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MARKT/040: EU-Milchpolitik in Diskussion (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 345 - Juni 2011
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

EU-Milchpolitik in Diskussion
Bündelungsgrenzen, Vertragsgestaltung und die Rolle der EU-Kommission

Von Sonja Korspeter (European Milkboard)


Wir müssen die Entscheidung verschieben, so lautete die Nachricht aus Straßburg nachdem die Diskussionen um den Milchbericht des irischen Abgeordneten James Nicholson zu keinem Ergebnis geführt hatten. Dieser Bericht kommentiert die Gesetzesvorschläge der EU-Kommission zu einer Reform des Milchmarktes, die im Dezember 2010 veröffentlicht worden waren.


Sinnvolle Bündelungsgrenzen

Martin Häusling, von den europäischen Grünen: "Die Vorschläge gehen sehr weit auseinander. Statt wie bisher den Fokus auf Verträge für Milcherzeuger zu legen, müssen wir über die Rahmenbedingungen für eine effektive Erzeugerbündelung und die Einführung einer Monitoringstelle diskutieren und zu einem guten Ziel bringen." Sinnvolle Bündelungsobergrenzen, von ca. 30 Prozent auf EU-Ebene und 75 Prozent auf nationaler Ebene werden schwer zu erreichen sein. Gerade an diesem Punkt zeige sich Berichterstatter Nicholson nicht kompromissbereit. Offenbar haben manche EU-Parlamentarier Sorgen, dass deutsche und französische Erzeugerorganisationen zukünftig zu viel Einfluss am Milchmarkt gewinnen könnten. Angesichts von Molkereiunternehmen wie Friesland-Campina in den Niederlanden mit 85 Prozent Marktanteil und Arla Foods in Dänemark mit 95 Prozent Marktanteil und der deutlich schwächeren Position der Milcherzeuger erscheint diese Sorge unbegründet.

Für Frau Jeggle von der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) sind die Stärkung der Position der Erzeuger und eine erhöhte Transparenz am Milchmarkt die Hauptaspekte: "Insbesondere die kleinen landwirtschaftlichen Betriebe dürfen nicht benachteiligt werden, sondern müssen in die Position kommen, faire Verträge mit den Molkereien (und Genossenschaften) aushandeln zu können." Der ebenfalls konservative Richard Ashworth von den europäischen Konservativen und Reformisten aus Großbritannien dagegen will, dass Milchviehbetriebe verstärkt wachsen und in Verarbeitungsbetriebe investieren. Dadurch könnten sie zukünftig auf Augenhöhe mit den Molkereien verhandeln. Kleine Betriebe gehören seiner Einschätzung nach bald der Vergangenheit an. In die Diskussion um eine Sonderstellung der Genossenschaften ist offenbar Bewegung gekommen. Viele Parlamentarier haben erkannt, dass ein Großteil der heutigen Genossenschaften das Interesse ihrer Mitglieder nur noch bedingt vertreten und deshalb auch in Genossenschaften organisierten Milcherzeugern die Mitgliedschaft in unabhängigen Erzeugerorganisationen ermöglicht werden muss. "Genossenschaften dürfen keinen Sonderstatus erhalten. Hier in Belgien haben wir zum Beispiel eine Genossenschaft, bei der das französische Unternehmen Lactalis 51 Prozent der Anteile hält. Damit ist sie keine Erzeugerorganisation, sondern eine Molkerei, die Teil eines weltweit agierenden Unternehmens ist." sagt Marc Tarabella von der Fraktion der Sozialisten und Demokraten, "Ich bin dafür, dass Verträge für private wie für genossenschaftliche Molkereien verpflichtend sind und Preisfestlegungen enthalten, die die Produktionskosten berücksichtigen." Doch seien Verträge für die Stärkung der Position der Erzeuger nur von Bedeutung, wenn es Möglichkeiten der Regulierung der Milchmenge gebe.


EMB-Forderung

Aus Sicht der Milcherzeuger des European Milkboard (EMB) gehören Rahmenbedingungen, die den Erzeugern eine ausreichende Bündelung ermöglichen aber auch Transparenz bezüglich der durchschnittlichen Produktionskosten und der Marktentwicklung unbedingt zu einer effektiven Milchpolitik der EU. Ziel muss sein, dass Erzeuger über unabhängige Erzeugerorganisationen kostendeckende Preise für ihre Milch verhandeln können. Eine europäische Monitoringstelle kann den Rahmen für einen Interessenausgleich zwischen Verbrauchern, Milcherzeugern und Milchindustrie bieten und absichern, dass das gesellschaftliche Interesse einer nachhaltigen Versorgung mit qualitativ hochwertiger Milch respektiert wird. Bis Ende Juni werden noch viele Gespräche stattfinden, um aus den vielfältigen Sichtweisen einen Kompromiss zu erarbeiten. Ob dieser die Position der Milcherzeuger am Markt stärken wird, läßt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 345 - Juni 2011, S. 6
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juli 2011