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ITALIEN/117: Mit deutscher Schützenhilfe entstand in Italien 1991 die rassistische Lega Nord (Gerhard Feldbauer)


Nach der sozialistischen Niederlage erhielten Faschisten und Rassisten Auftrieb

Mit deutscher Schützenhilfe entstand in Italien 1991 die rassistische Lega Nord

von Gerhard Feldbauer, 8. Februar 2016


Der Sozialismus hatte in Westeuropa Faschismus und Rassismus im Zaum gehalten. Seine Niederlage 1989/90 gab diesen Kräften einen kaum für möglich gehaltenen Auftrieb. Als erstes zeigte sich das in Italien, wo der Faschismus unter Mussolini Achsenpartner des Hitlerfaschismus war. Am 8./9. Februar 1991 bildeten sechs regionale Ligen (Lombardei, Piemont, Ligurien, Veneto, Emilia Romagna und Toskana) die Lega Nord. Der auf der Basis eines scharfen, auch antimeridionalen Rassismus und Separatismus gegründete Bund stieg rasch zur stärksten parlamentarischen Kraft Norditaliens auf und erreichte 20 und mehr Prozent Wählerstimmen. 1993 bildete die Lega mit der faschistischen Forza Italia (FI) des Mediendiktators Silvio Berlusconi und der schon 1946 unter der Obhut der USA-Besatzungsmacht entstandenen Mussolini-Nachfolgerpartei Movimento Sociale Italiana (MSI), später in Alleanza Nazionale (AN) umgetauft, eine Koalition, die im April 1994 die Parlamentswahlen gewann und die Regierung bildete.

Chef der Lega wurde der Sohn eines Kleinbauern Umberto Bossi, der nach abgebrochenem Medizin- und Jura-Studium auch als Mundartdichter lombardischer Dialekte scheiterte und dann das ahistorische Konzept eines Padania getauften norditalienischen Separatstaates betrieb. So stellte die Lega den Sieg des Mailänder Bundes der lombardischen Städte 1176 bei Mailand über das Ritterheer Kaiser Friedrich I. (Barbarossa) als nationales Unabhängigkeitsfanal heraus, was die historische Realität grob verfälschte. Denn während der frühkapitalistische Städtebund seine Unabhängigkeit gegen den Expansionsdrang des deutschen Kaisers verteidigte, erklärte Bossi an Stelle der Latiner die Langobarden, Kelten und Franken zu geschichtlichen Ahnen der Norditaliener und stellte ihre Zugehörigkeit zu Mitteleuropa, konkret auch direkt zu Deutschland, heraus. Grundlage war die faschistische Blut-und-Boden-Ideologie, an deren Stelle lediglich die etwas weniger diskreditierten ethnischen und kulturellen Differenzen traten. Rassistische Ausfälle gipfelten in der Hetze gegen den Fußballclub von Neapel, den Lega-Anhänger in Mailand mit Spruchbändern empfingen: "Was Hitler mit den Juden gemacht hat, wäre auch das Richtige für Napoli" oder "Keine Tierversuche - nehmen wir Neapolitaner". Im piemontesischen Turin oder in der Adriastadt Rimini jagten Leghisten Afrikaner durch die Straßen und prügelten sie auch zu Tode.

Wählerzulauf erhielt die Lega mit ihrer Kritik an der Korruption der Democrazia Cristiana (DC), ihrer Verfilzung mit der Mafia, der hohen Subventionierung des armen Mezzzogiorno, von der sich die Regierungsparteien jahrzehntelang beträchtliche Summen in die eigene Tasche steckten. Unter Losungen wie "weg von Rom" und "die Lombardei den Lombarden" forderte die Lega die Abspaltung einer Föderation autonomer Regionen Nord-, Mittelitaliens zu einem Separatstaat Padanien. Ein 1995 nach dem Sturz der ersten faschistoiden Regierung Berlusconi unter der Mitte Links-Regierung gegen Bossi wegen "verfassungswidriger Tätigkeit zum Zwecke der Zerstörung der territorialen Einheit des italienischen Staates" geführtes Ermittlungsverfahren verlief im Sande. Das ging auf den Druck einflussreicher Industriekreise mit dem größten privaten Industriekonzern Fiat an der Spitze zurück, für die Bossi ein wichtiges Eisen im Feuer war. Denn die separatistischen Forderungen entsprangen ihren Interessen, sich am supranationalen "Alpengroßraum" der EU zu beteiligen. Deren Rolle als Protegés der Lega war und ist noch heute im Kontext des Kampfes des EU- und US-amerikanischen Kapitals um Einflusssphären, darunter auf dem Balkan, zu sehen. Der Mailänder "Espresso" enthüllte am 27. Dezember 1992 die Rolle des damaligen deutschen Außenministers Genscher, der die Ansprüche der deutschen EU-Führungsmacht anmeldete, als er betonte, der nördliche Teil Italiens werde entdecken, "dass er mehr gemeinsame Interessen mit Süddeutschland als mit Süditalien hat". Ausgehend davon, dass die Lombardei einst zu Österreich gehörte, auf das Deutschland noch immer einen Erbanspruch erhebe, sprach der "Corriere della Sera" am 9. August 1995 unverblümt vom Stattfinden "der Neuaufteilung des europäischen Raumes und der Eroberung neuer Einflusssphären" innerhalb eines "historischen Raumes".

Im Wahlkampf 2008 wollte Bossi seine Leghisten "an die Gewehre rufen", um auf die "römischen Schurken", womit die Linken gemeint waren, anzulegen. Seine rassistische Hetze gipfelte in der Äußerung, es sei leider "leichter Ratten zu vernichten als Zigeuner auszurotten". 2012 musste Bossi wegen eigener Praktizierung der von ihm immer heftig attackierten Korruption zurücktreten und der Unternehmersohn und Politologe Matteo Salvini trat seine Nachfolge an. Nach dem Fall Berlusconis als Premier 2011 und dem Absinken seiner FI von einst über 35 Prozent auf prognostizierte unter 10 Prozent trat Salvini dessen Nachfolge als Führer des rechtsextremen Lagers an und entsagte der separatistischen Linie, um die Lega nach dem Vorbild der Front National Frankreichs unter Marie Le Pen zu einer gesamtnationalen Partei zu formieren. Sollte die Lega bei den Bürgermeisterwahlen im Frühjahr dieses Jahres an erster Stelle liegen, fordert er, Premier Renzi müsste dann zurücktreten und Neuwahlen stattfinden, in denen er das rechtsextreme Lager an die Regierung zurückbringen werde.

Am Rassismus hat sich nicht das Geringste geändert. Der Senator der Lega Roberto Calderoni, unter Berlusconi zweimal Minister, ein enger Vertrauter Matteo Salvinis, trat 2013 eine Kampagne los, in der aufgerufen wurde, die damalige aus der Demokratischen Republik Kongo stammende Ministerin der sozialdemokratischen PD-Regierung, Cecile Kyenge, zu töten. Der Rassist verlangte, Flüchtlingsboote zu beschießen, diffamierte Einwanderer, sich "zu den Kamelen in der Wüste" zu scheren und "mit den Affen zu tanzen". Ausdruck der Ausländerfeindlichkeit waren erst im Dezember 2015 Überfälle der Fronte Skinheads, eines Stoßtrupps der Lega in Norditalien auf Flüchtlingsheime, bei denen auf Flugblättern zur Vertreibung der Migranten aufgerufen und Mordparolen gegen sie verbreitet wurden. Zur schärferen Überwachung von Einwanderern unterhalten die Lega und ihre faschistischen Verbündeten wie die Forza Nuova vielerorts Bürgerwehren, die Migranten terrorisieren.

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Quelle:
© 2016 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Februar 2016

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