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BERICHT/064: 21. Linke Literaturmesse - Mut macht die Stimme ... (SB)


Linke Presse in der Krise

Position gegen rechte Restauration und linken Opportunismus


Für die kritische Arbeit am Begriff könnten die Zeiten kaum besser sein. In den sogenannten Leitmedien werden fast nur noch Herrschaftsdiskurse verhandelt. Die beinahe durchgängige Parteinahme für deutsche Interessenpolitik in der EU und darüber hinaus, die marktliberale Bewertung gesellschaftlicher Leistungsfähigkeit an Wachstum und Wettbewerb, die Personalisierung von Machtfragen, das boulevardeske Abfeiern kultureller Events als Massenbespaßung und die Inszenierung restaurativer Historienspektakel zwecks kollektiver Amnesie - wo im Gleichschritt geschrieben und nichts ausgelassen wird, was der Vergewisserung der Nation als Notgemeinschaft in der globalen Krisenkonkurrenz dient, erwächst aus den dunklen Ecken und öden Brachen dieser perfekt gegen den Schmerz und die Ohnmacht der Ausgebeuteten und Unterdrückten abgedichteten Medienwelt ein Zorn, der sich nicht mit ein paar schnellen, zu selbstevidenten Floskeln erstarrten Antworten beschwichtigen läßt.

Wie stets in Zeiten imperialen Aufschwungs, in dem sich die Bundesrepublik als EU-europäischer Hegemon noch befindet, soll den Stimmen, die das soziale Elend aus seiner absichtsvoll herbeigeführten Versenkung holen und der neofeudalen Konsumkultur den Appetit verderben, so wenig Aufmerksamkeit wie möglich geschenkt werden. Wer nicht bereit ist, Börsenkurse und Unternehmensbilanzen zur nationalen Schicksalsfrage zu erheben oder Flüchtlingen als angeblich unberechtigte Teilhaber an dem unter Ausbeutung ihrer Herkunftsländer erwirtschafteten Reichtum die Tür zu weisen, braucht eine gehörige Portion nicht in Geld und Anerkennung aufzuwiegendes Interesse, aus prinzipiellen Gründen Position zu beziehen und gegenzuhalten.

Dem kommt, auch wenn es paradox erscheint, durchaus entgegen, daß die Arbeitsbedingungen von Journalistinnen und Journalisten kaum schlechter sein könnten. Um heute noch auf konventionelle Weise bei einer etablierten Tageszeitung oder anderen Printformaten Karriere zu machen, ist die Gratistätigkeit als Praktikantin oder Praktikant nur der Beginn einer Serie von Zwangslagen, die ambitionierten Jugendlichen die Freiheit kritischen Denkens rigoros austreiben. An der kurzen Leine finanziell wie inhaltlich hochgradig rationalisierter Redaktionen geführt, bleibt der individuelle Zeilenschinder auf der Strecke einer von Sachzwängen und Kostengründen verstellten Ebene, auf der sich der Horizont, hinter dem der freie Blick unabhängigen Arbeitens und selbstbestimmten Denkens vermutet wird, desto unerreichbarer wird, je mehr man versucht, ihm nahezukommen.

Wo Presseprodukte darauf angewiesen sind, die knapper werdenden Werbekunden nicht zu vergrätzen und sich einer unternehmerischen Klientel anzudienen, das sich der großen Drift nach rechts schon aus eigenem Klasseninteresse anschließt, desto weniger kann sich die einzelne Journalistin und der einzelne Autor herausnehmen, gegen den mehrheitlich gewollten Strich zu bürsten. Das im Netz jederzeit abrufbare persönliche Profil verträgt nicht einmal Zwischentöne im Klassenkampf, geschweige denn eine konsequent gegen die Herrschenden vertretene Position. Beschwichtigung und Bezichtigung sind die Maßgaben aller persönlichen Meinungsbekundung: ersteres, um aufkommende Zweifel an der herrschenden Glaubensdoktrin mit dem stets nach unten auf die noch Elenderen gerichteten Blick im Keim zu ersticken und als Lohn vorauseilender Unterwerfung dauerhafte Zugehörigkeit zum Kollektiv der Gewinner in Aussicht zu stellen; letzteres, um den Anteil an Sozialtransfers am gesellschaftlichen Gesamtprodukt so gering wie möglich zu halten, indem die Schuld allen Übels stets bei denjenigen, die sich am wenigsten wehren, weil sie sich der moralischen Definitionsmacht der Schuldherrren unterwerfen, gesucht und gefunden wird.

Die bloße Berichterstattung ist so weitreichend durchstrukturiert und formalisiert, daß sie im Bereich der Sport- und Wirtschaftsnachrichten bereits von Algorithmen bewältigt werden kann und wird. Mit der Weiterentwicklung der Künstlichen Intelligenz und dem ansteigenden Kostendruck wird der Redaktionsrobot nicht nur in Nachrichtenagenturen, sondern auch anderen Presseorganen seinen festen Platz erhalten. Der informationstechnischen Automatisierung, der durch Netzwerkeffekte forcierten Kommodifizierung zum austauschbaren "Content" und der Einebnung blattspezifischer Profile wie bei Instant Articles auf Facebook hält keine noch so angestrengte Profilierung individueller Autorenschaft stand. Der schwindende Wertes journalistischer Arbeit greift an die ökonomischen Wurzeln eines Geschäftsmodells, zu dem Karl Marx schon vor fast 175 Jahren zu sagen wußte, daß die Presse sich durch die Freiheit auszeichnet, "kein Gewerbe zu sein".

Die Notwendigkeiten des Lebenserwerbs und der aus positionierter Auseinandersetzung erwachsende Streit mit den herrschenden Verhältnissen stehen allzuoft in einem ausschließenden Verhältnis zueinander. Nicht nur die Aufdeckung von Mißständen, sondern vor allem Analyse und Kritik der Vorspiegelungen und Irreführungen, mit denen die kapitalistische Eigentumsordnung die Lohnabhängigenklasse ihrem Interesse unterwirft, wären journalistische Verpflichtungen, wenn es um eine halbwegs wirklichkeitsgetreue Abbildung und Kommentierung gesellschaftlichen Lebens und Arbeitens ginge. Das Gegenteil dessen findet statt mit der monopolistischen Einbettung von Verlagskonzernen in das Gesamtinteresse des herrschenden Blocks und einer Digitalisierung der Medien, durch die konventioneller und PR-Journalismus immer ununterscheidbarer voneinander werden.

Für die kritische Arbeit am Begriff gibt es mithin weit mehr Anlaß als Menschen, die sich ihr, aus freien Stücken oder zum Lebenserwerb, mit all dem dazu erforderlichen Aufwand widmen wollen oder können. Den im Verhältnis zu den finanziell gut bemittelten und institutionell fugenlos integrierten Organen privatwirtschaftlicher wie öffentlich-rechtlicher Medien kleinen Presserzeugnissen und Online-Angeboten, die herrschende Gewaltverhältnisse in kritischer Absicht reflektieren, kommt mithin potentiell weit mehr Einfluß zu, als ihnen aufgrund von Auflagehöhe und Zugriffszahlen zugestanden wird. Im öffentlichen Diskurs nicht beim Namen genannt zu werden heißt nicht, keinerlei Wirkung zu entfalten, ganz im Gegenteil. Die subversive Ausbreitung nonkonformistischer Dispositionen in der Bevölkerung ist der anwachsenden Kluft zwischen sozialer Alltagsrealität und politisch-ideologischer Formierung der Gesellschaft geschuldet - wo von oben und außen Kohäsion und Integration geschaffen werden soll, macht sich unten und innen ein Widerwillen breit, dessen reaktionäre Stoßrichtung der Doktrin des neoliberalen Sozialdarwinismus spiegelbildlich entspricht.


Podium der Veranstaltung auf der Linken Literaturmesse - Foto: © 2016 by Schattenblick

Krisensitzung mit Vertretern der jungen Welt
Foto: © 2016 by Schattenblick

junge Welt ... mehr als eine Tageszeitung

Von der Malaise des Print-Journalismus sind auch die Macherinnen und Macher der bundesweit vertriebenen Tageszeitung junge Welt nicht ausgenommen. "Erschwerend" hinzu kommt allerdings eine Klassenposition, die FAZ und taz diametral entgegengestellt ist. Wenn auf von der jW exklusiv erbrachte Informationen oder Skandale, die sie angestoßen hat, in größeren Presseerzeugnissen Bezug genommen wird, dann häufig ohne explizite Nennung des Namens dieser in der DDR als Zentralorgan der FDJ entstandenen Publikation. Das Massenpublikum soll so wenig wie möglich darüber wissen, daß es eine täglich erscheinende linke Alternative auf dem Markt der Printprodukte gibt. Der Zeitgeist driftet nach rechts, bürgerliche Politikerinnen und Politiker haben kaum noch Berührungsängste, in der Neuen Rechten zugehörigen Presseorganen wie der jungen Freiheit zu publizieren, aggressiver Nationalismus gehört gerade in den besten Kreisen noch und wieder zum guten Ton - da wird linken Stimmen, die diese Position in Anspruch nehmen und auch füllen, nichts geschenkt.

Ökonomische Probleme waren denn auch der hauptsächliche Anlaß für den Auftritt des Verlagsleiters, Andreas Hüllinghorst, und Ingo Höhmann, Leiter des Aktionsbüro der jungen Welt, in einer eigenen Veranstaltung auf der Literaturmesse. Dem Publikum, zu dem auch einige Aktivistinnen und Aktivisten, die sich aus eigenem Engagement heraus um die Verbreitung der Zeitung kümmern, zählten, wurde ein ausführlicher Einblick in die ökonomische Entwicklung der jungen Welt gewährt. So schilderte Hüllinghorst die seit vielen Jahren positive Entwicklung der Auflage, die das Blatt zusammen mit der Süddeutschen Zeitung zur Ausnahme von der Regel der teilweise rasant einbrechenden Auflagen auf dem Tageszeitungsmarkt macht. Den meisten Titeln kommt nicht nur die Leserschaft abhanden, da heranwachsende Generationen meist elektronische Medien für die tägliche Informationsaufnahme bevorzugen, sondern auch die Werbekunden wandern zusehends in soziale Netzwerke ab.

Diese Probleme sind allgemein bekannt und führen bei Printprodukten, die ihre redaktionelle Gestaltung strikt nach der betriebswirtschaftlichen Bilanz ausrichten, zu Rationalisierungsmaßnahmen, die das inhaltliche Angebot nach Art einer unaufhaltsamen Spirale nach unten ausdünnen. Wenn mehrere Redaktionen zur Erstellung einer übergreifenden Mantel-Ausgabe zusammengelegt werden, der lokale und regionale Redaktionen nur noch ihre ortsspezifische Berichterstattung hinzufügen, dann schlägt sich der ohnehin gegebene Opportunismus einer an mehrheitsfähigen Positionen orientierten Berichterstattung in einer die Vielfalt vorhandener Titel unterlaufenden Uniformität des Presseangebots nieder. Wenn die elektronische Suche nach Berichten über spezifische Ereignisse im Netz seitenweise identische Überschriften erbringt, dann ist das nicht nur das Ergebnis des Abdruckens unveränderten Materials von Nachrichtenagenturen, sondern auch des Eindampfens vorhandener Redaktionen nach Maßgabe maximalen Outputs von vielseitig verwendbarem Content.

Die bis heute marxistisch orientierte, antifaschistische und sozialistische junge Welt hält dem ein inhaltliches Profil entgegen, dessen Unverwechselbarkeit die Frage nach der Leserbindung eigentlich obsolet macht. Ihr Problem liegt, wie Hüllinghorst erklärte, vor allem in der Rentabilität, also der Deckung der laufenden Kosten und der Erwirtschaftung eines finanziellen Manövrierraums, der auch zusätzliche Ausgaben für die Verteuerung von Produktions- und Distributionskosten, für gerichtlich verhandelte Streitfälle, mit denen oppositionelle Zeitungen wie diese regelmäßig überzogen werden, die Einrichtung neuer Stellen für die Online-Ausgabe und bislang unzureichend abgedeckter Bereiche der Berichterstattung oder die Weiterentwicklung des vor vier Jahren eingeführten Redaktionssystems möglich macht. So wurde im April ein zweiter Druckstandort in Süddeutschland aufgebaut, um die südlichen Bundesländer und das deutschsprachige Ausland besser mit der täglichen Ausgabe versorgen zu können.

Da die junge Welt bei einer Auflage von zuletzt 19.400 Exemplaren und einem eher konsumkritisch eingestellten Publikum nicht auf den bei anderen Zeitungstiteln üblichen Schnitt von mindestens zwei Drittel werbefinanzierter Einnahmen kommt und daher auf die regelmäßigen Einkünfte durch Abonnenten angewiesen ist, steht das Bekanntmachen der Zeitung und Werben neuer Abokunden im Mittelpunkt der Kampagne, die Verlag und Redaktion zur Sicherung des Erhalts der Zeitung führen. Ingo Höhmann stellte die Arbeit des dreiköpfigen Aktionsbüros vor und schilderte im Detail, wie viel Mühe es macht, um bei Aboaktionen auch dauerhafte Leserinnen und Leser zu gewinnen. Entscheidend sei der persönliche Kontakt und das politische Profil der Zeitung gerade auch für Jugendliche, die im antikommunistischen Klima des Landes und einem dementsprechenden Geschichtsunterricht schnell merken, daß die junge Welt ihnen eher unvertraute Positionen vertritt. Das Blatt im persönlichen Gespräch vorzustellen und ihre inhaltliche Gewichtung zu erklären, so Höhmann auch an das Publikum in Nürnberg gewandt, sei zentral für ihre Verbreitung und den positiven Rückfluß bei Abo-Aktionen.

Mehrere hundert Unterstützerinnen und Unterstützer im Bundesgebiet wie der Schweiz und Österreich sind daran beteiligt, Probeexemplare der jungen Welt etwa bei Demonstrationen und auf linken Veranstaltungen zu verteilen. Die Arbeit, für die andere Zeitungen Hilfskräfte bezahlen, verrichten sie, weil sie eine linke Tageszeitung nicht missen wollen und wissen, was ihr Verlust für die politische Landschaft der Bundesrepublik bedeutete. Wenn am 1. Mai oder auf den großen Anti-TTIP-Demonstrationen mehrere tausend Exemplare kostenlos unter die Leute gebracht werden, dann wird eine kritische Masse erreicht, die zwar nicht zu einer Auflagenexplosion, aber doch stetig zunehmenden Abonnentenzahlen führt.

Daß dies nicht möglich wäre, wenn auf die politische Position der jungen Welt kein Verlaß wäre, liegt auf der Hand und wurde von den beiden jW-Vertretern bestätigt. Es handle sich im redaktionellen Umgang etwa mit Gewerkschaften oder der Linkspartei auf alle Fälle um ein Sach- und kein Strategieverhältnis, meint Hüllinghorst auf die Frage des Schattenblicks, wie groß die Auswirkungen des Versuchs, einer bestimmten Klientel zu entsprechen, auf die redaktionelle Linie seien. So schloß er eine Einbindung der jungen Welt in die Strategie Rot-Rot-Grün kategorisch aus, wiewohl er bestätigte, daß man auf sachbezogene Weise natürlich auch Interviews mit Politikerinnen und Politikern der Linkspartei mache, die einer solchen Regierungsbeteiligung positiv gegenüberstehen. Auch Höhmann legt Wert auf Konsequenz in der Sache, wie er beispielhaft an der eindeutigen Parteinahme für Jugoslawien nach dem Überfall der NATO auf das Land 1999 oder die provokante Ansage der jungen Welt zur geschichtspolitischen Verarbeitung des Mauerbaus der DDR [1] erläuterte. Wie beide Beispiele zeigen, ist Kontinuität in der Frage gesellschaftspolitischer Kritik nicht nur der "Markenkern" der jungen Welt, ohne den sie gegenstandslos würde, sondern sie sorgt überdies bei denjenigen, die die Zeitung machen, dafür, über den bloßen Broterwerb hinaus Mut zu fassen für einen Kampf, der das Auseinanderfallen von Arbeit und Leben, also den fremdbestimmten Charakter des Berufs, in die Schranken weist.


Mit den Printprodukten des Verlages 8. Mai GmbH - Foto: © 2016 by Schattenblick

Andreas Hüllinghorst, Sandra Beier und Ingo Höhmann am Stand der jungen Welt
Foto: © 2016 by Schattenblick

Diskurs und Erkenntnis - Gewaltverhältnisse auf den Begriff bringen

Auf einer außerordentlichen Vollversammlung der Linke Presse Verlags-, Förderungs- und Beteiligungsgenossenschaft junge Welt eG (LPG), die den Verlag 8. Mai GmbH, der neben der jungen Welt auch noch die Zeitschrift Melodie und Rhythmus (M&R) [2] herausgibt, wurden Beschlüsse zur Refinanzierung der Zeitung gefaßt. Sie erwecken zumindest in der Darstellung des Treffens [3] den Eindruck, als sei eine aus wirtschaftlichen Gründen unumgängliche Einstellung der beiden Printprodukte vorerst abgewendet. Die Krise der jungen Welt als bloßes Symptom des allgemeinen Niedergangs gedruckter Presserzeugnisse zu verstehen wäre allerdings zu kurz gegriffen. Schon die journalistische Unabhängigkeit, die die Struktur aus der knapp 2000 Mitglieder umfassenden Genossenschaft und dem Verlag sicherstellt, hebt das Blatt aus dem Wald in ganz anderen Dimensionen alimentierter Presseprodukte heraus.

Doch auch genossenschaftliche Finanzierungsmodelle sind keine Garanten dafür, daß eine Zeitung dauerhaft gegen den Strom schwimmt, wie das Zentralorgan des grün-bourgeoisen Kapitalismus, die taz , belegt. Die über 16.000 Mitglieder der taz.genossenschaft, die über ein Eigenkapital von mehr als 12 Millionen Euro verfügt und derzeit in prominenter Lage an der Berliner Friedrichstraße das "taz Haus als Kapitalanlage und Vermögensbildung" [4] baut, bieten der Tageszeitung erhebliche finanzielle Rückendeckung, die sie politisch nicht einmal benötigt. Als Durchlauferhitzer für Karrieren in den wichtigsten Redaktionen der Republik und lodengrüner Moderator des deutschen Imperialismus zeigt das aus der linksalternativen Szene Berlins hervorgegangene Blatt analog zum Aufstieg der Grünen in die Zentralen der Macht, daß die Presse sich auch damit bescheiden kann, nichts als ein Gewerbe zu sein.

An dieser Gesellschaft teilzuhaben betrifft immer auch ihren imperialistischen Vollzug, wie der Weg der taz zum affirmativen und durchprofessionalisierten Verlautbarungsorgan eines grünen Biedermeiers zeigt. Der Mangel, sich kritisch mit der kapitalistischen Verwertungssordnung und ihrem globalen Beutezug auseinanderzusetzen, ist dem Aufstieg aggressiv nationalistischer und kulturkämpferischer Kräfte wie Pegida und AfD adäquat. Die fortschreitende multidimensionale Krise des kapitalistischen Weltsystems nimmt im Aufschwung rechter Kräfte dies- und jenseits des Atlantiks wie der anwachsenden Kriegsgefahr in Europa bedrohlich Gestalt an. Dabei kann die Aufgabe linker Publizistik nur bedingt darin liegen, sich an der Propaganda der Herrschenden abzuarbeiten, bedeutet das doch allzuoft, einem an apparativer und institutioneller Bemittelung weit überlegenen Apparat auf Dauer hinterherzuhecheln.

Wo die massenmediale Verstärkung politischer Macht auf eine Weise überlegen ist, daß jedes Aufbegehren Gefahr läuft, in die Defensive gedrängt zu werden und nicht mehr aus ihr herauszukommen, ist auch eine mit "Wahrheit" und "Lüge" kodifizierte Kommunikation nicht immer hilfreich. Den Zumutungen und Irreführungen vorzugreifen durch die schonungslose Analyse und Kritik auch der eigenen Anteile an den Schuldkomplexen und Belohnungsritualen klassengesellschaftlicher Zurichtung erscheint gerade dann geboten, wenn selbst herrschaftskritische Positionen von Vorbehalten und Mutmaßungen bestimmt sein können, die mitunter in identitätspolitischen, um nicht zu sagen kleinbürgerlichen Abgrenzungsritualen und Gesinnungsnormen grotesker Art hervortreten. All das im Rahmen journalistischer und publizistischer Arbeit ausführlich zu debattieren und nachdringlich zu durchdringen, um dem sozialen Widerstand Linie und Richtung zu geben, ist schon aufgrund der instrumentellen Totalität massenmedialer Indoktrination dringend erforderlich.


Fußnoten:

[1] http://www.schattenblick.de/infopool/politik/kommen/herr1618.html

[2] http://www.schattenblick.de/infopool/d-brille/report/dbri0028.html

[3] https://www.jungewelt.de/2016/11-21/016.php

[4] http://www.taz.de/!136479/


Berichte und Interviews zur 21. Linken Literaturmesse in Nürnberg im Schattenblick unter
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BERICHT/059: 21. Linke Literaturmesse - und nicht vergessen ... (1) (SB)
BERICHT/060: 21. Linke Literaturmesse - und nicht vergessen ... (2) (SB)
BERICHT/061: 21. Linke Literaturmesse - und was wirklich geschah ... (SB)
BERICHT/062: 21. Linke Literaturmesse - Triumph der Verkennung (SB)
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13. Dezember 2016


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