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FLUCHT/008: Wiener Asyl - Repression (SB)


Drohen den Flüchtlingen in der Wiener Votivkirche nun weitere Repressalien?

Vier Protestierende sollen ins Abschiebegefängnis Hernalser Gürtel gebracht worden sein


Flüchtlinge im Innenraum der Votifkirche, vor ihnen ein Banner mit der Aufschrift 'ON HUNGERSTRIKE - 9 DAY' - Foto: © by Refugee Camp Vienna

Hungerstreik - unter Einsatz ihrer Gesundheit kämpfen Geflohene um ein menschenwürdiges Leben
Foto: © by Refugee Camp Vienna

Nach Angaben des Blogs Refugee Camp Vienna vom Sonntag [1] sollen vier der protestierenden Flüchtlinge festgehalten und ins Abschiebegefängnis Hernalser Gürtel gebracht worden sein. Dies sei zu einer "Überprüfung des fremdenrechtlichen Status" geschehen. Die nun bereits seit vielen Wochen in Wien protestierenden Geflohenen, von denen rund 40 nach wie vor einen Hungerstreik in der Wiener Votivkirche aufrechterhalten, befürchten allerdings, daß die vier Festgenommenen akut von Abschiebung bedroht seien, und haben deshalb für Sonntagmittag zu einer Protestkundgebung unmittelbar vor dem Abschiebegefängnis aufgerufen.

Sollten die verantwortlichen Behörden tatsächlich, wie zu befürchten steht, zu so drastischen Repressalien gegriffen haben oder möglicherweise im Begriff stehen, auf diese Weise die ohnehin angespannte Situation weiter zu eskalieren, könnte dies unter anderem auch eine Reaktion auf die Forderungen der äußersten Rechten Österreichs sein. Konrad Kogler, der am 1. Januar 2013 die Nachfolge des Ende November pensionierten Herbert Anderl als neuer Generaldirektor für öffentliche Sicherheit angetreten hat, wurde von der FPÖ bereits unter Druck gesetzt. Der 48jährige hatte bei seiner Amtseinführung erklärt, sich insbesondere für die "Achtung der Menschenrechte und deren Verwirklichung" einzusetzen und dies zu einem zentralen Bestandteil seiner neuen Tätigkeit machen zu wollen [2].

Wollte er dieser Ankündigung Taten folgen lassen, stünde es ihm gut zu Gesicht, sich öffentlich, konkret und nachdrücklich für den Flüchtlingsprotest in der Wiener Votivkirche einzusetzen, geht es doch den dort bei Temperaturen um null Grad ausharrenden Menschen, wie von vielen Organisationen, so auch der Caritas, immer wieder bestätigt, darum, als anerkannte Mitglieder der Gesellschaft in Österreich zu leben und zu arbeiten und nicht länger an den Rand gedrängt, unter Sonderrecht gestellt und auf Almosen angewiesen zu sein.

Die FPÖ hingegen hat Koglers Amtsvorgänger bereits wegen Amtsmißbrauch bei der Staatsanwaltschaft angezeigt und erklärt, es sei zu vermuten, daß die Polizei nicht (gegen die Flüchtlinge) habe einschreiten dürfen [3]. Einen Amtsmißbrauch glaubt diese Partei darin erkannt zu haben, daß das Asylgesetz nicht eingehalten worden sei, indem Asylbewerber, deren Verfahren rechtskräftig negativ abgelaufen sei, nicht aufgefordert wurden, das Land zu verlassen. Auch sei das Versammlungsgesetz, das auch in Kirchen gelte, nicht eingehalten worden, da dort nicht angemeldete Versammlungen, bei denen sich gesetzwidrige Vorgänge ereignet hätten, nicht aufgelöst worden seien. Der neue Generaldirektor für öffentliche Sicherheit wurde auch ins Visier genommen [3]:

Wir haben Kogler nun ausreichend Zeit gegeben, sich einzuarbeiten. Wenn er nicht binnen 14 Tagen die mutmaßlichen Gesetzesverstöße seines Vorgängers behebt, sehen wir uns gezwungen, auch ihn der Staatsanwaltschaft zu melden.

Am 8. Januar soll die Partei, wie der Standard berichtete [4], bereits Anzeige erstattet haben gegen diverse Nichtregierungsorganisationen, die sich in der Betreuung der protestierenden Flüchtlinge engagieren, die Caritas ausdrücklich ausgenommen. Zentraler Vorwurf der Anzeige, die dem Standard vorliege, sei der der "Störung der Religionsausübung". Wie Johann Gudenus, Wien FPÖ-Klubchef und stellvertretender Bundesparteiobmann, der Zeitung zufolge zur Begründung angeführt habe, sei es bei der Kirchenbesetzung zu "Verunreinigungen höchsten Ausmaßes" gekommen, wodurch der Gottesdienst beträchtlich gestört worden sei [4]. Der Standard merkte dazu an, daß sich diese Anzeige sehr wahrscheinlich auf einen Bericht eines FPÖ-nahen Onlinemagazins vom 6. Januar stütze, in dem die Rede davon gewesen sei, daß das Lager in dem Gotteshaus ein reiner Saustall sei. [4]

Ob derartige Positionen in der Parteienlandschaft Österreichs tatsächlich ausschließlich an ihrem rechten Rand zu verorten sind oder ob es sich dabei um eine Spielart des sattsam bekannten Teile-und- Herrsche handeln könnte, läßt sich zur Zeit noch nicht abschließend bewerten. Denkbar wäre bei einem solchen, inoffiziellen Zusammenspiel, daß die FPÖ die Rolle des bösen Buben übernimmt, während die Parteien der politischen Mitte zwar freundlichere Worte im Munde führen, aber faktisch ebensowenig bereit sind, die zutiefst in der Gesellschaft und ihren rechtlichen Regelungen verankerte Ausgrenzung der ins Land gekommenen Menschen auch nur anzulockern, geschweige denn, wie es dem demokratischen Eigenanspruch der Republik entsprechen würde, gänzlich aufzuheben.

Sollte es in Kürze zu den von den Protestierenden bereits akut befürchteten Abschiebungen oder sonstigen Repressalien gegen die Flüchtlinge in der Votivkirche, aber auch die in Österreich mehr und mehr in Erscheinung tretende Flüchtlingsbewegung kommen, würde sich die tatsächliche Positionierung der Wiener Verantwortlichen deutlich herauskristallisieren.


Weitere Informationen siehe in der Wiener Tagespresse und bei http://refugeecampvienna.noblogs.org/


Fußnoten:
[1] Meldung des Blogs Refugeecampvienna vom 13.01.2012
http://refugeecampvienna.noblogs.org/post/2013/01/13/sonntag-um-12-uhr-demo-4-refugees-zur-uberprufung-des-fremdenrechtlichen-status-ins-abschiebegefangnis-hernalser-gurtel-gebracht/

[2] Nachfolger von Herbert Anderl tritt per 1. Jänner an, Wiener Zeitung, 20.12.2012
http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/oesterreich/politik/510886_Neuer-Generaldirektor-fuer-oeffentliche-Sicherheit-Konrad-Kogler.html

[3] FP-Gudenus zu Kirchenbesetzung: Anzeige gegen Ex-Sicherheitsdirektor wegen Amtsmissbrauchs! FPÖ Wien, 11.01.2013
http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20130111_OTS0098/fp-gudenus-zu-kirchenbesetzung-anzeige-gegen-ex-sicherheitsdirektor-wegen-amtsmissbrauchs

[4] Kritische Worte von Häupl zu Asylprotest. Der Standard, 8. Jänner 2013
http://derstandard.at/1356427104015/Kritische-Worte-von-Haeupl-zu-Asylprotest

14. Januar 2013