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ITALIEN/324: COVID-19 in Italien - Überraschung, Schreck, Verlauf ... 14.5.2020 (SB)



In Italien hat sich das Kabinett auf das gestern vorgelegte "Dekret für Wiederbelegung" (Decreto Rilancio), wie das von Ministerpräsident Giuseppe Conte bereits Anfang April angekündigte Corona-Hilfspaket mit einem Umfang von über 55 Milliarden Euro genannt wird, geeinigt. Wie die Nachrichtenagentur ANSA am heutigen Donnerstag berichtet, sind nach Angaben Contes darüber hinaus weitere 155 Milliarden Euro "für den Neustart der italienischen Wirtschaft" vorgesehen.

Mit dem vielen in dem Hilfspaket beschlossenen Maßnahmen sollen Familien und Unternehmen unterstützt werden. So wird es einmalige Steuererleichterungen im Umfang von vier Milliarden Euro (keine Steuerreform) geben. Familien mit einem Einkommen von weniger als 40.000 Euro pro Jahr erhalten eine Steuergutschrift von bis zu 500 Euro. Mit neuen Regeln soll die Kreditvergabe an Unternehmen beschleunigt werden. 3,25 Milliarden Euro sind für die Gesundheitsversorgung vorgesehen. Schulen sollen Zuschüsse erhalten, allein für Fernunterricht sind 351 Millionen Euro geplant. Die Universitäten sollen 1,4 Milliarden Euro erhalten, unter anderem für die Forschung sowie die Einstellung von 4000 neuen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Das Verbot von Entlassungen wird um weitere drei Monate verlängert. Unternehmen in der Gastronomie werden bis zur Regularisierung illegal beschäftigter migrantischer Arbeiterinnen und Arbeiter mit bis zu 2 Milliarden Euro unterstützt.

Ziel all dessen sei, wie Ministerpräsident Conte betonte, die "wirtschaftliche und soziale Erholung zu verwirklichen", die "Unternehmen wiederzubeleben und eine rasche Erholung zu unterstützen". "Wir helfen Familien mit Kindern", erklärte der Regierungschef, es gebe "ein Noteinkommen". Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer seien bisher bereits 4,6 Millionen Euro ausgezahlt worden. Damit spielt Conte offenbar auf ein vorheriges, bereits im März auf den Weg gebrachtes Hilfspaket im Umfang von 25 Milliarden Euro zur Abmilderung der finanziellen Folgen der Corona-Krise. Notleidende Familien und Unternehmen haben allerdings vielfach beklagt, daß die versprochenen Hilfen bis heute nicht bei ihnen angekommen seien. [1]

Die nun im Kabinett nach vielen Streitigkeiten erzielte Einigung über das 55-Milliarden-Dekret bedeutet nicht, daß tatsächlich alle Hürden zu seiner Umsetzung genommen wären. Aus einer von ANSA zitierten Erklärung von Finanzminister Roberto Galtieri, in der dieser hervorhebt, daß "maximale Anstrengungen" erforderlich seien, "um sofort Ressourcen zu beschaffen und das Land wiederzubeleben", geht auch hervor, daß alles noch davon abhänge, ob die Gelder von Brüssel genehmigt werden.

Außerdem muß das Wiederbelegungsdekret noch vom Parlament abgesegnet werden, dem es nun ANSA zufolge vorgelegt wird. Ministerpräsident Conte hoffe "auf eine Mehrheit", auch "mit der Opposition". Ob es ihm gelingen wird, das Hilfspaket tatsächlich durchzubringen, ist allerdings fraglich. So signalisierte der Chef der sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) Nicola Zingaretti bereits Zustimmung, doch die Opposition lehnt ab.

Laut ANSA erklärte Lega-Chef Matteo Salvini, es handele sich um "Wohlfahrt, Bürokratie, Statismus und wenig Geld im Regen". Dem Dekret fehle eine Vorstellung von der Entwicklung des Landes, es gebe "wenig oder nichts für die Familien". Die Geduld sei "vorbei", die Lega sei "nicht angehört oder beteiligt" gewesen. Die Führerin von Fratelli d'Italia (FdI), Giorgia Meloni, forderte ANSA zufolge, Conte möge doch mitteilen, wann "die Familien und Unternehmen die angekündigten Ressourcen erhalten werden".

In der Abgeordnetenkammer könne Conte nach Einschätzung von Beobachtern mit Zustimmung rechnen, im Senat allerdings scheint dies auf der Kippe zu stehen. Würde das Parlament dem Paket eine Absage erteilen, stünde die nächste Regierungskrise vor der Tür.


Fußnote:

[1] https://www.faz.net/2.1677/rom-schnuert-neues-55-milliarden-hilfspaket-16768642.html

14. Mai 2020


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