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DILJA/036: Wachablösung - Troika im Diskurs? (SB)


Junger Wein in alten Schläuchen?

EU-Parlament fordert die Abschaffung der Troika zugunsten eines neu zu schaffenden Europäischen Währungsfonds



Die sogenannte Troika, bestehend aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB), ist in den in Schuldknechtschaft stehenden, zumeist südeuropäischen EU-Staaten denkbar schlecht angesehen und so verhaßt, daß ihre Repräsentanten bei ihren Kontrollbesuchen auf Personenschutz angewiesen sind. Die Kritik an der Troika bzw. den Institutionen, die sie im Frühjahr 2010 kurzfristig eingesetzt haben, reißt nicht ab und kommt in erster Linie, aber nicht nur, aus betroffenen Ländern wie Griechenland. Dort wird die im Gegenzug zu den gewährten oder in Aussicht gestellten Krediten dem Land aufgezwungene Spar- und sogenannte Reformpolitik verantwortlich gemacht für die große, in den zurückliegenden Jahren dieses Krisenmanagements massiv angewachsene Not der Menschen.

Innerhalb der Europäischen Union sind diese Vorwürfe nicht ungehört geblieben, wenngleich es nicht die EU-Kommission als eine der drei Institutionen, die ihre Finanzentscheidungen von den jeweiligen Troika-Berichten abhängig machen, ist, die sich kritisch mit den sozialen Folgen dieser Politik zu befassen bereit ist. Im Dezember vergangenen Jahres hat das EU-Parlament damit begonnen, die Arbeit der Troika zu bewerten. Im Wirtschafts- und Währungsausschuß dieses Parlaments wurde am 24. Februar ein Bericht angenommen, dessen Autoren eine ungewöhnlich deutliche und harsche Kritik an der Troika, die für die Rezession und die hohe Arbeitslosigkeit mitverantwortlich gemacht wird, formuliert haben. Die Maßnahmen, die die Krise bekämpfen sollten, so heißt es in dem Bericht, hätten zumindest kurzfristig die soziale Ungleichheit in den betroffenen Ländern erhöht, die von ihr empfohlene Austeritätspolitik hätte die wirtschaftliche Abwärtsspirale in Südeuropa verschärft. [1]

Einen Neuigkeitswert weisen diese noch moderat formulierten Feststellungen nicht auf. Um zu der Einschätzung zu gelangen, daß die Troika-Politik dem Wohle der Bevölkerungen der sogenannten Maßnahmenländer extem abträglich ist, genügt ein Blick in die Suppenküchen Griechenlands. In den zuständigen Ausschüssen des EU-Parlaments wird insofern bestenfalls das Offensichtliche konstatiert, was im Vorfeld der am 25. Mai bevorstehenden EU-Wahlen die Frage aufwirft, ob Abgeordnete oder auch bestimmte Fraktionen wohl deshalb den Zeitpunkt als günstig erachten, das von ihnen zuvor mitgetragene Krisendiktat wegen seiner katastrophalen sozialen Folgen zu kritisieren.

Am vergangenen Donnerstag wurden zwei Initiativberichte zur Arbeit der Troika, erstellt vom Wirtschafts- und vom Beschäftigungsausschuß, im EU-Parlament vorgelegt und zur Abstimmung gebracht. Zuvor trugen die jeweiligen Berichterstatter ihre Ergebnisse im Plenum vor und begründeten ihre Kritik. Der österreichische EU-Abgeordnete Othmar Karas von der konservativen ÖVP bemängelte im Bericht des Wirtschaftsausschusses die fehlende Rechtsgrundlage der Troika. [2] Ein weiterer Berichterstatter dieses Ausschusses, Liem Hoan Ngoc, ein sozialistischer Abgeordneter aus Frankreich, machte geltend, daß eine demokratische Kontrolle der Troika durch das EU-Parlament fehle. [3] Diese Kritik ist nicht neu. Schon zu Jahresbeginn hatte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble dem entgegengehalten, eine solche Kontrolle sei unnötig, da die Troika nur Empfehlungen aussprechen würde. [4]

Der spanische sozialistische Abgeordnete Alejandro Cercas, Berichterstatter des Beschäftigungsausschusses, hatte den Troika-Bericht über die sozialen Auswirkungen betreut. Vor der Abstimmung im EU-Parlament, das sich am vergangenen Donnerstag mit einer überwältigenden Mehrheit von 488 zu 144 Stimmen für die Annahme des Berichts entschied, hatte Cercas ausgeführt, wie die Anpassungsprogramme seiner Auffassung nach verändert werden sollten. Unterschriebene Tarifverträge dürften nicht ignoriert, die Mindestlöhne nicht eingefroren werden. Renten sollten nicht unter die Armutsgrenze fallen, Unterkünfte müßten bezahlbar bleiben, der Zugang zu wichtigen medizinischen und pharmazeutischen Produkten sollte nicht eingeschränkt werden. [5] Der Appell-Charakter dieser Aufzählung vermag kaum darüber hinwegzutäuschen, daß hier im Grunde eine Scharade aufgeführt wird, so als wüßten die verantwortlichen Politiker nicht, welche sozialen, wirtschaftlichen und politischen Folgen ihre per Troika-Diktat durchgedrückte Austeritätspolitik nach sich zieht.

Anfang Januar soll sich der französische Berichterstatter Ngoc bei seinem Besuch in Griechenland gegenüber der griechischen Zeitung "Ethnos tis Kyrikis" in deutlichen Worten zur Troika-Politik geäußert haben. Demnach kritisierte er den Machtransfer von den nationalen Regierungen auf "unkontrollierte und illegale Staatsbeamte" und forderte die Abschaffung der Troika. Befragt nach der Wirksamkeit der Anpassungsprogramme erklärte er, "es wäre ein hoher Grad an Paranoia erforderlich um zu dem Schluss zu kommen, die Fortsetzung dieser Politik könnte zukünftig ein anderes Resultat haben". [6] Auch Alejo Cercas, Berichterstatter des EU-Parlamentsausschuß für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten, soll die Troika massiv kritisiert haben. In einem Interview im Februar sprach er davon, daß die Memoranden in den Ländern, in denen sie umgesetzt werden, einen "gesellschaftlichen Tsounami" verursachten. Die Troika agiere "eher wie ein Schlachter als ein Chirurg", so Cercas, der der EU und der Euro-Gruppe vorwarf, so gehandelt zu haben, "als ob Europa ein Gläubiger-Club wäre". [7]

Erklärungen dieser oder ähnlicher Art sind selbstverständlich geeignet, bei den von der Troika- bzw. EU-Politik betroffenen Menschen den Eindruck zu erwecken, die EU-Parlamentarier hätten ein echtes Verständnis für ihre Situation und würden nun alles daran setzen, um eine Zäsur herbeizuführen. Aufschlußreicher als die keineswegs unzutreffenden Feststellungen, die in den beiden Parlamentsausschüssen erarbeitet und in dem Troika-Bericht vom EU-Parlament am 13. März angenommen wurden, dürften jedoch die Schlußfolgerungen sein, die seitens der EU-Abgeordneten daraus gezogen werden. Othmar Karas, Vizepräsident des EU-Parlaments und einer der Autoren des vom Wirtschaftsausschuß erstellten Berichtes, hatte schon im Januar den Standpunkt vertreten, daß bei einer Umstrukturierung der Troika deren parlamentarische Kontrolle durch das EU-Parlament am wichtigsten sei. Ihm scheint daran gelegen zu sein, die auch von ihm offenbar für notwendig und unverzichtbar gehaltenen Sparmaßnahmen sozialverträglicher zu gestalten, hatte er doch am 16. Januar 2014 in einer Pressemitteilung erklärt [8]:

Selbst wenn die Spar- und Konjunkturmaßnahmen in den Krisenländern mit parlamentarischer Kontrolle vielleicht gar nicht so sehr anders ausgesehen hätten, wäre doch die Einbindung der Bevölkerung und die öffentliche Akzeptanz der Maßnahmen viel größer.

Die wenn auch zum Teil harsch formulierte Kritik des EU-Parlaments an der Troika gipfelt in der Forderung nach deren schrittweiser Abschaffung. Mit einer tatsächlichen Emanzipation der ans Gängelband gelegten europäischen Armutsstaaten dürfte dies allerdings nicht einhergehen, soll doch nach Auffassung der Straßburger Abgeordneten an die Stelle der Troika ein "Europäischer Wirtschaftsfonds" (EWF) treten. Dieser Fonds soll auf der Grundlage des Gemeinschaftsrechts agieren und mit der EU-Kommission kooperieren. Die anderen beiden Auftraggeber der Troika würden ebenfalls mit im Boot bleiben. So soll der Europäischen Zentralbank eine Beraterfunktion übertragen werden, während der IWF leicht marginalisiert "als letztbereiter Kreditgeber" nur beteiligt werden soll, wenn dies "unbedingt notwendig" sei. [2]

Da im IWF die USA über den größten Stimmenanteil verfügen, könnte dieser Vorschlag als Versuch der EU gewertet werden, den möglichen Einfluß Washingtons auf das Krisenmanagement in Europa zurückzudrängen. Mit einer Befreiung der betroffenen Staaten und ihrer Bevölkerungen aus der Schuldknechtschaft der durch die Troika repräsentierten Institutionen ist der jüngste Vorstoß des EU-Parlaments ohnehin kaum zu verwechseln, steht doch zu bzweifeln, daß diese Kritik, mag sie auch aus Sicht Betroffener ansprechend formuliert worden sein, auf etwas anderes als jungen Wein in alten Schläuchen hinauslaufen wird.


Fußnoten:

[1] http://www.zeit.de/wirtschaft/2014-02/troika-euro-krise-kritik-eu/komplettansicht

[2] http://www.sueddeutsche.de/politik/abschlussbericht-eu-parlament-will-troika-abschaffen-1.1911472

[3] http://www.taz.de/EU-Parlament-kritisiert-Troika/!134772/

[4] http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2014/01/06/schaeuble-nimmt-troika-gegen-griechische-kritik-in-schutz/

[5] http://www.europarl.europa.eu/news/de/news-room/content/20140306STO37813/html/Troika-Berichterstatter-fordern-effiziente-und-sozial-faire-Politik

[6] http://www.griechenland-blog.gr/2014/01/griechenland-troika-ist-ausser-kontrolle-und-illegal/86901/

[7] http://www.griechenland-blog.gr/2014/02/troika-agierte-in-griechenland-wie-ein-schlachter/94541/

[8] http://www.othmar-karas.at/de/presseaussendungen.php?id=1051&jahr=

17. März 2014