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ITALIEN/243: Zehntausende beim traditionellen "Friedensmarsch" nach Assisi (Gerhard Feldbauer)


Zehntausende beim "Friedensmarsch" nach Assisi

Friedensaktivisten, Gewerkschafter, Katholiken und Linke verschiedener Richtungen gemeinsam gegen Rassismus und Krieg

von Gerhard Feldbauer, 9. Oktober 2018


Zehntausende Menschen unterschiedlichster politischer und weltanschaulicher Ansichten haben am Sonntag am traditionellen "Friedensmarsch" zur Basilica des Heiligen Franziskus in Assisi teilgenommen. Laut der Nachrichtenagentur ANSA waren es rund 25.000. Das linksliberale Fatto Quotidiano meinte am Montag in seinem Bericht, dass nach Angaben der Organisatoren an dem in Perugia, der Hauptstadt der Region Umbrien, beginnenden 25 Kilometer langen Zug bei strömendem Regen etwa 100.000 Menschen teilnahmen. Der legendäre Marsch wurde 1962 von Aldo Capitini, einem Gegner Mussolinis und früheren Rektor der Universität für ausländische Studenten, in Perugia begründet. Wegen seiner Unterstützung für Kriegsdienstverweigerer hieß Capitini in Italien "Vater der Gewaltlosigkeit". Der Orden der Franziskaner gestaltete danach lange Zeit den jährlichen Marsch unter seinen Losungen der "Brüderlichkeit und Versöhnung". Ohne Katholiken auszuschließen richtete sich dieses Jahr der Kilometer lange Marsch mit Transparenten und Losungen gegen die menschenfeindliche Politik der Regierung aus der rassistischen Lega und der rechten Fünf-Sterne-Bewegung.

Sie demonstrierten für Frieden und Abrüstung, ein Ende der Beteiligung an Kriegen, vor denen die Menschen flüchten, die zu Migranten werden, denen die Regierung in Rom die Aufnahme verweigert. Sie verlangten Achtung der Menschenrechte, verurteilten Rassenhass und Diskriminierung. Zahlreiche Plakate verkündeten Solidarität mit dem auch international bekannten Bürgermeister des süditalienischen Dorfs Riace, Domenico "Mimmo" Lucano. Er wurde festgenommen und unter Hausarrest gestellt, weil er Hunderte Migranten in seiner kaum 2.000 Einwohnern zählenden Gemeinde aufnahm und sie in leerstehenden Häusern unterbrachte. Vergangenes Jahr erhielt er dafür den Dresdner Friedenspreis. Auf Plakaten und in Statements wurde das "Projekt Riace" für den Friedensnobelpreis 2019 vorgeschlagen. "Wir sind mit Riace und mit Mimmo Lucano", lauteten unzählige Losungen. Der bekannte Vertreter der italienischen Friedensbewegung Flavio Lotti verbreitet, wie andere Teilnehmer auch, auf Twitter: "Wir appellieren, dem 'Riace-Modell', den Friedensnobelpreis zu verleihen." Lotti hat den diesjährigen Friedensmarsch nach Assisi koordiniert. Zur Eröffnung in Perugia klagte er die rassistische Verfolgung als "unerträglich" an und forderte: "Lasst uns die Brüderlichkeit wagen". Niemand dürfe "zurückgelassen werden und allein bleiben".

Gemeinsam mit Flavio Lotti demonstrierten Anhänger der Friedensbewegung, der Gewerkschaft CGIL und der Basiskomitees COBAS, Schüler und Studenten in großer Zahl, Vertreter von katholischen Einwandererverbänden und von Amnesty, Kommunisten und Linke verschiedener Organisationen nach Assisi. Unter ihnen 286 Vertreter von Regionen, Provinzen und Gemeinden, die ihre Banner vorantrugen. Zu den zahlreichen linksliberalen Persönlichkeiten gehörten der Präsident der Regionalregierung von Umbrien, Catiuscia Marini, Nicola Zingaretti, Regierungschef der Region Lazio, beide Demokratische Partei (PD), sowie deren Sekretär Maurizio Martina. Teilnehmer waren frühere PD-Politiker, die voriges Jahr die linke Sammlungsbewegung Freie und Gleiche (LeU) gründeten: die frühere Parlamentspräsidentin Laura Boldrini und Pietro Grasso, ehemals Senatspräsident.

"Frieden ist nicht für immer gegeben, erklärte Laura Boldrini. "Er muss jeden Tag gegen das Klima des Hasses und der Händler der Angst verteidigt werden". Der frühere PD-Politiker Giuseppe Civati, heute ebenfalls LeU, sagte: "Mit unserer Teilnahme bekräftigen wir unser Engagement gegen den Krieg, für Frieden und Abrüstung". Italien sei an zahlreichen kriegerischen Konflikten beteiligt, die das Flüchtlingselend hervorbringen.

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Quelle:
© 2018 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Oktober 2018

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