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ITALIEN/013: Sozialdemokraten erfolgreich bei Bürgermeisterwahlen in Italien (Gerhard Feldbauer)


Sozialdemokraten erfolgreich bei Bürgermeisterwahlen in Italien

In Rom faschistischer Amtsinhaber abgewählt

von Gerhard Feldbauer, 12. Juni 2013



Beim Ballotagio, der Stichwahl zu den Kommunal- und Bürgermeisterwahlen am vergangenen Wochenende in Italien, hat die Demokratische Partei (PD), ihren Spitzenplatz behauptet und stellt in allen 16 Großstädten und der Mehrheit der Gemeinden den Bürgermeister und die meisten Stadtverordneten. Obwohl nur in 563 Städten und Gemeinden rund fünf Millionen zur Wahl gerufen waren, wird das Ergebnis als eine Abfuhr für die Partei Volk der Freiheit (PdL) Berlusconis aber auch die Ablehnung der von der PD mit ihr eingegangenen Regierungskoalition gesehen. Deutliches Zeichen der PD-Sieg in Rom, wo die Sozialdemokraten den populären Chirurgen Ignazio Marino ins Rennen schickten, der dem bisherigen Amtsinhaber, Giovanni Alemanno, einen der übelsten Faschisten, eine schwere Niederlage beibrachte. Der international renommierte Mediziner am Transplantationszentrum in Cambridge, Professor in Pittsburgh und Philadelphia, der 2002 die erste Lebertransplantation an einem Patienten durchführte, der heute noch lebt, erreichte 63,9 Prozent. Jahrgang 1955, seit 2006 Senator, gehörte der frühere Linksdemokrat 2007 zu den Mitbegründern der heutigen PD.


Von der "Duce"-Enkelin Alessandra Mussolini gefeiert

Der abgewählte Alemanno aus der PdL des Mediendiktators hatte bei seinem Einzug ins Capitol 2008 noch 53,7 Prozent Stimmen erhalten. 2001 bis 2006 Minister Berlusconis, war er viele Jahre Leiter der Jugendfront Gioventu der Mussolininachfolgerpartei MSI, der Kaderreserve der schwarzen Terrorbanden, und eng mit den Naziskins (wie sich die Skinheads in Italien nennen) liiert. Nach seiner Wahl ließ er sich von Tausenden Faschisten mit der "Duce"-Enkelin Alessandra Mussolini an der Spitze, auch sie eine Favoritin Berlusconis, mit Führergruß und Siegheil-Rufen feiern. Seine ersten Amtshandlungen waren die Verherrlichung des langjährigen MSI-Führers und Mussolini-Staatssekretärs Giorgio Almirante, der einen Genickschusserlass gegen Partisanen erlassen hatte, und rassistische Angriffe auf Sinti- und Roma-Lager vor der Hauptstadt.


Abfuhr für Berlusconi

Alemannos Abwahl ist symptomatisch für die Abfuhr, die Berlusconis PdL erhielt. Belegte sie bei den Parlamentswahlen in der Abgeordnetenkammer noch den zweiten Platz hinter der PD und kam im Senat auf ein Patt mit ihr, erhielt sie jetzt nur in drei Städten über zehn Prozent. Eine Niederlage erlitt Berlusconi auch in seiner Heimatstadt Mailand. Während die PD-Basis so ihren Unmut über das Zusammengehen mit dem wegen Steuerbetrug und Bestechungsaffären zu einer Gefängnisstrafe verurteilten Ex-Premier ausdrückte, erklärte Ministerpräsident Letta (PD) im Interview für die "Repubblica" vom Sonntag jetzt, das zunächst als "Regierung auf Zeit" ausgegebene Kabinett über die volle fünfjährige Legislatur führen zu wollen und verstieg sich dazu, es als "Regierung der breiten Übereinstimmung" und einer "Revolution" zu feiern. Damit würden, so Meinungen in Rom, erneut die Chancen einer Abkehr vom Bündnis mit Berlusconi verspielt.


Grillos M5S von Wählern abgestraft

Auf dem absteigenden Ast befindet sich auch die Protestbewegung Cinque Stelle (Fünf Sterne - M5S) Beppe Grillos. Ihr Kandidat kam in Rom im ersten Wahlgang abgeschlagen auf 12,8 Prozent. Insgesamt hat M5S gegenüber 22,5 Prozent bei den Parlamentswahlen über die Hälfte seiner Wähler verloren und erreichte in den meisten Städten und Gemeinden nicht einmal zehn Punkte. Grillos Anhänger dürften sich bei einer Wahlbeteiligung von 62,4 Prozent vor allem unter die Nichtwähler begeben haben.

Als Ursache wird vor allem die Enttäuschung gesehen, dass Grillo mit der Ablehnung einer PD-Regierung nicht nur deren Koalition mit Berlusconis PdL Vorschub leistete, sondern auch die Rechten in der PD stärkte. Aus Protest gegen diesen Kurs haben zwei Abgeordneten M5S verlassen. Grillo reagierte mit wütenden typisch anarchistischen Attacken auf das Parlament, das er eine "leere Schachtel" nannte, das sich auflösen sollte. Gleich mehrere Politiker, darunter die Parlamentspräsidentin Laura Boldrin (PD), verglichen die Äußerungen mit Parolen Mussolinis und Hitlers bei der Beseitigung dieses wichtigen Elements parlamentarischer Demokratie.


Ex-Premier droht neues Urteil

Inzwischen schwelt die juristische Auseinandersetzung mit Berlusconi weiter. Gegen den Ex-Premier, der im Mai wegen Steuerbetrugs in Millionenhöhe und weiterer Delikte in zweiter Instanz bereits zu vier Jahren Haft verurteilt wurde, hat die Staatsanwaltschaft in Palermo die Eröffnung eines weiteren Verfahrens angekündigt. Er soll einen Senator zum Wechsel in seine PdL mit drei Millionen Euro bestochen und damit 2008 den Sturz der Mitte Links-Regierung bewerkstelligt haben.

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Quelle:
© 2013 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juni 2013