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HINTERGRUND/167: Auf Kosten der Gesundheit


die zeitung - terre des hommes, 4. Quartal 2010

Auf Kosten der Gesundheit

Von Urte Tegtmeyer


Am 8. September 2000 fand die bislang größte Versammlung von Staats- und Regierungschefs in New York statt: der Millenniumsgipfel der Vereinten Nationen. Hier wurden die acht Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) verabschiedet, die bis 2015 erreicht werden sollten. Doch von der Erreichung der meisten dieser Ziele ist die internationale Staatengemeinschaft noch weit entfernt. Besonders die drei gesundheitsbezogenen MDGs 4, 5 und 6 hinken den Vorgaben hinterher. Die Zeit wird knapp - nur noch fünf Jahre bleiben, um die Ziele zu erreichen.


Millenniumsentwicklungsziel 4:
Reduzierung der Kindersterblichkeit bis 2015 um zwei Drittel

Die gute Nachricht vorneweg: Seit 1990 konnte die Kindersterblichkeit erheblich gesenkt werden: Starben 1990 noch 12,5 Millionen Kinder unter fünf Jahren, waren es 2008 noch 8,8 Millionen. Doch das sind immer noch viel zu viele Kinder, die in der Mehrzahl der Fälle an vermeidbaren Krankheiten wie Durchfall und Lungenentzündungen sterben. Zudem schwächen Hunger und Unterernährung viele Kinder so stark, dass sie die ersten vier Wochen nach der Geburt nicht überleben. In 13 afrikanischen Ländern wurde bereits das Ziel erreicht, die Kindersterblichkeit um zwei Drittel zu senken. Deutliche Verbesserungen hat es auch in Lateinamerika sowie Ostasien gegeben. Dort konnte die Rate der Kindersterblichkeit um jeweils mehr als die Hälfte gesenkt werden. Besonders in Burkina Faso, Pakistan und Ruanda haben Investitionen in die Gesundheitssysteme, die Aufstockung des medizinischen Fachpersonals und großangelegte Impfkampagnen zum Fortschritt beigetragen. Dies zeigt, dass die Gesundheitsziele erreicht werden können, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen.

In Südasien und Afrika südlich der Sahara gibt es hingegen nur wenig Fortschritte hinsichtlich der Millenniumsentwicklungsziele (MDGs). Dort starb 2010 immer noch nahezu jedes siebte Kind vor Vollendung seines fünften Lebensjahrs. Im krisengeschüttelten Simbabwe aber auch in Südafrika ist die Kindersterblichkeitsrate sogar noch gestiegen. Das südliche Afrika wie auch Südasien werden die Zielvorgaben für MDG 4 nach jetzigem Stand nicht erfüllen. Schlimmer noch: Die Weltbank geht davon aus, dass als Folge der Finanzkrise die Kindersterblichkeit wieder zugenommen hat.


Millenniumsentwicklungsziel 5:
Verbesserung der Müttergesundheit bis 2015 um drei Viertel

Für Frauen in Entwicklungsländern ist die Geburt eines Kindes noch immer lebensgefährlich. Weltweit sterben jährlich 343.000 Mädchen und Frauen an den Folgen von Schwangerschaft und Geburt. Davon leben 99 Prozent in Entwicklungsländern.

In Sierra Leone ist die Situation besonders dramatisch, dort stirbt jede achte Frau während der Schwangerschaft oder der Geburt ihres Kindes. In Industrieländern stirbt bei 8.000 Geburten nur eine Frau. Laut der Weltgesundheitsorganisation ist die Erreichung dieses Millenniumsentwicklungsziels am unwahrscheinlichsten. Viele Frauen sterben, weil sie keine medizinische Versorgung bekommen, zu weit weg wohnen, unter schlechten hygienischen Bedingungen entbinden oder kein Geld haben, um Gesundheitsleistungen zu bezahlen.

Besonders im südlichen Afrika hat die Senkung der Müttersterblichkeit nur wenig Fortschritte gemacht. Dies ist eng verknüpft mit dem großen Einfluss von HIV/Aids, der sich direkt auf die Müttersterblichkeit auswirkt. Denn viele Frauen sterben an Aids.


Millenniumsentwicklungsziel 6:
Bekämpfung von HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria

Die Bekämpfung von HIV/Aids macht langsame Fortschritte. Inzwischen konnte sowohl die Zahl der Neuinfektionen als auch die der Sterbefälle reduziert werden. Trotzdem leben weltweit immer noch ca. 33 Millionen Menschen mit dem HI-Virus, darunter über zwei Millionen Kinder und Jugendliche. Mehr als die Hälfte von ihnen hat keinen Zugang zu erforderlichen Medikamenten, obwohl dies 2006 von den Vereinten Nationen vereinbart wurde: Bis 2010 sollte jedem Erkrankten der Zugang zu lebensnotwendigen, sogenannten antiretroviralen Medikamenten (ARV) ermöglicht werden. Mit ARVs wird der Ausbruch von Aids herausgezögert.

Neun von zehn Aids-Erkrankten leben in Entwicklungsländern. Die meisten können sich die Medikamente, die sie brauchen, nicht leisten. Sie sterben an den Folgenkrankheiten, besonders oft an Tuberkulose. ARVs ermöglichen HIV-infizierten Menschen ein fast normales Leben. Sie können arbeiten und Geld verdienen. Außerdem ist eine gesunde Ernährung lebensnotwendig, um das Immunsystem zu stärken. Ohne derartige Hilfe könnten die meisten der 25 Millionen HIV-infizierten Menschen in Afrika in den nächsten zehn Jahren sterben. Das würde bedeuten, dass die Zahl der Kinder, die durch Aids zu Waisen werden, auf 20 Millionen steigen würde. Bei der Bekämpfung von Malaria sind kaum Fortschritte zu verzeichnen. Jährlich sterben daran knapp eine Million Menschen. Die Ausstattung von Haushalten mit Malarianetzen findet nur punktuell statt. Dabei sind Malarianetze überlebensnotwendig, doch in vielen Haushalten Mangelware. Viele Familien verdienen zu wenig, um kaputte Netze zu ersetzen oder sich überhaupt welche zu kaufen. Während im Westen Malaria fast ausgerottet wurde, sterben in den Entwicklungsländern an ihr jährlich fast drei Millionen Menschen. Ein Impfstoff gegen Malaria wurde noch nicht entwickelt, die Mehrzahl der Malaria-infizierten könnte ihn sich auch nicht leisten.

Urte Tegtmeyer
u.tegtmeyer@tdh.de


Zahlen und Fakten

Jeden Tag sterben knapp 1.000 Frauen - aufgrund von Komplikationen während der Schwangerschaft oder Geburt
Jeden Tag sterben 24.000 Kinder unter 5 Jahren - an Atemwegserkrankungen, Durchfall, Malaria und Aids
In Afrika versorgen zwei Ärzte 10.000 Menschen - in Europa kommen durchschnittlich 32 Ärzte auf 10.000 Menschen
15 Millionen Kinder im südlichen Afrika - haben ein oder beide Elternteile durch Aids verloren
Jedes Jahr sterben insgesamt mehr als fünf Millionen Menschen an Tuberkulose, HIV und Malaria - die überwiegende Mehrheit dieser Todesfälle sind auf Armut zurückzuführen
Sri Lanka hat die niedrigste Müttersterblichkeitsrate Südasiens - dank kostenloser medizinischer Gesundheitsversorgung
Jeden Tag sterben 4.000 Kinder - durch verunreinigtes Trinkwasser
In Afrika stirbt eine von 22 Frauen während der Schwangerschaft oder bei der Geburt, in Asien eine von 120 - in reichen Ländern liegt die Rate bei 1 : 8.000

Die Millenniumsziele

1. Beseitigung von extremer Armut und Hunger
2. Allgemeine Grundschulbildung für alle Kinder
3. Förderung der Gleichheit der Geschlechter und Stärkung der Rolle der Frauen
4. Verringerung der Kindersterblichkeit
5. Verbesserung der Gesundheit von Müttern
6. Bekämpfung von HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose
7. Sicherung der ökologischen Nachhaltigkeit
8. Aufbau einer globalen Entwicklungspartnerschaft


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Quelle:
die zeitung, 4. Quartal 2010, S. 4
Herausgeber: terre des hommes Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Dezember 2010