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ITALIEN/025: Berlusconi vor dem Ende (Gerhard Feldbauer)


Berlusconi vor dem Ende

Seine Partei ist gespalten

von Gerhard Feldbauer, 7. Oktober 2013



Das politische Ende des 2011 als Regierungschef entmachteten reichsten Kapitalisten und Medienmonopolisten Italiens, Silvio Berlusconi, scheint nun auch für ihn als dem eigentlichen Machthaber in seiner Partei Volk der Freiheit (PdL) zu kommen. Nachdem sein Versuch, die Regierung unter Enrico Letta von der Demokratischen Partei (PD) zu stürzen, am Widerstand in der PdL gescheitert ist, musste der Ex-Premier eine weitere Schlappe einstecken. Der Immunitätsausschuss des Senats empfahl am 4. Oktober dem Plenum, den wegen Steuerbetrug und Richterbestechung rechtskräftig zu vier Jahren Haft verurteilten Berlusconi auszuschließen. Darüber will die zweite Kammer des Parlaments bis Mitte Oktober befinden.


"Corriere della Sera": Ära Berlusconi geht zu Ende"

Italienische Zeitungen stellten heraus, dass der Sozialdemokrat Letta seinen Sieg über Berlusconi vor allem seinem Vizepremier und PdL-Sekretär Angelino Alfano verdankt, der zur Stimmabgabe für die Regierung aufrief und nach dem Votum mit den Abweichlern eine eigene Fraktion bildete. Damit sei die Spaltung der PdL eingeleitet. Der als rechtsliberal geltende Mailänder "Corriere della Sera", hielt fest, dass mit seiner "politischen und persönlichen Niederlage" die Ära Berlusconi "zu Ende geht". Ähnlich die Turiner "Stampa", die "den Zusammenbruch des Imperiums Berlusconis" vermerkte. Es sei "vorbei mit dem großen Chef", schrieb die Fiat-Zeitung, die als ein Sprachrohr der in Opposition zu dem Medienmonopolisten stehenden Kapitalkreise gilt, und stärkte Alfano den Rücken.


Krise in PdL hält an

Berlusconi versuchte, zu retten, was noch zu retten ist und "die Spaltung aufzuhalten". Eine in Rom angekündigte Protestkundgebung seiner Anhänger gegen die "Verräter" sagte er ab. Während der Fraktionschef im Senat, Fabrizio Schifani, mit dem Ausschluss der Abtrünnigen drohte, rief er nach einem Treffen mit Alfano zur "Einheit der Partei" auf und versprach, deren Führung Alfano zu überlassen. Einen von diesem geforderten außerordentlichen Parteitag lehnte er jedoch ab.


Witz des Tages: Berlusconi will Sozialarbeit leisten

Als "Witz des Tages" wird es in Rom gehalten, dass der für seinen jahrzehntelangen brutalsten Abbau sozialer Leistungen bekannte Berlusconi jetzt einen Antrag auf Leistung von Sozialarbeit beim Mailänder Gericht stellen will. Das würde bedeuten, dass er das dort über ihn verhängte Urteil von vier Jahren Haft wegen Steuerbetrugs und Richterbestechung de facto anerkennt. Die Heuchelei wird deutlich, wenn er gleichzeitig weiter behauptet, unschuldig bestraft worden zu sein. Von der vierjährigen Strafe sind ihm bereits drei erlassen. Ins Gefängnis muss der 77jährige nicht, er kann zwischen Hausarrest und Sozialarbeit wählen. Für Letzteres hat er sich, wie in Rom angenommen wird, in der Erwartung entschieden, dass Staatspräsident Napolitano ihm das erlassen wird. Dazu müsste er jedoch ein Gnadengesuch einreichen, was er bisher ablehnt.

Inzwischen ist deutlich geworden, dass die Abtrünnigen, deren Zahl mit 100 Abgeordneten und Senatoren angegeben wird, mit dem 43jährigen Alfano an der Spitze weiter reichende Ziele verfolgen. Der aus Sizilien stammende studierte Jurist kam aus der alten Democrazia Cristiana (DC), die 1992 im Korruptionssumpf unterging. Seit Berlusconi 1994 seine Partei Forza Italia, die heutige PdL, bildete, war er an seiner Seite und zuletzt von 2008-2011 sein Justizminister, der ihm die Gesetze ausarbeitete, mit denen er sich in Dutzenden Strafverfahren einer Verurteilung entzog. Zum Kronprinzen und engsten Vertrauten aufgestiegen, setzte ihn Berlusconi 2011 als PdL-Vorsitzenden ein (Wahlen sind in der Partei nicht üblich). Er stand mit nicht wenigen Spitzenleuten bisher hinter Berlusconi, weil ohne diesen ein Zerfall der PdL befürchtete wurde. In Kenntnis, dass Berlusconi wegen tatsächlich begangener schwerer Straftaten rechtmäßig verurteilt wurde, diese aber halsstarrig leugnet, wachsen unter diesen Politikern die Bedenken, der Medientycoon werde mit seinem unaufhaltsamen Sturz die Partei mit in den Abgrund reißen. Als tiefer gehendes politisches Ziel der "Tauben" genannten Abweichler wird auf der Linken gesehen, dass sie die PdL vom Odium des Faschismus, das Berlusconi mit seiner Bewunderung für Hitler und Mussolini immer verbreitete, loskommen und der Partei ein "moderates" Outfit verschaffen wollen.


Abfuhr für neue Forza Italia

Dem entspricht auch, dass die Alfanianer, wie "La Repubblica" schrieb, nach einer Beratung die von Berlusconi verfolgte Neukonstituierung der PdL unter ihrem Gründernamen Forza Italia als "extremistisch" ablehnten. Stattdessen wollen sie die PdL nach dem Modell der EVP und in Anlehnung an die frühere DC in eine neue Mitte Rechts-Partei umwandeln. Dazu soll die noch bestehende DC-Nachfolgepartei Unione Democratici Cristiani (UDC) zum Beitritt gewonnen werden. Auf die Einheitsappelle Berlusconis entgegnete Alfano, entweder nehmen alle an der Umwandlung teil, oder "Wir gehen den Weg allein". Den Absturz Berlusconis und seiner Anhänger bestätigen Meinungsumfragen der renommierten Stiftung "Atlante politico der Republik", nach denen die PdL bei Wahlen auf 20 Prozent absinken würde (im Mai des Jahres noch knapp 30), während der PD ein Anstieg auf 32 Prozent (im Mai 30 Prozent) vorausgesagt wird. Auf die Führung der PdL zugeschnitten sind 18 Prozent noch für Berlusconi, während sich 30 für Alfano aussprechen.


Keine Rückkehr zu Berlusconis Proporzsystem

Premier Letta geht gestärkt aus der Auseinandersetzungen mit dem Ex-Premier hervor und erklärte, wie "La Repubblica" am Montag schrieb, zum "Ventenio" Berlusconis gebe es keine Rückkehr. Das ist ein versteckter Vergleich mit Mussolini, dessen 20jährige Diktatur (1922 bis 1943) "Il Ventenio" (die 20 Jahre) genannt wurde. Die Zeitung meint weiter, damit wachse auch die um die PD vereinte Linke Mitte wieder an, was von der Linkspartei Umwelt und Freiheit (SEL), die sich nicht mehr dazu zählt, bezweifelt wird. Alfano, bescheinigt das Sprachrohr der PD "eine starke Führerschaft" in der PdL. Nach einem Treffen mit ihm erklärte Letta, es bestehe Übereinstimmung mit der PdL einen Bipolarismus herzustellen. Dazu schwebt der PD das System der beiden großen US-Parteien (Republikaner und Demokraten) als Modell vor. Neben den Fragen des Kampfes gegen die Rezession wollen Letta und Alfano jetzt an die Ausarbeitung eines neuen Wahlgesetzes gehen, in dem es "keine Rückkehr zum (von Berlusconi eingeführten) Proporzsystem" geben werde.

Alfano tendiert aber offensichtlich zu einer Übereinkunft mit Berlusconi und seinen Anhängern. Hier darf nicht vergessen werden, dass die sogenannte politische herrschende Klasse Berlusconi Dank schuldet, dass er in seinem "Ventenio" der linken eine schwere Niederlage beibrachte, über die sie schwer hinwegkommt. Um die Wogen zu glätten, sprach sich Alfano denn auch dafür aus, der Senat möge Berlusconi seinen Sitz in der zweiten Kammer lassen. Dazu scheint es jedoch keine Chancen zu geben, womit die Geste Alfanos mehr einem Manöver gleicht. Fest steht, dass es in der PdL nicht so wie bisher bleiben wird und die kommenden Wochen tiefgreifende innerparteiliche Auseinandersetzungen bringen dürften.

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Quelle:
© 2013 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Oktober 2013