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GRENZEN/030: Migration - Menschenrechtsgruppen fordern Schließung von spanischen Auffanglagern (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. Februar 2012

Migration: Menschenrechtsgruppen fordern Schließung von spanischen Auffanglagern

von Inés Benítez

Außenmauer eines Auffanglagers für Migranten in Malaga - Bild: © Inés Benítez/IPS

Außenmauer eines Auffanglagers für Migranten in Malaga
Bild: © Inés Benítez/IPS

Málaga, Spanien, 20. Februar (IPS) - Die spanische Regierung will die Lebenssituation in den zwölf Auffanglagern für Migranten verbessern, nachdem der Tod zweier Insassen massive Kritik ausgelöst hat. Menschenrechtsorganisationen fordern die Schließung der Zentren.

"Wir begrüßen die Bereitschaft der Regierung, dass sie die von uns geforderten Reformen umsetzen will", meinte Mamen Castellano, die Präsidentin der unabhängigen Organisation 'Andalucía Acoge', im Gespräch mit IPS. "Dennoch bestehen wir auch weiterhin darauf, dass die Lager geschlossen werden."

Innenminister Jorge Fernández hatte die Reformpläne am 31. Januar angekündigt. Vor allem in den Auffanglagern in den südspanischen Städten Algeciras und Málaga soll es deutliche Veränderungen geben.


NGO-Netzwerk dokumentierte Menschenrechtsverstöße

Ausländer, die keine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung für Spanien haben, können bis zu 60 Tage lang in den Zentren festgehalten werden. 'Migreurop', ein Netzwerk aus europäisch-afrikanischen Nichtregierungsorganisationen, hat in dem im Dezember 2011 veröffentlichten Bericht 'Centros de Internamiento de Extranjeros en España. Derechos Vulnerados' (Internierungszentren für Ausländer in Spanien. Verletzte Rechte) dokumentiert, wie Grundrechte von Insassen der Auffanglager in Malaga, Algeciras, Madrid und Barcelona verletzt werden.

Bei den Auffanglagern handele es sich, anders als im spanischen Recht vorgesehen, eindeutig um Haftanstalten, obwohl die Menschen, die dort festgehalten werden, keine Verbrechen begangen hätten, heißt es in dem Report. Internierungen sollten eigentlich die Ausnahme bleiben, würden stattdessen jedoch vorbeugend vorgenommen, so Castellano.

Gemäß den spanischen Einwanderungsgesetzen müssen Immigranten ohne Aufenthaltsgenehmigung nicht zwangsläufig in die Lager überstellt werden. Alternativ können die Behörden Pässe einziehen oder die Betroffenen verpflichten, sich einmal in der Woche bei einem Richter zu melden. Castellano zufolge darf ein kleines Verwaltungsvergehen nicht zu einem Verlust der Freiheit führen.

Salva Lacruz von der Spanischen Kommission für Flüchtlingshilfe (CEAR) in Valencia hält die neuen Regeln zwar für einen Schritt in die richtige Richtung, jedoch nicht für eine Lösung des Problems. Sie äußerte Bedauern darüber, dass eine Schließung der Auffanglager von der Regierung nicht in Betracht gezogen werde.

Nach Ansicht von Lacruz haben der Tod der beiden Einwanderer und der Bericht von Mireurop "inakzeptable" Schwachstellen offengelegt und eine Reaktion der im Dezember vereidigten Mitte-Rechts-Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy "erzwungen".

Wenige Tage nach dem Amtsantritt des Kabinetts starb am 19. Dezember die 41-jährige Samba Martine aus der Demokratischen Republik Kongo im Lager Aluche in Madrid an Meningitis. Der 21-jährige Ibrahim Sissé aus Guinea starb am 5. Januar aller Wahrscheinlichkeit nach an einem Herzinfarkt.

Der Migreurop-Report kritisiert zudem, dass sich die Lager in Malaga und Algeciras in einem miserablen Zustand befinden. In der Vergangenheit seien diese Gebäude als unbewohnbar eingestuft und daher nicht einmal als Gefängnisse genutzt worden, heißt es in dem Bericht. Gesundheit und Sicherheit der Insassen seien gefährdet.


Lager in Málaga für Polizeieinheit unzumutbar

Aus diesem Grund wurde die lokale Hundeeinheit der Polizei von Malaga aus dem Lager an einen anderen Ort verlegt. Den Immigranten werden die Zustände jedoch weiterhin zugemutet. Am 22. Dezember billigte der Stadtrat von Malaga einstimmig einen Vorschlag der Fraktion der Vereinigten Linken, das Gebäude zum Abriss freizugeben.

Auch Andalucía Acoge ist der Ansicht, dass die Lager in Malaga und Algeciras abgerissen werden müssten. Gemeinsam mit CEAR Valencia, SOS Racismo, 'Médicos del Mundo' (Ärzte der Welt) und anderen Menschenrechtsorganisationen hat Andalucía Acoge eine Kampagne gegen die Auffanglager begonnen.

Unter dem Slogan 'Nein zu Gefangenenlagern für Immigranten' werde die Schließung solcher Einrichtungen in Spanien und anderen europäischen Ländern gefordert, sagte Lacruz. Die zivilgesellschaftlichen Organisationen beschweren sich darüber, dass die ethnische Herkunft bei Identitätskontrollen in ganz Europa eine Rolle spielt.

Ein Gericht in Valencia geht unterdessen einer Beschwerde mehrerer Migranten nach, die in dem dortigen Auffanglager festgehalten werden. Sie gaben an, von Polizisten geschlagen und erniedrigt worden zu sein.

Für die Sicherheit, die Gesundheitsversorgung und die Mahlzeiten für die Immigranten in diesen Zentren ist die Polizei verantwortlich, der auch die finanzielle Verwaltung obliegt. In spanischen Gefängnissen ist die Polizei hingegen nur für die Sicherheit zuständig.


Polizei soll nur noch für Sicherheit zuständig sein

Die von dem Innenminister angekündigten Reformen sehen vor, den polizeilichen Einsatz in den Lagern auf Sicherheitsaufgaben zu begrenzen. Die Insassen sollen von einem "spezialisierten Team" betreut werden. Menschenrechtsgruppen wie SOS Racismo gehen diese Schritte jedoch nicht weit genug.

Nach statistischen Erhebungen der Kommunen vom Januar 2011 stammen 42 Prozent der Einwanderer in Spanien aus anderen europäischen Staaten, 30 Prozent aus Lateinamerika und 23 Prozent aus Afrika. Die übrigen kommen aus Asien. Trotz der Wirtschaftskrise in Spanien und anderen EU-Ländern war die Zahl der Zuwanderer, die beim Grenzübertritt keine Papiere vorweisen konnten, nach Angaben des Innenministeriums 2011 um 50 Prozent höher als im Vorjahr. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:
http://www.mir.es/extranjeria-28/regimen-general-189/centro-de-internamiento-de-extranjeros-208
http://www.acoge.org/
http://www.migreurop.org/?lang=de
http://www.cear.es/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=100116
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=106782

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 20. Februar 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Februar 2012