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ITALIEN/205: Neuwahlen für den 4. März anberaumt (Gerhard Feldbauer)


Vor Parlamentsauflösung in Italien

Neuwahlen für 4. März anberaumt

von Gerhard Feldbauer, 28. Dezember 2017


Am Ende der fünfjährigen Legislaturperiode und angesichts der bevorstehenden Neuwahlen hat Premier Paolo Gentiloni vom regierenden Partito Democratico (PD) auf einer Pressekonferenz am Donnerstag versucht, die Befürchtungen einer Niederlage seiner Partei zu zerstreuen. Er musste jedoch, wie die Nachrichtenagentur ANSA berichtete, eine Unstabilität eingestehen, rief aber auf, das Thema "nicht zu dramatisieren". Häufige Regierungswechsel seien "kein neues Phänomen" für Italien.

Nach der Pressekonferenz begab sich der Regierungschef zu Staatspräsident Sergio Mattarella, der mitteilte, dass er beide Kammern des Parlaments - Senat und Abgeordnetenhaus - auflöst, um den Weg für Neuwahlen frei zu machen. Sie werden, worauf die Parteien sich bereits geeinigt hatten, am 4. März stattfinden. Gentiloni wird wie üblich bis dahin im Amt bleiben.

Zuvor hatten beide Kammern noch den Staatshaushalt 2018 verabschiedet. Zur Abstimmung stand auch das Gesetz "Ius Soli" (Recht auf Boden) das etwa 800.000 in Italien geborenen Immigrantenkindern die Staatsbürgerschaft gewähren soll. Hier ging es auch um ein Wählerpotenzial für den regierenden Partito Democratico (PD). Deshalb hatte die faschistisch-rassistische Allianz aus Berlusconis Forza Italia (FI), der Lega Matteo Salvinis und den Fratelli Italiens (FdI) von Giorgia Meloni das in der Abgeordnetenkammer angenommene Gesetz im Senat zu Fall gebracht.

Bei den Wahlen im Februar 2013 erreichte die Linke Mitte - PD und die damalige "Linke für Umwelt und Freiheit" (SEL) - etwas mehr als 31 Prozent. Berlusconis extreme Rechte kam knapp dahinter auf Platz zwei, die kleinbürgerliche Fünf Sterne-Bewegung (M5S) mit 25,5 Prozent auf Platz drei. Der PD profitierte vom damaligen, im neuen Wahlgesetz gestrichenen, Siegerbonus, der ihm in der Abgeordnetenkammer 340 Sitze (54 Prozent) sicherte. Im Senat bestand ein Patt. Die drei Gruppierungen treten jetzt wieder an. Die Kollaboration von PD-Chef Matteo Renzi mit Berlusconi, mit dem er bei fehlender Mehrheit nach den Wahlen regieren will, hat jedoch dazu geführt, dass der PD kaum noch von den Linken unterstützt wird.

Die aus der SEL entstandene Sinistra Italiana (SI), die Demokratische und Fortschrittsbewegung (MDP) des ehemaligen PD-Sekretärs Pierluigi Bersani und des früheren Premier Massimo D' Alema haben eine Liste "Freie und Gleiche" gebildet, die getrennt antritt. Es wird erwartet, dass die Liste mit Kandidaten wie Senatspräsident Pietro Grasso, Parlamentspräsidentin Laura Boldrini und D' Alema auf etwa acht Prozent kommen und die Sperrklausel für allein antretende Parteien überspringt. Der parteilose linke frühere Bürgermeister von Mailand, Giuliano Pisapia, hat seinen Campo progressista aufgelöst und seinen Anhängern freigestellt, sich der linken Liste oder dem PD anzuschließen.

PD-Chef Matteo Renzi, der im Dezember 2016 nach einer Niederlage im Referendum zur Abschaffung des Senats als zweiter Kammer als Premier zurücktrat, will wieder antreten. Im Gespräch ist jedoch auch Gentiloni. Im Januar soll der PD-Vorstand entscheiden, wer antritt.

Der wegen Steuerbetrugs verurteilte Berlusconi kann selbst nicht kandidieren und wollte einen früheren Carabinieri-General aufstellen, was Lega-Chef Salvini ablehnt, der selbst antreten will. Ihn unterstützt die FdI. Wie La Repubblica berichtete, versucht Berlusconi mit seinem alten Bekenntnis zu Mussolini, der "viele Dinge richtig gemacht habe", Stimmen der FdI zu gewinnen. Die M5S hat den Publizisten Di Maio nominiert. Laut Il Fatto Quotidiano will er bei fehlender Mehrheit "nach allen Seiten offen sein", womit er der Lega Avancen macht.

Laut der Meinungsforscher von Supermedia Youtrend käme Berlusconis Lager auf 35,8 Prozent (darunter seine FI mit 15,4 Prozent an der Spitze), M5S auf 27,3 und die PD sackte auf 24,1 Prozent ab. Fest steht nur eins: Keine Koalition könnte allein eine Regierung bilden.

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Quelle:
© 2017 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Dezember 2017

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