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MARKT/015: Milchstreik in Europa hat Preisanstiege mit angekurbelt (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 327 - November 2009
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Milchstreik in Europa hat Preisanstiege mit angekurbelt

Bestimmte Marktbeobachter versuchen, Erfolge der Milchbauern abzuwiegeln.
Molkereien noch zögerlich bei Auszahlung

Von Berit Thomsen


Auf dem Weltmilchmarkt sollen die Zeichen auf Aufschwung stehen. Die Nachfrage steige vorsichtig. Saisonale Angebotshöhepunkte seien überschritten. Der katastrophale Milchpreis sei dabei, wie von selbst die Talsohle zu durchschreiten. Auch wenn nicht alle Argumente von der Hand zu weisen sind, wird von interessierter Seite damit versucht zu verhindern, die Markterholung als Erfolg des jüngsten und in dieser Form ersten Milchbauernaufstands in Europa sichtbar werden zu lassen. In der Zeit vom 10. bis zum 24. September haben mehrere Zehntausend Milchbauern in verschiedenen europäischen Ländern ihre Milch nicht an die Molkereien geliefert. Nach Angaben des European Milk Board (EMB) sind 500 Millionen Liter Milch zurückgehalten worden. Davon allein die Hälfte in Frankreich.


Erste Erfolge der Marktbereinigung

Der Tagesmilchpreis (Spotmarkt) für den Milchhandel zwischen den Molkereien hat deutlich angezogen. Anfang des Jahres sind in Deutschland noch 13 Cent und weniger je Kilogramm Milch bei 3,7 Prozent Fett gezahlt worden. "Das spiegelt wieder, wie viel Druck auf dem Markt war", sagt ein Marktbeobachter eines großen Tagesmilchanbieters in Europa, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. In der letzten Augustwoche, nur zwei Wochen vor dem Streik, wurden in Norddeutschland 22,5 Cent gezahlt. In Süddeutschland liegt der Spotmilchpreis immer etwa zwei Cent höher. Kurz vor Redaktionsschluss und nach dem Milchstreik wird die Milch zwischen den Molkereien für etwa 30 Cent gehandelt. Die Angebotsmenge auf dem Spotmarkt tendiere fast gegen Null, so der Marktbeobachter.

Die Molkereien geben die Preissteigerung nur verhalten an ihre Lieferanten weiter. In Bayern etwa hat die Bayerische Milchindustrie eG (MEG Nordbayern) ihren Grundpreis im September um einen Cent auf 22,15 erhöht bei 3,7 Prozent Fett und 3,4 Prozent Eiweiß. Ein größerer Preisanstieg ist bei keiner Molkerei in Süddeutschland zu verzeichnen. So verhält sich auch Deutschlands größte Molkerei Nordmilch eG, die ihren Lieferanten im September 22 statt wie im August 21 Cent ausgezahlt hat. Nur wenige Molkereien im Norden gaben wenigstens zwei Cent mehr weiter. Weitere Preisanstiege um einige wenige Cent sind angekündigt. Eine deutliche Streikwirkung lässt sich bei der Biomolkerei Söbbeke nicht abstreiten. Aus Kreisen der Milchlieferanten heißt es, dass rund 70 Prozent der Biobauern im Schnitt drei Tage lang ihre Milch anders verwertet haben, statt zu liefern. Söbbeke hat den Milchpreis im September um rund vier Cent angehoben. Die Bauern haben also errungen, dass die Molkerei ihre Auszahlungspreise wenigstens an den bundesweiten Durchschnittspreis für Biomilch von 37,1 Cent (September) angepasst hat. Für die Monate Oktober und November hat Söbbeke bereits 38 Cent zugesagt.

In Frankreich zum Beispiel hat die Milch am Spotmarkt während des Streiks 40 Cent erreicht, in Österreich mehr als 35 Cent, in den Niederlanden etwas darunter. In allen Ländern haben die Molkereien die Auszahlungspreise nur geringfügig, meist unter zwei Cent, angehoben.


Wirkung auf den Weltmarkt

Motivation für die Molkereien, ihre Auszahlungspreise anzuheben, sollte außerdem die Preisentwicklung für einige Molkereiprodukte sein. In Deutschland ist nach Daten für Milchdauerwaren Kempten (ex ZMP) der Preis für Butter lose im 25 kg Block schrittweise von 2.250 Euro die Tonne im August auf 3.300 Euro (21. Oktober) gestiegen. Für Magermilchpulver bekommen die Molkereien statt noch 1.700 Euro im August jetzt 2.050 Euro pro Tonne. Dass diese Preisanstiege vom Weltmarkt ausgehen sollen, wie einige Marktbeobachter behaupten, ist allerdings fragwürdig. Zwar haben dort die Preise ebenfalls angezogen, allerdings liegen sie weit unter dem Niveau der EU. Ende August wurde Butter für umgerechnet etwa 1.480 Euro pro Tonne gehandelt und Mitte Oktober schon für 1.860 Euro (Dollarkurs per 13.10.). Magermilchpulver kostete vor dem Streik 1.430 Euro und jetzt 1.870 Euro.

Der Weltmarktanteil für Milch, der im Jahr 2008 repräsentativ gerade mal 6,6 Prozent der weltweit produzierten Milch ausmachte, ist nach wie vor klein. Die EU beliefert rund ein Drittel des Weltmarktes, auch mit gedumpten, exportsubventionierten Produkten. Im Juli enden aussagekräftige Exporterhebungen. Bis dahin ist im "Marktbericht Milch Oktober 2009" des Milchindustrieverbands (MIV) zu erkennen, dass die Exporte aus der EU 27 für Butter um 2,1 Prozent und für Magermilchpulver um 6,3 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gesunken sind. Der Weltmarktpreis konnte gewiss auch deswegen reagieren und ist von Frühjahr bis August für Butter um 170 Euro die Tonne und für Magermilchpulver um 130 Euro gestiegen.

In Neuseeland, dem größten Exporteur auf dem Weltmarkt, haben sich die Milchpreise mit dem Weltmarktpreis ebenfalls erholen können. In den USA hingegen, die nur einen kleinen Teil des Weltmarkts bedienen, sind die Preise in den letzten Wochen weiter eingebrochen. Der Preis für Butter ist von umgerechnet 1.820 Euro die Tonne im August auf 854 Euro (14. Oktober) gesunken und für Magermilchpulver von 1.410 auf 790 Euro die Tonne. Die in den USA mit Prämien bezuschusste Abschlachtung von 187.710 Kühen - ähnlich wie es der Deutsche Bauernverband von der Politik gefordert hat, sich aber nicht durchsetzen konnte - hat den Preisverfall nicht aufhalten können.


Notwendige Angebotsreduzierung

Im April stieg gemäß AMI (Agrarmarkt Informations-GmbH) die Milchanlieferung in der EU-27 um 1,5 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Mit Ausnahme von Frankreich (minus 1,9 Prozent) haben wichtige Erzeugerländer mehr Milch an die Molkereien geliefert. In Deutschland, dem größten Milchproduzenten in der EU, haben laut der ZMB (Zentrale Milchmarkt Berichterstattung) die Milcherzeuger im Zeitraum von April bis August noch mal deutlich zugelegt und nach Fettkorrektur 4,7 Prozent mehr Milch geliefert als im Vorjahreszeitraum. Sind die Daten des Marktforschungsunternehmen Gfk einigermaßen korrekt, dann ist gegenüber dem Vorjahr die private Nachfrage in Deutschland von Januar bis September für Konsummilch um 1,6 Prozent gesunken, für Quark um 0,9 Prozent, für Joghurt um 4,5 Prozent, für Käse um 0,4 Prozent und lediglich für Butter um 3,8 Prozent gestiegen.

Großer Druck geht von den Interventionslagern aus. Dort befinden sich EU-weit gut 76.600 t Butter und annähernd 267.800 t Magermilchpulver, letzteres macht fast ein Drittel der EU-Jahresproduktion aus. Es ist davon auszugehen, dass in den nächsten Monaten daraus wieder Mengen auf den Markt gebracht werden.

Dass im EU-Agrarrat jüngst beschlossen worden ist, die Intervention bis Februar 2010 zu verlängern, zeigt, dass sich die Politik nicht sicher ist, dass die Märkte im Aufwärtstrend sind. Dafür spricht auch, dass Russland erstmals im Frühjahr 2010 Interventionen im Umfang eines Milchäquivalents von 300.000 Tonnen plant, um u.a. den "Verfall der Ankaufspreise für Rohmilch" zu verhindern, wie in der Agra-Europe am 19.10. zu lesen ist.


Fazit

Verfehlte politische Instrumente zur Milchmengenausdehnung haben die Milchbauern in Europa soweit in die Verzweiflung getrieben, in Eigenregie Milchmengen vom Markt zu nehmen. Diese Marktbereinigung hat mit zu den erstaunlichen und dringend notwendigen Preisanstiegen geführt, von denen die Molkereien noch am meisten profitieren. Sie sind aber wieder in der Lage, ihre Lieferanten von dem Mehrgewinn profitieren zu lassen und rasch die Auszahlungspreise deutlich zu erhöhen.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 327 - November 2009, S. 12
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Dezember 2009