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ITALIEN/279: Mussolinis Konkurrent D'Annunzio in Triest geehrt - Scharfe Proteste (Gerhard Feldbauer)


Mussolinis Konkurrent D'Annunzio in Triest geehrt

Scharfe Proteste in Kroatien und Italien

von Gerhard Feldbauer, 17. September 2019


Kroatien hat in einer Erklärung seines Außenministeriums, die am Wochenende in italienischen Medien wiedergegeben wurde, "mit aller Entschiedenheit" gegen die Errichtung einer Statue zur Ehrung des faschistischen Revanchisten, des Schriftstellers Gabriele D'Annunzio, auf der Piazza Borsa in Triest protestiert. Die Einweihung erfolgte vergangenen Donnerstag, an dem D'Annunzio, der mit Mussolini um die Führung der faschistischen Bewegung konkurrierte, vor 100 Jahren mit 2.500 Mann, darunter etwa 1000 Soldaten der königlichen Armee, die Stadt besetzt und ihren Anschluss an Italien erklärt hatte. Zwei Tage vorher hatte Italien im Friedensvertrag von Saint-Germain-en-Laye (der die Verteilung der Beute unter die Entente-Staaten regelte) die frühere ungarische Industrie- und Hafenstadt Fiume (Rijeka) nicht zugesprochen bekommen.

Während Il Giornale, das Hausblatt Berlusconis, das Denkmal als "eine große Ehre für Italien" feiert, verurteilen andere Medien das als "Ehrung eines Faschisten". Das linke Il Manifesto spricht von "einem skandalösen Vorgang". Der Mailänder Corriere della Sera erinnert daran, dass D'Annunzio nach dem "Marsch auf Fiume" den "Marsch auf Rom" plante, bei dem ihm Mussolini zuvorkam.

Die römische La Repubblica enthüllt, dass das Denkmal von der Stadtverwaltung der faschistischen Allianz aus Forza Italia (FI) von Ex-Premier Silvio Berlusconi mit den Fratelli Italiens (FdI) und der Lega Salvinis errichtet wurde. Ihr Bürgermeister, Roberto Dipiazza (FI), habe die Statue "trotz starker Proteste, darunter mit einer Sammlung von 3.000 Unterschriften dagegen", errichtet und eingeweiht. Dipiazza ignoriere die Proteste und verherrliche den Revanchisten als "einen großen Italiener, wie es nicht viele gebe". Das Hauptstadtblatt Messagero schreibt, es gebe keinen Anlass, an den von Kroatien als "Faschisten" entlarvten D'Annunzio "zu erinnern", und wenn, dann nur, um ihn "zu verurteilen".

D'Annunzio wirkte 1910 führend an der Gründung der Nationalistischen Partei Associazione Nationalista Italiana der Großbourgeoisie mit und wurde ein führender Exponent ihrer Expansionsziele. Als Vertreter dekadenter Literaturströmungen schrieb er Schauspiele, Romane und Gesänge, in denen er die nationalistische Politik des Imperialismus und den Hass gegenüber jeder demokratischer Regung ausdrückte und zu einem ideologischen Wegbereiter des Faschismus wurde. An Nietzsche anknüpfend propagierte er den "Übermenschen" und sein Recht, zur Durchsetzung der "imperialen Ziele" Grausamkeit anzuwenden ("Der Triumph des Todes", "Das Feuer"). Die Nationalisten traten für eine verstärkte Rüstung und eine forcierte koloniale Expansion ein. Die Arbeiterklasse war von Anfang an ihr erklärter Feind. 1914 forderte D'Annunzio Italiens Kriegseintritt, der 1915 an der Seite der Entente erfolgte.

D'Annunzio wollte mit dem Einmarsch in Fiume seinen Anspruch unterstreichen, an Stelle Mussolinis die Führung der faschistischen Bewegung mit vordergründig nationalistischem Charakter zu übernehmen. Als das scheiterte, verhielt er sich nach dessen Machtergreifung 1922 ihm gegenüber reserviert. Von irgendeiner Opposition zum "Duce" konnte keine Rede sein. Seine Anhänger schlossen sich größtenteils der faschistischen Partei Mussolinis an.

Nachdem Fiume 1920 in internationalen Verhandlungen zum Freistaat erklärt und Rom ein schmaler Küstenstreifen als Zugang zugestanden wurde, okkupierte Mussolini 1923 die Stadt erneut und schloss sie 1924 an Italien an. Danach feierte er D'Annunzio als Vorkämpfer der Heimführung Fiumes und verlieh ihm den Titel eines Fürsten von Monteneveso. Im Friedensvertrag von 1947 musste Italien Fiume an Jugoslawien zurückgeben. 1976 erkannte es im Grenzvertrag mit Jugoslawien (Vertrag von Osimo) die Nachkriegsgrenzen zwischen beiden Staaten endgültig an. Die MSI-Faschisten nannten ihn einen "Schandvertrag" und erkannten die Grenzregelung nicht an. Daran halten heute auch die auf die MSI zurückgehenden FdI fest.

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Quelle:
© 2019 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. September 2019

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