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ITALIEN/175: Beindruckende Ehrung zum 80. Jahrestag des Todes Antonio Gramscis (Gerhard Feldbauer)


Beindruckende Ehrung zum 80. Jahrestag des Todes Antonio Gramscis

Staatspräsident Sergio Mattarella auf Gedenkveranstaltung in der Abgeordnetenkammer

von Gerhard Feldbauer, 28. April 2017


Auf zahlreichen Gedenkveranstaltungen gedachten am Donnerstag in Italien Kommunisten, Linksdemokraten der Sinistra Italiana, Sozialdemokraten, darunter Parlamentarier der regierenden Partito Democratico (PD), Gewerkschafter, Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Kultur des 80. Jahrestages des Todes des kommunistischen Führers Antonio Gramsci, der am 27. April 1937 an den Folgen der elfjährigen unmenschlichen Haft in Mussolinis Kerker verstarb. Viele Veranstaltungen wurden vom Gramsci-Institut der PD, der Fondazione Gramsci, als auch der seinen Namen führenden Internationalen Gesellschaft organisiert, die sich der Wahrung seines Erbes widmen. Die der PD nahestehende linke L'Unità schrieb, "Gramsci hat uns auch heute noch viel zu sagen", das zeige sich vor allem in den Debatten zur Lösung der sozialen Fragen. In der Abgeordnetenkammer eröffnete deren Präsidentin, Laura Boldrini, im Beisein des Präsidenten der Republik, Sergio Mattarella, und des Präsidenten des Senat, Pietro Grassi, eine Ausstellung, in der erstmals gemeinsam mit Gramscis Gefängnisheften die Originale von 33 Briefen, die er im Gefängnis schrieb, gezeigt werden. Die Schauspielerin Mia Benedetto las aus Texten Gramscis.

Am Grab Gramscis auf dem berühmten nichtkatholischen Friedhof Cimitero acattolico in der Via Caio Cestio in Rom nahm eine große Menschenmenge an einer Kranzniederlegung teil. Ein Kranz aus roten Rosen wurde auch am Haus in der Via Morgagni in Rom niedergelegt, wo der Generalsekretär der Kommunistischen Partei (IKP) vor seiner Verhaftung am 8. November 1926, die unter Bruch seiner Immunität als Parlamentsabgeordneter erfolgte, gewohnt hatte. Auch in Turin wurde seiner gedacht. Dort hatte Gramsci im August 1917 zu den Organisatoren des unter dem Einfluss der russischen Februarrevolution ausgebrochenen Aufstandes der Arbeiter gegen Hungersnot und für Frieden gehört. Die Arbeiter setzten den reformistischen Vorstand der Sozialistischen Partei ab und wählten eine neue Leitung mit Gramsci an der Spitze. Der Aufstand wurde von der königlichen Armee im Blut erstickt. Bei den viertägigen Barrikadenkämpfen wurden Hunderte Arbeiter getötet, noch viel mehr verwundet und Tausende verhaftet.

In der marxistischen theoretischen Zeitschrift "Marx 21" würdigte der bekannte Gramsci-Kenner Ruggero Giacomini ihn als "größten italienischen Revolutionär des 20. Jahrhunderts", der einen herausragenden Platz in der kommunistischen Weltbewegung einnehme. Als entscheidende Lehre hinterlasse er den Grundsatz, dass die Arbeiterklasse nur mit einer kommunistischen Partei an der Spitze erfolgreich sein könne. Er sei in der Haft im Kerker Mussolinis durch physische und psychische Torturen einem langsamen Sterben ausgesetzt worden. In einer neuen Biographie ("Gramsci: Una nuova biografia", Feltrinelli-Verlag) würdigt der Professor an der Turiner Universität, Angelo d'Orsi, den gewaltigen Beitrag, den Gramsci zur Verbreitung des Marxismus-Leninismus und zur Schaffung einer revolutionären Partei des italienischen Proletariats geleistet hat. Ebenso, dass er ein Mann der revolutionären Praxis war. Er erinnert an seinen heute höchst aktuellen Versuch, die damals noch nicht vom Reformismus der Zweiten Internationale erfasste Sozialistische Partei in eine Revolutionäre Partei des Proletariats umzuwandeln. Erst als dieses Vorhaben scheiterte, schritt die kommunistische Gruppe zur Gründung der Kommunistischen Partei. Danach sei Gramsci der erste Theoretiker in der Kommunistischen Internationale gewesen, der eine Analyse des im Oktober 1922 in Italien an die Macht gekommenen Faschismus vornahm. Er zeigte auf, dass es sich nicht lediglich um einen Führungswechsel innerhalb der Bourgeoisie handelte, sondern der "Faschismus als Instrument einer Industrie-Agraroligarchie (vorgeht), um in den Händen des Kapitals die Kontrolle des gesamtem Reichtums des Landes zu konzentrieren."

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Quelle:
© 2017 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. April 2017

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