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ITALIEN/003: Gefährlicher Rechtsruck bei Wahlen in Italien (Gerhard Feldbauer)


Gefährlicher Rechtsruck bei Wahlen in Italien

Neuwahlen nicht ausgeschlossen

von Gerhard Feldbauer, 27. Februar 2013



Die Parlamentswahlen in Italien haben das befürchtete Patt zwischen Mitte Links und Rechts gebracht. Das Bündnis Bersanis von der Demokratischen Partei (DP) mit der Linkspartei Umwelt und Freiheit (SEL) erreichte nach den amtlichen Ergebnissen im Parlament mit zirka 31 Prozent den ersten Platz, kam jedoch im Senat, der zweiten Kammer, mit 113 Mandaten nur auf den 2. Platz. Hier erreichte Ex-Premier Silvio Berlusconi mit der rassistischen Lega Nord mit 116 Sitzen Platz Eins, im Parlament mit über 29 Prozent Platz Zwei. Die Liste des bisherigen Übergangspremiers Mario Monti kam im Parlament abgeschlagen auf 10,5 Prozent. Er wurde, so die meisten Pressestimmen, für seinen EU-verordneten Sparkurs abgestraft. Auch ging die Kalkulation, Monti mit den früheren Bündnispartnern Berlusconis, der von dem vorherigen Führer der AN-Faschisten, Gianfranco Fini, mit "geläuterten" Parteigängern gebildeten Partei Zukunft und Freiheit (FEL) und der Union Demokratischer Christen (UDC) den Rücken zu stärken, nicht auf. Die UDC sackte von 6,7 Prozent 2008 auf 1,8 ab und Finis FEL kam sogar nur auf 0,5 Prozent. Mit 25,5 Prozent erreichte die chaotische 5-Sterne-Bewegung des Starkomikers Beppe Grillo einen spektakulären dritten Platz, im Senat 54 Sitze.

Bersani erhält nach dem unter Berlusconi eingeführten undemokratischen Wahlgesetz im Parlament als Sieger 340 Sitze (54 Prozent) und kann Ministerpräsident werden. Monti hatte ihm bereits vor der Wahl eine Regierungsbeteiligung zugesagt. Im Senat, der allen Gesetzen und Dekreten der Regierung zustimmen muss, ist der DP-Chef jedoch auf die Stimmen Berlusconis oder Grillos angewiesen. Ein Zusammengehen mit dem faschistoiden Mediendiktator dürfte ausgeschlossen sein. Grillo hatte Bersani vor der Wahl zwar auch abgelehnt, inzwischen aber, wie die "Repubblica", Sprachrohr der DP, verlauten ließ, Gespräche angeboten. Der Starkomiker, der im Siegestaumel "das Ende aller Politiker" in den nächsten Monaten ankündigte, will inzwischen - zumindest in Teilfragen - kooperieren. Damit könnte Mitte Links auch im Senat eine - wenn auch wacklige - Mehrheit erhalten. Große Enttäuschung herrscht unter den beiden KP (PRC und PdCI), die hofften, in der Koalition Rivoluzione Civile (Bürgerliche Revolution) den Wiedereinzug ins Parlament zu schaffen. Das Bündnis blieb unter zwei Prozent und scheiterte damit an der Vier-Prozent-Sperrklausel.

In Berlin und Brüssel gibt man sich schockiert über das Comeback Berlusconis, der neben haltlosen Wahlversprechen mit Steuersenkungen und der Schaffung von drei Millionen Arbeitsplätzen demagogisch den von ihm in drei Regierungen selbst praktizierten Sozialabbau Montis scharf attackierte und Stellung gegen Berlin und Brüssel bezog. Dabei wird vergessen, dass Berlusconi dort einst salonfähig gemacht wurde. Ex-Kanzler Kohl von der CDU feierte damals den Regierungsantritt des faschistoiden Mediendiktators als einen "historischen Augenblick" und schwadronierte vom "gemeinsamen Aufbau der Demokratie" mit Berlusconis Faschisten und Rassisten. Die ständige Einmischung der Merkel-Regierung in die italienischen Wahlen - in letzter Minute wurde sogar ein Mitte Links-Sieg mit Wohlwollen bedacht - nützte Berlusconis "antideutschen" Angriffen.

In Italien wirkte die von Berlin beförderte Verharmlosung der von Berlusconi ausgehenden faschistischen Gefahr, auf die der Aufruf von Intellektuellen wie Nobelpreisträger Dario Fo, Umberto Eco oder Nanni Moretti vor den jetzigen Wahlen erneut warnend verwies, sich auf die Meinungsbildung aus. Das Thema spielte auch diesmal in der Wahlkampagne keine Rolle. Obwohl Berlusconi sich mit seinem Bekenntnis zu "guten Taten" des "Duce" die meisten Stimmen der früheren AN-Faschisten (2008 waren es zirka 12 Prozent) sicherte und das Bündnis mit der Rassistischen Lega Nord erneuerte, wurde er auch in Bersanis PD und der römischen "Repubblicca" unverändert als Centro destra (Rechtes Zentrum) verharmlost. Hinzu kam, dass von Mitte Links und auch dem amtierenden Übergangspremier Monti nichts unternommen wurde, das reaktionäre Wahlgesetz Berlusconis durch ein wenigstens bürgerlichen Ansprüchen genügendes zu ersetzen. In der DP spekulierte man, davon zu profitieren, was nun im Senat daneben ging. Erneut konnte der Mediendiktator beim Stimmenfang auch sein Fernsehmonopol von drei Privatsendern einsetzen, das zu begrenzen und zu kontrollieren ebenfalls nichts getan wurde.

In Mitte Links sind hektische Konsultationen im Gange, ob Bersani eine Regierungsbildung wagen oder der Weg sofortiger Neuwahlen eingeschlagen werden sollte. Die Erörterungen sind von der Furcht geprägt, ein erneuter Wahlgang könnte die Situation weiter verschlechtern. Berlusconi hat Neuwahlen bereits abgelehnt. Über sie entscheidet jedoch Staatspräsident Giorgio Napolitano, dessen Amtszeit im Mai abläuft. In den letzten sechs Monaten darf er die Kammern ohnehin nicht mehr auflösen. Dass sich Napolitano ausgerechnet in dieser prekären Lage zum Staatsbesuch in die deutsche Hauptstadt aufmachte, wird in Rom übrigens als mehr als deplatziert gesehen.

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Quelle:
© 2013 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Februar 2013