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ITALIEN/185: Italien gedachte des ermordeten Staatsanwalts Paolo Borsellino (Gerhard Feldbauer)


Italien gedachte des ermordeten Staatsanwalts Paolo Borsellino

Er enthüllte bereits 1992 die Komplizenschaft Berlusconis mit der Verbrecherorganisation

von Gerhard Feldbauer, 22. Juli 2017


Mit großer Aufmerksamkeit gedachte Italien des vor 25 Jahren, am 19. Juli 1992, ermordeten Staatsanwalts von Palermo, Paolo Borsellino. Mit fünf Mann seiner Eskorte wurde er in der Via Mariano D'Amelio, unweit des Messegeländes von Palermo, vor dem Haus seiner Mutter durch eine Autobombe getötet. Als Vorsitzender des Obersten Richterrates würdigte ihn Staatspräsident Sergio Mattarella als überzeugten Kämpfer zur Beseitigung des kriminellen Phänomens der Mafia. Die Parlamentspräsidentin Laura Boldrini und Senatspräsident Pietro Grasso appellierten, sein Vermächtnis zu erfüllen und nicht nachzulassen im Kampf gegen die Verbrecherorganisation. Symbolträchtig führten Carabinieri und die Guardia di Finanza (Finanzpolizei) von Palermo, wie La Repubblica am Mittwoch berichtete, am Vortag gegen den Brancaccio-Clan, einen der größten Italiens mit Verzweigungen über das Latium bis in die Toskana und Emilia Romagna eine Operation, bei der 34 hochrangige Mitglieder verhaftet und Werte von 60 Millionen Euro beschlagnahmt wurden. Gegen sie werde wegen Bedrohungen, Korruption, Erpressung, Diebstahl und illegalen Besitzes von Waffen ermittelt. Die Zahl der allein seit Juni verhafteten Mafiosi, wuchs damit nach Berichten der Nachrichtenagentur ANSA auf über 400 an.

Der Mailänder Corriere della Sera und die römische La Repubblica berichteten über das Wirken Borsellinos, der mit dem zwei Monate vor ihm ermordeten Staatsanwalt Giovanni Falcone die sogenannten Maxi-Prozesse vorbereitete, die die Verbrecherorganisation erstmals existenziell bedrohten. Von den 800 Angeklagten wurden im Januar 1992 in letzter Instanz 475 verurteilt. Die beiden Mafia-Jäger führten die "Kronzeugenregelung" ein und deckten durch Aussagen von Clan-Mitgliedern, denen Strafmilderungen zugesagt wurde, die Komplizenschaft von hohen Staatsträgern mit der Verbrecherorganisation auf. Im März 1993 wurde der siebenmalige Premier der Democrazia Cristiana, Giulio Andreotti, angeklagt, "einen Beitrag zum Schutz der Interessen und zum Erreichen der Ziele der Mafia geleistet" zu haben. Die Mafia antwortete mit einer Serie blutiger Anschläge. Borsellino vermutete, dass es nach Falcones Tod zu Verhandlung zwischen Vertretern "der Institutionen und der Cosa Nostra" gekommen war, um die Anschlagsserie zu stoppen. Er hatte das strikt abgelehnt.

Mehr noch, wie die Mailänder Wochenschrift Espresso in ihrer jüngsten Ausgabe berichtet, hatte Borsellino am 21. Mai 1992 gegenüber dem französischen Canal+ Beziehungen aus der "Entourage Berlusconis mit der Cosa Nostra" enthüllt. Im Mai 1994, da hatte der Medientycoon gerade die Parlamentswahlen gewonnen und mit den Faschisten der Mussolini-Nachfolgerpartei MSI und den Rassisten der Lega Nord eine Regierung gebildet, veröffentlichte der Espresso den Text, den auch La Repubblica am Mittwoch wiedergab. Borsellino hatte u.a. enthüllt, dass ein Mafioso mit Namen Vittorio Mangano in der Villa Arcore Berlusconis in Mailand beschäftigt war. Das wurde durch abgehörte Telefonate des Vertrauten Berlusconis, dem Juristen Marcello Dell'Utri, seit April 1994 Senator, mit Mangano bewiesen, was in einem Rapport der Kriminalpolizei unter 0500/C.A.S del 13 aprile 1981 erfasst war.

Berlusconi, gegen den bei seinem Amtsantritt sieben Strafverfahren liefen, untersagte per Regierungsdekreten nicht nur Ermittlungen gegen sich, sondern würgte auch 5.000 gegen die Mafia laufende Verfahren ab. Seine Komplizenschaft mit der Mafia wurde mehrmals vor Gericht enthüllt. So wurde Dell'Ultri im Dezember 2000 verurteilt, den "Pakt zwischen der Mafia und Berlusconi" eingefädelt zu haben. Auch das war es wohl, was Staatspräsident Mattarella veranlasste, eine restlose Aufklärung des Mordes an Borsellino wie aller anderen Mafia-Verbrechen anzumahnen und alle Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

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Quelle:
© 2017 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Juli 2017

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