Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → TERRE DES HOMMES

HINTERGRUND/182: Gesetze haben den internationalen Kinderhandel nicht eindämmen können


die zeitung - terre des hommes, 4. Quartal 2011

Acht Millionen Kindersklaven
Gesetze haben den internationalen Kinderhandel nicht eindämmen können

von Albert Recknagel


Benjamin war acht, seine Schwester Maoussi war 13, als der Schlepper kam. Die beiden Kinder lebten in einem Dorf in Togo. Dort wie in vielen westafrikanischen Gemeinschaften ist es üblich, Kinder für eine Weile zu Verwandten zu geben, um ihnen beispielsweise eine Ausbildung zu ermöglichen, die sie zu Hause nicht bekommen können. Der Mann, der ins Dorf kam, versprach dem Vater von Maoussi und Benjamin genau das: Ausbildung der Kinder, bezahlte Arbeit. Der Vater hegte keinen Argwohn. Im Gegenteil: Der Schlepper konnte auch noch zwei Cousins von Maoussi und Benjamin mitnehmen. Der Mann schaffte die Kinder ins Ausland, nach Abidjan in der Elfenbeinküste. Dort verkaufte er sie für umgerechnet 50 Euro pro Kopf an einen Bauunternehmer. Die Kinder wurden auf eine Baustelle gebracht, wo sie wie Sklaven gefangen gehalten und zur Arbeit gezwungen wurden.

Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) der Vereinten Nationen schätzt, dass mehr als acht Millionen Kinder in Sklaverei leben. Der Verkauf von Kindern ist ein Geschäft, in dem Milliardenprofite erzielt werden. Und dabei geht es nicht nur um Fronarbeit auf Baustellen. Kinder werden in der Schuldknechtschaft gezwungen, die Kredite ihrer Eltern auf den Feldern des Kreditgebers abzuarbeiten, sie werden in Bordelle gesteckt und für die Herstellung pornografischen Materials missbraucht. Wenn sie der Sklaverei jemals entfliehen, sind sie körperlich und seelisch fürs Leben gezeichnet.

Kinderhandel ist verboten. Doch Konventionen und Gesetze haben ihn nicht abschaffen können, denn seine Grundlage besteht fort: Armut. Wenn Eltern kein Geld haben und nicht wissen, wie sie ihre Kinder durchbringen sollen, werden sie anfällig für Einflüsterungen und Versprechen von Menschenhändlern. Damit tragen sie eine Mitschuld. Aber der Kern des Problems ist die Armut, die skrupellose Kinderhändler und ihre Abnehmer ausnutzen. Kinderhandel gibt es übrigens nicht nur auf der Südhälfte der Erdkugel. Auch in Deutschland leben Kindersklaven, meist aus Rumänien. Sie werden in der Regel zum Betteln und zur Arbeit in Bordellen gezwungen.

Es fehlt nicht an rechtlichen Grundlagen, um den Kinderhandel einzudämmen. Was fehlt, ist die umfassende Aufklärung sowohl der Eltern als auch der Kinder über Rechte und Gefahren und die konsequente Anwendung der Gesetze - und vor allem die Überwindung der Teilung der Welt in arm und reich.

Benjamin und Maoussi und ihre Cousins hatten Glück. Nach zwei Jahren Sklavenarbeit wurden sie aufgrund eines anonymen Hinweises von der Polizei befreit und in ein Haus für Straßenkinder gebracht. Als sie physisch und psychisch wieder einigermaßen stabil waren, brachte eine Sozialarbeiterin sie nach Hause.

Albert Recknagel
(a.recknagel@tdh.de)


*


Quelle:
die zeitung, 4. Quartal 2011, S. 5
Herausgeber: terre des hommes Deutschland e.V.
Hilfe für Kinder in Not
Ruppenkampstraße 11a, 49084 Osnabrück,
Tel.: 0541/71 01-0, Fax: 05 41/70 72 33
E-Mail: info@tdh.de
Internet: www.tdh.de

die zeitung - terre des hommes erscheint 4 Mal jährlich.
Der Verkaufspreis wird durch Spenden abgegolten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Februar 2012