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ITALIEN/047: Korruptionsskandal erschüttert Italien (Gerhard Feldbauer)


Korruptionsskandal erschüttert Italien

Ein von Ex-Premier Berlusconi hinterlassener Sumpf

35 Verdächtige verhaftet

von Gerhard Feldbauer, 14. Juni 2014



Italien wird, wie "La Repubblica", "Unita", "Coriere della Sera" und andere Medien in den vergangenen Tagen berichteten, von einem Korruptionsskandal bisher unbekannten Ausmaßes erschüttert. Zwei Generäle der Guardia di Finanza (in Italien die Oberste Steuerbehörde), darunter der Vize-Chef, wurden verhaftet. In Venedig wurden 35 Verdächtige - zu ihnen zählt der Bürgermeister der Lagunenstadt, Giorgio Orsoni, sowie Manager und hochrangige Politiker - festgenommen, unter ihnen der frühere Minister Berlusconis, Claudio Scajola, und sein einstiger Staatssekretär, Gianni Letta. Es geht zusammengerechnet um Milliarden Euro an Bestechungsgeldern, unterschlagenen Steuern und veruntreuten öffentlichen Geldern, darunter bei Riesenprojekten wie der Mailänder Expo 2015, dem Bau des Hochwasserschutzabwehrsystems Modulo Sprimentale Elettromeccanico (Mose) in Venedig oder bei Strecken für Hochgeschwindigkeitszüge. In Venedig seien von Unternehmern Wahlspenden an Parteien gezahlt worden. Bürgermeister Orsoni soll 110.000 Euro kassiert haben. Am Freitag meldete die Nachrichtenagentur ANSA seinen Rücktritt.


Mafiaverbrechen, Drogengeschäfte und Bandenkriminalität wurden von Berluconi straffrei gestellt

Es handelt sich, wie hervorgehoben wird, um einen von dem 2011 zum Rücktritt gezwungenen Ex-Premier Berlusconi hinterlassenen Korruptionssumpf, in dem der Medienmilliardär und Mitglieder seiner Regierungen bis zum Hals mit drin steckten. Die Anfang der 1990er Jahre von der Ermittlungsgruppe der Mailänder Staatsanwälte Mane pulite (Saubere Hände) unter Leitung Antonio Di Pietros (später Gründer der Partei der Werte Italiens (IdV)) eingeleiteten rund 5000 Korruptionsverfahren hatte Berlusconi mit Regierungsdekreten niedergeschlagen, womit auch Mafiaverbrechen, Drogengeschäfte und Bandenkriminalität straffrei gestellt wurden. Nachdem er sich während seiner Regierungszeit verfassungswidrig selbst jeder Strafverfolgung entzog, wurde er 2012 erstmals in letzter Instanz rechtskräftig wegen Steuerbetrugs und Bestechungspraktiken in Millionenhöhe zu vier Jahren Haft verurteilt, von denen er derzeit ein Jahr im Sozialdienst verbüßt (drei Jahre wurden ihm wegen seines Alters von 77 Jahren erlassen). Der engste Vertraute Berlusconis, der Rechtsanwalt Marcello Del Ultri, der für den Ex-Premier Mafia-Beziehungen unterhielt, wurde deswegen in erster Instanz zu sieben Jahren Haft verurteilt und floh nach Beirut. Wie "Repubblica" am Freitag berichtete, ist er jetzt ausgeliefert und nach Rom zurückgebracht worden.


Gallionsfigur Ex-Präsident von Veneto, Giancarlo Galan, von der Lega Nord

Gallionsfigur des Korruptionsskandals ist der frühere Minister Berlusconis und Präsident der Region Veneto, Giancarlo Galan, von der Lega Nord, der, wie "Unita" enthüllte, "eine mafiose Cupola" (Kopf) mit ausländischen Geheim-Konten und schwarzen Fonds geschaffen und Schmiergelder in Millionenhöhe kassiert habe. Galan konnte nicht verhaftet werden, da er als Senator in Rom noch Immunität genießt. Mit dem Bürgermeister von Venedig, Orsoni, wurde auch ein führender Mann aus der regierenden Demokratischen Partei (PD) Matteo Renzis im Korruptionssumpf aufgespürt.


Korruption kostet mit 60 Milliarden Euro 3 Prozent des BIP

Aus führenden Kapitalkreisen verlautet, dass es in der "drittgrössten Wirtschaft der Euro-Zone" nicht so weitergehen könne, da damit die Quellen der Wirtschaft selbst beschnitten werden. Schätzt doch der italienische Rechnungshof die direkten Kosten der Korruption auf 60 Milliarden Euro oder rund 3 Prozent des BIP ein.

Premier Renzi von der PD hat einen Sonderkommissar eingesetzt und will von der Regierung umgehend ein Paket zur Intensivierung des Kampfes gegen die Korruption beschließen lassen. Seine durch die Verwicklung seiner eigenen Partei in den Korruptionsskandal belastete Position wird zusätzlich erschwert durch den erneuten Protest von 14 PD-Senatoren gegen seine geplante Auflösung des Senats als zweiter Kammer des Parlaments.

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Quelle:
© 2014 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Juni 2014