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ITALIEN/293: Landtagswahlen nach Di Maios Rücktritt für das Schicksal der Regierung entscheidend (Gerhard Feldbauer)


Nach Rücktritt von Sterne-Führer Di Maio

Landtagswahlen in Italien werden entscheidend für Schicksal der Regierung gesehen

von Gerhard Feldbauer, 23. Januar 2020


Vier Tage vor den Wahlen in den Regionen (Ländern) in der Emilia Romagna im Norden und im südlichen Kalabrien am kommenden Sonntag ist der politischer Führer der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S), Luigi Di Maio, am Mittwoch zurückgetreten. Er habe damit "die Konsequenzen" aus den schweren Niederlagen seit der Parlamentswahl im März 2018 gezogen, wo die Sterne über 32 Prozent erreicht hatten, kommentieren die meisten Medien, so der Mailänder Corriere della Sera, am Donnerstag. M5S musste bei den EU-Wahlen 2019 und in drei Regionen, so zuletzt im Oktober 2019 in Umbrien, Stimmenverluste bis unter acht Prozent einstecken.

Die Bewegung bildete mit Di Maio als Vizepremier nach den Wahlen vom März 2018 mit der faschistischen Lega unter dem parteilosen Jura-Professor Giuseppe Conte eine Regierung. Im August 2019 brachte Lega-Chef Salvini diese zu Fall, um Neuwahlen zu provozieren, mit denen er hoffte, selbst Regierungschef zu werden. Das scheiterte, weil Conte mit dem sozialdemokratischen Partito Demokratico (PD) eine neue Regierung bildete, in die M5S eintrat. Die Kollaboration mit der Lega, die unter Salvini als Innenminister einen rassistischen Kurs der Flüchtlingsabwehr, der Verfolgung von Migranten betrieb und die Verbrechen des faschistischen Diktators Mussolini (1922-1945) verherrlichte, wurde von Anfang an von der M5S-Basis mehrheitlich abgelehnt.

Von der in der Partei um sich greifenden Krise zeugt, dass 31 Abgeordnete und Senatoren sie verließen, 14 eine gemischte Gruppe bildeten, drei zur Lega, einer zur Forza Italia (FI) Berlusconis, einer zu den Brüdern Italiens (FdI) Giorgia Melonis überliefen. Danach wurden die Forderungen nach einem Rücktritt des Sterne-Chefs immer lauter. Aus Furcht vor neuen Niederlagen am kommenden Sonntag hat Parteigründer Beppe Grillo, der Di Maio bisher stützte, nun dessen Rücktritt durchgesetzt. Dieser behält jedoch sein Regierungsamt als Außenminister. Mit der Interims-Führung, hochtrabend "Regentschaft" genannt, wurde der Mitbegründer von M5S und Staatssekretär im Innenministerium, Senator Vito Crimi beauftragt. Der enge Vertraute Grillos ist bisher wenig in Erscheinung getreten. Über die Nachfolge werde, wie Grillo ankündigte, im März ein Parteitag entscheiden, der auch die Grundfragen der Politik von M5S neu definieren soll. Die Sterne befänden sich "im freien Fall", schrieb der Corriere, "eine Ära gehe zu Ende", aber "eine Wende sei offen".

Mehr als bereits vorher wird nun vor allem bei der Wahl in der Emilia Romagna erwartet, dass sie zur "Zerrreißprobe" für das Schicksal der Regierung Conte wird. Dort tritt der bisherige Amtsinhaber, der PD-Politiker Stefano Bonaccini, als Kandidat einer linken Mitte gegen den Bewerber der Lega an, der von den Faschisten der FI und der FdI unterstützt wird. Nachdem Di Maio ein Bündnis mit der PD ablehnte, tritt M5S allein an, um, wie die römische La Repubblica schrieb, den Sozialdemokraten zu schaden, was aber vor allem der Lega nutze. Salvini, der trommelte, die "rote Hochburg" in der Emilia zu schleifen, bekräftigte laut ANSA vom Donnerstag, danach sei "Schluss mit der Regierung in Rom".

Das Zünglein an der Waage könnte die neue Protestbewegung der "Sardinen" sein, der es in den vergangenen Wochen gelang, Hunderttausende gegen Rassenhass und Ausländerfeindlichkeit der Lega zu mobilisieren. Zuletzt am vergangenen Sonntag eine Kundgebung in der Provinzhauptstadt Bologna in der Emilia mit 40.000 Teilnehmern, auf der ihr Sprecher Mattia Santori laut der Nachrichtenagentur ANSA die Unterstützung Bonaccinis signalisierte. Die PD sei die Partei, "die uns die meiste Aufmerksamkeit geschenkt hat und die eine echte Offenheit uns gegenüber zeigt". Der Regierung Conte bot Santori Zusammenarbeit an. Nannte als Bedingung dafür jedoch, dass das "Sicherheitsgesetz" (das Salvini, als er noch Innenminister der ersten Regierung Conte mit M5S war, zur Flüchtlingsabwehr und Migrantenunterdrückung durchgesetzt hatte) abgeschafft wird.

PD-Sekretär Nicola Zingaretti begrüßte die Unterstützung für Bonaccini und schloss einen Beitritt der Sardinenbewegung nicht aus, betonte aber laut ANSA, man wolle "niemanden annektieren oder einbeziehen". Santori entgegnete, es sei "zu früh, um zu entscheiden, ob wir an dieser Phase teilnehmen können, wir befinden uns in der Schwangerschaftsphase", aber der Dialog habe begonnen. Zu Fragen der Bündnispolitik und ob die Sardinen sich selbst als eine neue Partei konstituieren, werde, so verlautet aus Kreisen der Sardinen, im März auf einem Kongress entschieden. Allerdings werden im Vorfeld solcher Erwägungen bereits Fragen nach der Rolle und Orientierung laut.

"Die Demokratische Partei ist die einzige wichtige Säule und ein Bollwerk von Nord nach Süd, das ein glaubwürdiges Entwicklungsprojekt für unser Land wieder aufbaut, um die Arroganz, die die politische Konfrontation von rechts auslöst hat, zu überwinden", äußerte Zingaretti zur Rolle der PD, die unter ihm wieder stärker ihr sozialdemokratisches Outfit herausstellt. Die "Sardinen", die bisher vor allem als Protest-Partei ohne ein näher definiertes politisches Profil agieren, beanspruchen aber ebenso, so Santori, "für viele Menschen die erste echte Alternative zu rechtsgerichteter Souveränität und Populismus" zu sein. Das sei "anfangs so nicht vorgesehen" gewesen, bedeute aber für uns eine große Verantwortung, aber auch eine Hoffnung für das, was von hier aus in Zukunft passieren wird".

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Quelle:
© 2020 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Januar 2020

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