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LAIRE/062: Erkennungsdienstliche Behandlung aller Italiener (SB)


Ganz Italien soll Antreten zur Abnahme von Fingerabdrücken


Während die schwedische Regierung eine Totalüberwachung der Bevölkerung beschlossen hat, in Großbritannien elektronische Fußfesseln eine immer breitere Anwendung finden und sich deutsche Sicherheitsbehörden hinter der abweisenden Fassade eines architektonischen Ungetüms verschanzen wollen, kocht die italienische Regierung ihr eigenes "Sicherheits-Süppchen". Anstatt nach der heftigen Kritik wegen der umfangreichen erkennungsdienstlichen Behandlung von Kindern und Erwachsenen der Volksgruppe der Roma und Sinti von diesem Vorhaben abzulassen, will die Regierung offensichtlich die Diskriminierung einer bestimmten Gruppe innerhalb der Bevölkerung Italiens dadurch aufheben, daß sie die gesamte Bevölkerung diskriminiert.

Der Finanzausschuß des italienischen Abgeordnetenhauses hat am 16. Juli Gelder für eine Kampagne ab dem Jahr 2010 freigegeben, bei der allen Einwohnern Fingerabdrücke abgenommen werden sollen. Der Fingerabdruck, der früher ein eindeutiges Signum für eine Verbrechenskartei war, wird nun von den Behörden von allen Bürgern als Zeichen ihrer Unterwerfungsbereitschaft eingefordert. Der Abdruck soll auf den Personalausweisen und bei den Meldebescheinigungen neben dem Paßbild erscheinen. Das italienische Parlament muß dem Vorhaben noch zustimmen.

Unterdessen setzt Innenminister Roberto Maroni die erkennungsdienstliche Behandlung von Roma und Sinti weiter fort, obgleich der Europarat, das Europäische Parlament, die römisch-katholische Kirche und verschiedene Menschenrechtsgruppen das Vorgehen aufs schärfste kritisieren.

Die Vorgänge in Schweden, Großbritannien, Italien und anderen europäischen Ländern betreffen auch Deutschland unmittelbar, umgekehrt gilt, daß die Sicherheitspolitik der Bundesregierung alle andern EU-Mitglieder angeht. Denn im Rahmen des Integrationsprozesses der Europäischen Union werden immer jene Mitglieder die Vorgaben liefern, welche die schärfsten nationalen Gesetze erlassen haben. Es wird nicht dazu kommen, daß Italien die Erfassung und Datenbank-Verwaltung der Roma und Sinti aufgibt, weil ein anderer Staat dagegen Bedenken hegt. Der Trend wird in die umgekehrte Richtung gehen, Länder wie beispielsweise Slowakei oder Rumänien werden eigene Datenbanken aufstellen oder vorhandene Datenbestände mit den italienischen abgleichen.

Am Ende dieser Entwicklung könnte eine europaweite Datenbank stehen, für die dann vermutlich als Feigenblatt des Datenschutzes eine Anti-Diskriminierungsstelle eingerichtet wird, die darüber wachen soll, daß mit den Informationen kein Mißbrauch betrieben wird ... dabei stellt die Datenbank an sich bereits den Mißbrauch der persönlichen Angaben dar. Nur weil andere Länder längst beschlossen haben, biometrische Kennzeichen ihrer Einwohner erfassen zu wollen, bedeutet das nicht, daß dies kein Innovationsschub für die italienischen Sicherheitsstrukturen bedeutet. Um wessen Sicherheit es geht, hat übrigens Silvio Berlusconi erst vor kurzem trefflich unter Beweis gestellt, als er ein Gesetz durchboxte, das ihn von der Strafverfolgung befreit hat.

18. Juli 2008