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LITERATURBETRIEB/029: Sprache 3 (SB)


"Tipps zum geschlechtergerechten Sprachgebrauch"

des Städtischen Frauenbüros Münster

stabilisieren männlich dominierte Verhältnisse


"Fair in der Sprache" bedeutet gefestigt in unfairen
gesellschaftlichen Verhältnissen

Eine Pressemitteilung der Stadt Münster von 15. Juni 2001 mit dem Titel "Fair in der Sprache - Städtisches Frauenbüro gibt Tipps zum geschlechtergerechten Sprachgebrauch" soll hier zum Anlaß genommen werden, dem vieldiskutierten Thema des Gebrauchs weiblicher und männlicher Formen in der Schriftsprache einige provozierende Gedanken hinzuzufügen.

Beinhaltet die Forderung, für die Frauen faire Formulierungen in der Verwaltungssprache zu finden, um dem Gleichstellungsgesetz Vorschub zu leisten, unter der Hand doch eigentlich die gegenteilige Funktion, nämlich eine gesellschaftliche Entwicklung zu festigen, die alles andere als frauenfreundlich ist und mitnichten zur angestrebten Veränderung führt.


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Was in der Verwaltung seit Jahren selbstverständliche Pflicht ist, gilt nun sogar von Gesetzes wegen. "Das Landesgleichstellungsgesetz verpflichtet Kommunen zu einer fairen, Frauen und Männer gleichermaßen benennenden Sprache", so Martina Arndts-Haupt.
(Pressemitteilung von Freitag, 15. Juni 2001, Stadt Münster)

Zur Durchsetzung dieser Verpflichtung verbreitet das Frauenbüro der Stadt Münster Vorschläge auf einer Postkarte, denn

Fairness in der Sprache durch Berücksichtigung des weiblichen und des männlichen Geschlechtes ist mehr als nur höflich und korrekt. Sie macht soziale Wirklichkeit sichtbar, beeinflusst selbst Wirklichkeit - und lässt sich einfacher praktizieren, als immer noch behauptet wird.
(ebd.)

Es stellt sich allerdings die Frage, ob das in Klammern gezwängte "(in)", auf Anhängsel reduziere "/innen" oder das Auslassen der weiblichen Sprachform nicht unzweifelhafter die "soziale Wirklichkeit sichtbar" macht als die auf der Karte vorgeschlagenen "fairen Formulierungen", die die Absichten verschleiern, die hinter dem konventionellen Sprachgebrauch in der Amtssprache stecken.

Hier einige Kartenbeispiele, die eine einfache Vermeidung der Problematik darstellen und die bei weitem keine Neuentwicklung oder Erweiterung sprachlicher Möglichkeiten sind. Die Vorschläge verhindern sogar den ersten Schritt, die sprachliche Negierung der Frau überhaupt erst einmal zur Kenntnis zu nehmen.

- die Paarformel "Bürgerinnen und Bürger"

- besitzanzeigende Fürwörter einfach weglassen, "Die Wahlberechtigten oder ihre gesetzliche Stellvertretung..." statt "Der Wähler/die Wählerin oder sein/ihre (gesetzliche/r) Vertreter/in..."

- Wahl geschlechtsneutraler Wörter "(Rats-)Mitglied, Arbeitskraft"

- Mehrzahlbildung "die Eheleute"


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Der Wunsch, als Frau im gesellschaftlichen Leben nicht nur vorzukommen, sondern dies auch und gerade in schriftlicher Form in Artikeln, Briefen, Formularen und Dokumenten bestätigt zu sehen, geht an dem eigentlichen Problem vorbei, entspringt doch das Bedürfnis nach Anerkennung und Gleichberechtigung den gleichen gesellschaftlichen Prinzipien, die die Unterdrückung der Frau hervorgebracht haben.

Es kann bei der Hinterfragung gesellschaftlicher Machtstrukturen und der damit verbundenen Vorurteile gegen Frauen nicht darum gehen, die Rolle der Frau in der Gesellschaft zu stärken, indem ihre Position und ihr rechtlicher Status verbessert werden. Jede Form der gesellschaftlichen Funktionszuweisung - egal ob als Frau, Mann, Kind, Kranker oder Behinderter - geht an der Person vorbei. In diesem Sinne sind die sich zunehmend durchsetzenden alternativen Formulierungsformen eher ein Mittel zur Festschreibung der Frau auf ihre konventionelle gesellschaftliche Rolle als die zuvor weitgehend unhinterfragt verwendete männliche Form, die wenigstens den unschlagbaren Vorteil in sich birgt, daß frau, kommt sie in der weiblichen Sprachform gar nicht vor, auch nicht verwaltet werden kann.


Erstveröffentlichung am 21. Juni 2001

5. Januar 2007