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ITALIEN/258: Sieg für italienische Waffenlobby - Notwehrparagraph "liberalisiert" (Gerhard Feldbauer)


Sieg für italienische Waffenlobby

Notwehrparagraph liberalisiert. Steilvorlage für rassistische Bewegung 25 M5S-Parlamentarier lehnten ab

von Gerhard Feldbauer, 10. März 2019


Beim Votum über das von dem Chef der rassistischen Lega, Vizepremier und Innenminister Matteo Salvini eingebrachte sogenannte "Selbstverteidigungsgesetz" ist es am Mittwoch im Montecitorio (Sitz der Abgeordnetenkammer) erneut zum Eklat mit der rechten Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) gekommen. Wie die Nachrichtenagentur ANSA meldete, nahmen 25 ihrer Parlamentarier nicht an der Abstimmung teil. Das Scheitern des Gesetzes verhinderten die nicht der Regierung angehörende faschistische Forza Italia (FI) von Ex-Premier Silvio Berlusconi und der Brüder Italiens (FdI) von Giorgia Meloni, die dem Lega-Chef die Mehrheit von 375 Stimmen verschafften. Dagegen stimmten die Demokratische Partei (PD) und die Linkspartei Freie und Gleiche (LeU). Sterne-Führer Luigi Di Maio beeilte sich, Salvini der "Loyalität gegenüber dem Gesetz" zu versichern. Die Ablehnung widerspiegele nicht "die Begeisterung der Bewegung" für das Abkommen, zitiert ihn ANSA.

Mit dem Gesetz wird der Artikel 52 des Strafgesetzbuches, der Notwehrparagraph, "liberalisiert". Gegner des Gesetzes verweisen darauf, dass damit letztendlich das Recht zu töten legalisiert, die rassistische Verfolgung von Migranten, Afrikanern, Sinti und Roma Auftrieb erhalte. Es werde die "Vermutung der rechtmäßigen Verteidigung" eingeführt, hatte die römische Zeitung La Repubblica zur Vorlage des Entwurfs vermerkt. Darauf könnte sich dann jeder berufen, der jemanden erschießt, der in sein Haus oder seine Wohnung eindringt oder gegen seinen Besitz vorgeht - ohne dass die Verhältnismäßigkeit strafrechtlich untersucht würde.

Bekannt ist der Fall eines Unternehmers, der 2014 in letzter Instanz wegen Totschlags nur sechs Jahre Haft erhielt. Er hatte sofort auf drei Albaner geschossen, von denen er annahm, dass sie seinem SUV stehlen wollten. Dabei wurde ein 19jähriger Mann tödlich getroffen. Salvini führte eine Kampagne, in der er den Todesschützen als Volksheld feierte und dessen Freilassung forderte. Staatspräsident Sergio Mattarella gab dem Druck nach und begnadigte den Todesschützen 2015 vorzeitig.

Den Gesetzentwurf hatte der Lega-Chef während der Kampagne zu den Parlamentswahlen am 4. März vergangenen Jahres eingebracht, um sich damit die Stimmen der 1,3 Millionen Mitglieder zählenden Waffenlobby zu sichern. Diese repräsentiert die einheimische Waffenindustrie von 2.500 Unternehmen mit 92.000 Beschäftigten, womit sich der Rassistenchef ein weiteres Wählerpotenzial erschloss. Über eine Filiale in Italien ist die italienische Lobby mit der in Iowa ansässigen US-Firma Brownells liiert. Ihr Geschäftsführer wurde 2017 zum Präsidenten der National Rifle Association (NRA) gewählt, die den Wahlkampf von US-Präsident Trump unterstützte.

Die italienische Waffenlobby unterhält ein "Comitato Direttiva 477", das sich so bezeichnet, weil es die Richtlinie 477 der EU von 1991 über die Kontrolle des Erwerbs und Besitzes von Waffen in Italien durch ein eigenes Gesetz außer Kraft setzen will. Salvini traf sich vor den Wahlen mit der Leitung des Comitato und sagte ihm nicht nur zu, sich für seine Ziele in einer Regierung einzusetzen, sondern es auch über das Vorgehen der Regierung zu informieren und seine Meinung zu berücksichtigen. Inwieweit das auch vor der jetzigen Abstimmung über das Gesetz erfolgte, ist nicht bekannt. Jedenfalls erleichtert das von der faschistisch-rassistischen Mehrheit des Parlaments verabschiedete Gesetz in Zukunft bereits Sportschützen, Jägern und Waffensammlern den Kauf von Schusswaffen.

Nach dem Votum im Montecitorio steht die Abstimmung im Senat an, die für gewöhnlich unmittelbar danach stattfindet. Sie ist diesmal erst für den 26. März anberaumt. Offensichtlich will Di Maio im Einvernehmen mit Salvini Zeit gewinnen, um zu verhindern, dass auch hier Sterne-Senatoren das an der Basis der M5S unbeliebte Gesetz ablehnen.

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Quelle:
© 2019 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. März 2019

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