und andernorts. Eine kleine Beruhigungspille, aber das war's. Um etwas grundlegend zu ändern, müßte man eben den Raubtierkapitalismus überwinden. Da genug für alle da ist, muß man zuallererst damit beginnen, Verteilungsgerechtigkeit für alle herzustellen, und das ist nicht der Fall, deswegen werden immer mehr Menschen obdachlos, immer mehr Menschen sozial ausgegrenzt. Wie kann es sein, daß ein Herr Zetsche von Daimler Benz sich auf über 4000 Euro Rente am Tag freuen können wird, während andere sich noch nicht einmal eine Mahlzeit leisten können? Das ist zutiefst ungerecht und muß daher überwunden werden.

SB: In Ihrer Rede erwähnten Sie die stark steigenden Rüstungsausgaben. Derzeit wird in der Bundesrepublik eine Konfrontation mit Rußland angeheizt. Wieso wird massiv Geld ins Militär gesteckt, wenn viele Leute immer ärmer werden?

ZN: Man arbeitet natürlich gerne mit Feindbildern, und dafür wird Rußland immer gerne genutzt. Wenn Rußland seinen Wehretat auf knapp über 60 Milliarden Dollar zurückgeschraubt hat und die NATO auf der anderen Seite fast eine Billion Dollar für die militärische Rüstung ausgibt, kann man doch nicht sagen, daß Rußland der Aggressor ist und wir uns bedroht fühlen sollten. NATO und USA haben tausend Militärbasen auf der Welt, Rußland knapp über 20. Da muß man sich fragen, ob hier nicht politische Augenwischerei betrieben wird, um Feindbilder aufzubauen und extra Geld in die Rüstung zu pumpen, statt es für soziale Belange auszugeben, damit Menschen nicht obdachlos werden, damit Schulen und Straßen saniert und renoviert werden können.

SB: Frau Nastic, vielen Dank für das Gespräch.


Fußnote:

[1] BERICHT/118: Protestmarsch für die Obdachlosen - geteilte Ungemütlichkeit ... (SB)
http://schattenblick.de/infopool/buerger/report/brrb0118.html


22. Februar 2019


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