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ITALIEN/224: Mattarella beauftragt den parteilosen Jura-Professor Giuseppe Conte mit der Regierungsbildung (Gerhard Feldbauer)


Italiens Staatspräsident Mattarella hat den parteilosen Jura-Professor Giuseppe Conte mit der Bildung einer Regierung beauftragt

Ihr werden die rechte Fünf Sterne-Bewegung und die rassistische Lega angehören

von Gerhard Feldbauer, 25. Mai 2018


Zweieinhalb Monate nach den Parlamentswahlen am 4. März hat Staatspräsident Sergio Mattarella am Mittwoch den parteilosen Rechtswissenschaftler Giuseppe Conte mit der Bildung einer Regierung beauftragt. Den Vorschlag hatten der "politische Führer" der rechten Fünf Sterne-Bewegung (M5S), Luigi Di Maio, und der Chef der rassistischen Lega, Matteo Salvini, unterbreitet. Die Berufung galt bis zur letzten Minute als ungewiss, da der Staatschef mehrfach gemahnt hatte, eine "neutrale" Person zu benennen.

Dem Kriterium entspricht der 53jährige Jura-Professor nur sehr bedingt. In den Medien war er als enger Vertrauter von Partei-Gründer Beppe Grillo und mit seinem Bekenntnis vorgestellt worden, die M5S sei ein "wunderbares, unglaubliches, politisches Labor". Dann sorgten noch Vorwürfe für Ärger, Conte habe sein Curriculum Vitae (akademischen Lebenslauf) geschönt.

Conte kam am Mittwochabend erst nach zwei Stunden - länger als für gewöhnlich üblich - aus dem Quirinale zurück. Die Nachrichtenagentur ANSA ließ durchblicken, dass Mattarella ausführlich auf die kontroversen Fragen einging, darunter die EU-kritische Haltung, die unrealistischen Vorstellungen über versprochene soziale Verbesserungen, Steuererleichterungen (vornehmlich für Unternehmer und Reiche), die sich auf Mehrausgaben im Haushalt von 150 bis 170 Milliarden Euro belaufen würden, sowie die Berufung der Minister. Der Staatschef habe entschieden Einwände gegen den vorgesehenen Wirtschaftsminister Paolo Savona vorgebracht, der ein besonders entschiedener EU-Gegner sei. Es wird nicht ausgeschlossen, dass der Staatschef bei seiner Nominierung von seinem Veto-Recht Gebrauch machen werde. Wenn der Staatschef nationale Verpflichtungen ansprach, dürfte sich das darauf bezogen habewn, dass der Regierungsvertrag vorsieht, etwa 500.000 angeblich illegal in Italien lebende MigrantInnen "in ihre Heimatländer zurückzuführen". Das verstoße, so das Online-Portal Cronache di ordinario razzismo am Donnerstag, gegen "die in der italienischen Verfassung garantierten Prinzipien der Gleichheit und des Rechts auf Asyl".

Conte, der den Auftrag "mit Vorbehalten" annahm, äußerte vor der Presse, er sei sich "der Verantwortung bewusst, die europäische und internationale Zusammenarbeit Italiens zu bestätigen". Gleichzeitig wolle er den "Dialog mit den entsprechenden Institutionen" führen.

Die Auseinandersetzung geht jedoch weiter. Da die Politik nach der gemeinsamen Berufung der Minister durch den Staats- und den designierten Regierungschef durch Letzteren bestimmt wird, wäre es eigentlich nicht entscheidend, ob Savona Wirtschaftsminister wird oder nicht. Aber Di Maio-Salvini spitzen das zur ersten Machtfrage zur Durchsetzung ihrer Linie gegenüber Mattarella zu. Das stellt u. a. die römische La Repubblica am Freitag heraus. Bereits Sonnabend/Sonntag wird mit der Vorlage der Ministerliste gerechnet. Bei einer Bestätigung will sich Conte danach sofort der Vertrauensabstimmung in beiden Kammern des italienischen Parlaments stellen.

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Quelle:
© 2018 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Mai 2018

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