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ITALIEN/204: Antifaschisten demonstrieren Einheit gegen drohende faschistisch-rassistische Regierung (Gerhard Feldbauer)


Antifaschisten Italiens demonstrieren Einheit gegen drohende faschistisch-rassistische Regierung

Staatspräsident Mattarella solidarisch mit Opfern faschistischer Überfälle

von Gerhard Feldbauer, 11. Dezember 2017


Im internationalen Klima wachsender faschistischer Gefahren hat Italien ein Zeichen dagegen gesetzt. Auf einer Kundgebung des regierenden Partito Democratico (PD) in der Provinzhauptstadt Como in der Lombardei gegen die Gefahr einer faschistisch-rassistischen Machtergreifung haben am Sonnabend laut der Nachrichtenagentur ANSA weit über Zehntausend Menschen teilgenommen. Unter den zahlreichen Vertretern des PD, der linken Parteien, Kommunisten, des Partisanenverbandes ANPI, Gewerkschaften und Immigrantenzentren wie "Como ohne Grenzen" hatten auf der Tribüne PD-Sekretär Matteo Renzi, die Parlamentspräsidentin Laura Boldrini, mehrere Minister und die CGIL-Vorsitzende Susanna Camusso, der mit über vier Millionen Mitgliedern stärksten zentralen Gewerkschaft, Platz genommen. Das in Grundfragen der Regierungspolitik uneinige Linke Zentrum habe sich in Como im Antifaschismus "vereint gezeigt", so der Agenturbericht. Die kleinbürgerliche Fünf Sterne Bewegung (M5S), ein entschiedener Opponent des PD, hatte sich einer Teilnahme verweigert.

Die Proteste richteten sich gegen in den vergangenen Wochen extrem angewachsene Ausschreitungen von Stoßtrupps der faschistisch-rassistischen Bewegung wie der Forza Nuova, CasaPound und der Naziskins, (wie sich die Skinheads Italiens zur Betonung ihres Bekenntnisses zum Hitlerfaschismus meist nennen). Medien wie die römische La Repubblica sprechen von einer "Onda nera", schwarzen Welle. Der Chefredakteur von La Repubblica, Mario Calabrei, nannte die sich häufenden Aktionen ein "besorgniserregendes Wiederaufflammen des Faschismus".

In Como überfiel ein Kommando der "Veneto Fronte Skinhead" ein Zentrum von Flüchtlingshelfern "Como ohne Grenzen", beschimpften sie als "Verräter am italienischen Volk" und drohten Vergeltung an, wenn sie fortfahren. Die Spezialabteilung für Terror-Ermittlungen (DIGOS) des Innenministeriums nahm bei einer Razzia acht Beteiligte fest. In dem römischen Stadtbezirk Ostia schlugen Faschisten der CasaPound einen Journalisten, der einen Bericht über ihre Verbindungen zur kriminellen Mafia capitale vorbereitete, krankenhausreif.

Der jüngste Vorfall ereignete sich vergangene Woche, als ein Trupp der Forza Nuova die Redaktionsräume der Verlagsgruppe des Mailänder L'Espresso überfiel. Zur L'Espresso-Gruppe gehören La Repubblica, die frühere FIAT-Zeitung La Stampa, über ein Dutzend Lokalzeitungen und kleinere Radio- und TV-Sender, deren Leser bzw. Hörer auf knapp sechs Millionen geschätzt werden. Vor allem L'Espresso ist für seine antifaschistischen Positionen und seine Gegnerschaft zum faschistoiden Medien-Tycoon und Chef der Forza Italia (FI), Silvio Berlusconi, bekannt. In den letzten Monaten hat er in zahlreichen Beiträgen das Geflecht der Fortexistenz des Mussolini-Nachfolgefaschismus, seine Komplizenschaft mit Kreisen der Geheimdienste, des Staates und der Mafia und immer wieder die persönliche Rolle Berlusconis entlarvt, zuletzt die Rolle der Geldgeber (Schattenblick 3. Dezember 2017). Es war, wie FN-Führer Roberto Fiore, der wegen zahlreicher Terroranschläge langjährige Haftstrafen verbüßte, eine Antwort auf diese Beiträge und er drohte , wie La Repubblica wiedergab, das sei nur "der erste Akt eines politischen Krieges gegen die Espresso-Gruppe und die PD" (als deren Sprachrohr La Repubblica gilt). Staatspräsident Sergio Mattarella und Ministerpräsident Paolo Gentiloni ergriffen persönlich das Wort und verurteilten den Überfall ganz entschieden. Innenminister Marco Minniti begab sich in die Redaktion des Espresso, um den Journalisten seine Solidarität zu bekunden.

In seiner am Freitag erschienenen Ausgabe erinnert L' Espresso, dass das jetzige Anheizen von Rassenhass, das zum Protest herausfordere, in der faschistischen Strategie der Spannungen der 70er wurzele, die das Ziel verfolgte, ein Regime der starken Hand an die Macht zu bringen, das für Ruhe und Ordnung sorgt. In dieses Schema passt, dass Berlusconi den früheren Carabinieri-General Leonardo Gallitelli als Kandidaten zur Parlamentswahl im Frühjahr aufstellen will. Und er preist ihn bereits als "fähige Person", die etwas geleistet" habe. Da kann man nur hoffen, dass der Wähler nicht vergißt, dass italienische Militärs, darunter Carabinieri-Generäle, viermal Putschversuche anführten und Berlusconi selbst durch einen von der faschistischen Putschloge P2 inszenierten Colpo bianco (kalten Staatsstreich) an die Macht kam.

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Quelle:
© 2017 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Dezember 2017

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