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MARKT/055: Von der Marktordnung zur Erzeuger-Bündelung (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 350 - Dezember 2011
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Von der Marktordnung zur Erzeuger-Bündelung
Reform-Vorschlag der EU-Kommission zur Marktordnung bietet Erzeugergemeinschaften große Chancen

von Ulrich Jasper


Im Rahmen der anstehenden Reform zur EU-Agrarpolitik hat die EU-Kommission auch für die gemeinsame Marktorganisation der EU einen Verordnungsentwurf vorgelegt ("Verordnung Einheitliche GMO").

Die vielleicht wegweisendsten Vorschläge darin beziehen sich auf die Rechte der Erzeuger, sich am Markt zu bündeln. Die Kommission will alle Mitgliedsstaaten verpflichten, Erzeugerorganisationen sowie Vereinigungen solcher in so gut wie allen landwirtschaftlichen Erzeugungsbereichen anzuerkennen und damit zuzulassen, sobald Erzeuger das beantragen und bestimmte Bedingungen eingehalten werden. Das ist zwar in Deutschland mit dem Marktstrukturgesetz bereits geltendes Recht, und das Marktstrukturgesetz geht über den Vorschlag der Kommission zum Teil noch weit hinaus. Aber in vielen anderen EU-Ländern haben Bauern diese Rechte bislang nicht.


Nach Bedarf erzeugen

Als Ziele, von denen anerkannte Erzeugerorganisationen mindestens eines verfolgen müssen, nennt die Kommission u.a.:

- Sicherstellung einer planvollen, nachfragegerechten Erzeugung, insbesondere im Hinblick auf Menge und Qualität,
- Bündelung des Angebots und Vermarktung der Erzeugung der Mitglieder,
- Optimierung der Produktionskosten und Stabilisierung der Erzeugerpreise,
- Förderung umweltgerechter Erzeugungsverfahren.

Die Erzeugerorganisationen dürfen dabei "keine marktbeherrschende Stellung auf einem bestimmten Markt einnehmen, es sei denn, eine, marktbeherrschende Stellung ist erforderlich, um die Ziele der EU-Agrarpolitik, die im EU-Vertrag (Art. 39) festgelegt sind, zu erreichen.



Branchenverbände

Ebenso wie Erzeugergemeinschaften sollen auch Branchenverbände von den Mitgliedsstaaten anerkannt werden müssen. In Branchenverbänden sind neben Erzeugern auch Verarbeiter und Vermarkter eines Erzeugnisses organisiert, was anders als etwa in Frankreich und Spanien in Deutschland keine Tradition hat. Sie sollen vor allem für mehr Markttransparenz sorgen, z.B. durch Veröffentlichung von Statistiken über Preise und Mengen sowie von Analysen möglicher künftiger Marktentwicklungen. Sie sollen aber auch Standardverträge ausarbeiten und Maßnahmen ergreifen können, um das Erzeugungspotenzial besser ausschöpfen zu können. Darunter könnte auch zu verstehen sein, dass z.B. die Milcherzeugung in bestimmten Regionen nicht aufgegeben wird, weil damit Produktionspotenziale brach fallen würden. Als weitere mögliche Tätigkeitsfelder nennt die Kommission die Verbesserung der (Prozess-)Qualitäten und die Absatzförderung insbesondere in Drittländern. Ausdrücklich untersagen will die Kommission den Branchenverbänden die Festsetzung von Preisen und Quoten.


Verbindlich für alle?

Welche Bedeutung die Kommission den Erzeugergemeinschaften und Branchenverbänden für die Zukunft beimisst, lässt sich an einem weiteren Vorschlag erkennen. Denn die Kommission sieht ausdrücklich vor, dass die Mitgliedsstaaten bestimmte Beschlüsse von repräsentativen Erzeugergemeinschaften oder Branchenverbänden auf deren Antrag hin auch für Erzeuger bzw. Verarbeiter und Vermarkter, die nicht Mitglied in den Organisationen sind, als rechtlich allgemeinverbindlich erklären können. Das hebelt die Bedeutung der Erzeugergemeinschaften erheblich.

Als repräsentativ gilt eine Erzeugerorganisation bzw. -vereinigung dann, wenn ihr mindestens 50 Prozent der Erzeuger der betreffenden Erzeugnisse angehören und wenn die von ihr gebündelte Erzeugungsmenge mindestens 66 Prozent umfasst (bei Obst und Gemüse 60 Prozent).

Die Beschlüsse von repräsentativen Organisationen, die als allgemeinverbindlich erklärt werden können, dürfen nur bestimmte Inhalte betreffen. Dazu zählen: Meldung der Erzeugungsmenge und Marktgegebenheiten, Erstellung von Musterverträgen, Vermarktung, Maßnahmen zur Ausschöpfung des Erzeugungspotenzials, Mindestnormen für Erzeugungsweisen und Qualitäten, Verwendung von zertifiziertem Saatgut, Umweltschutz.

Solche Allgemeingültigkeitserklärungen kennt das deutsche Marktstrukturgesetz bisher nicht. Das Bundesministerium lehnt diesen Vorschlag strikt ab.


Milchpaket aufgenommen

Zur Milch führt der Verordnungsvorschlag Näheres aus, da die Kommission ihre Vorschläge des so genannten "Milchpakets" vom Dezember 2010 in den Text übernommen hat. Demnach sollen Mitgliedsstaaten für Milcherzeuger und Molkereien eine Pflicht einführen können, dass Milch nur noch nach vorherigem Abschluss eines schriftlichen Vertrages geliefert bzw. abgenommen werden darf. Solche Verträge müssen dann Liefermenge, Laufzeit und Erzeugerpreis festlegen oder zumindest die konkreten Faktoren der Berechnung benennen. Für Molkereigenossenschaften sieht die Kommission aber eine Ausnahme von dieser Vertragspflicht vor, sofern die Satzung der Genossenschaften ähnliche Regelungen vorsieht. In Deutschland sind über zwei Drittel Milch in der Molkereigenossenschaften gebunden.

Die Verträge sollen auch von Erzeugergemeinschaften mit den Molkereien ausgehandelt werden können, sofern die Rohmilchmenge, über die die betreffende Erzeugergemeinschaft verhandelt, folgende Grenzen nicht überschreitet: 3,5 Prozent der EU-Menge (d.h. ca. 4,5 Mrd. kg/Jahr), 33 Prozent der gesamten Erzeugung in dem bzw. in den betroffenen Mitgliedsstaaten (für Deutschland allein bedeutet das theoretisch ca. 9,6 Mrd. kg, aber die vorne stehende EU-Grenze von 3,5 Prozent greift hier vor). Diese Grenzen beziehen sich nur auf die Menge, für die eine Erzeugerorganisation Verträge mit Molkereien aushandelt. Bündeln darf die Erzeugerorganisation deutlich mehr Milch.


Erfolg der Milchbauern

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Vorschläge der Kommission den Erzeugern große Spielräume eröffnen können. Das ist ein deutlicher Erfolg der Milchbauernbewegung, wie sie im Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) bzw. im European Milk Board (EMB) organisiert ist. Um die Spielräume nutzen zu können, müssen sie nun nicht nur gegenüber dem EU-Parlament und vor allem dem Ministerrat verteidigt werden, sondern auch durch eine konsequente Bündelung der Erzeuger ausgefüllt werden. Die Arbeit hört nie auf.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 350 - Dezember 2011, S. 5
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Februar 2012