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ITALIEN/332: Premier Conte begrüßt EU-Wiederaufbauplan - Warnung vor eingeschränkter Souveränität (Gerhard Feldbauer)


Kehrtwende in Rom

Premier Conte begrüßt "Wiederaufbauplan" der EU
Warnungen vor Einschränkung der Souveränitätsrechte

von Gerhard Feldbauer, 29. Mai 2020


Das "Wiederaufbauplan" getaufte Konjunkturprogramm der EU über 750 Mrd. Euro ist in Rom laut der Nachrichtenagentur "ANSA" am Donnerstag überschwänglich als "ausgezeichnetes Signal der EU" begrüßt worden. Premier Giuseppe Conte hatte bereits am Mittwoch getwittert, es sei "ein optimales Signal aus Brüssel", das genau in die Richtung gehe, die Italien aufgezeigt habe. Da hatte der Regierungschef wohl vergessen, dass er wochenlang "Corona-Bonds" gefordert und ihre Ablehnung vor allem durch Berlin als fehlende Solidarität attackiert hatte. Die römische "La Repubblica" vermerkte zum Nachgeben Contes entschuldigend, es sei eine "unbequeme, aber unwiderlegbare Wahrheit", dass Italien ohne die EU die Situation mit der öffentlichen Verschuldung "nicht in den in den Griff bekommen" werde.

Italien rechne, so "ANSA", mit dem Löwenanteil an den vorgeschlagenen Mitteln des Sanierungsfonds: Von den erwarteten 500 Milliarden Euro an nicht rückzahlbaren Zuwendungen und 250 Milliarden Euro an Krediten belaufe sich das italienische Paket auf 172,7 Milliarden, davon 82 nicht rückzahlbare Beihilfen, 91 seien Darlehen. Am Freitag ging die Agentur darauf ein, dass die EU-Mittel nur im Zusammenhang mit Reformen vergeben, ansonsten die Raten ausgesetzt würden. Das bezieht sich offensichtlich darauf, dass zum Beispiel Außenminister Di Maio von M5S vor möglichen Bedingungen warnte, die an den Fonds gebunden sind, dessen Gelder als Ausleihe ausbezahlt werden, die zurück zu zahlen ist.

Wirtschaftsexperten verwiesen darauf, dass alles zwischen Frankreich und Deutschland verhandelt worden sei und auch die 250 Mrd. Euro Anleihen und die übrigen 500 Mrd. als strukturelle Fonds zu sehen seien, was heiße, dass es Fonds sind, die durch die Staatenbeteiligung am Budget der EU finanziert und über mehrere Jahre ausgegeben werden. Ihr Gebrauch werde kontrolliert und den Prioritäten der deutschen und französischen Industrie untergeordnet. Wie "ANSA" beruhigend zu erklären versuchte, gehe es darum, dass "nicht von gemeinsamen Prioritäten wie Digital und Green Deal" abgewichen werde und dass die Förderung strukturschwachen Bereichen zugute käme, die die Wirtschaft anfällig und leistungsschwach zu machen drohten.

"Der Wiederherstellungsfonds soll nicht nur die Unterstützung des Notfalls sein, sondern ein langfristiger Plan, der die Staaten auch ohne Auflagen dazu verpflichtet, die seit Jahren von Brüssel geforderten Reformen durchzuführen." Aber auch "ANSA" muss einräumen, dass die Mittel in Form von Tranchen bereitgestellt werden und diese an Ziele gebunden sind: "Wer sie nicht erreicht, verliert die Rate". Der mit 750 Milliarden Euro dotierte Wiederherstellungsfonds, von denen fast 173 Euro für Italien reserviert sind, werde hauptsächlich über die Wiederherstellungs- und Resilienzfazilität tätig, die 560 Milliarden Euro bestünden zu 310 Euro aus Zuschüssen und 250 Euro aus Darlehen.

"Sie werden gemäß eines Verteilungsschlüssels, der das Pro-Kopf-BIP, die Arbeitslosigkeit und die Bevölkerung berücksichtigt, an die Staaten verteilt und dienen der Finanzierung öffentlicher Investitionen und Reformen, die von den Staaten gewählt, aber von der EU angegeben werden." Dazu wird EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni von der sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) zitiert, der zu beruhigen sucht, dass "es nichts mit der Konditionalität und dem Eindringen von Brüssel zu tun habe, dass es freiwillig ist und die Mitgliedstaaten die Verantwortung für ihr eigenes Wachstum übernehmen". Die EU-Staaten würden entscheiden, wie, wo und wann sie Hilfe ausgeben und dazu einen "Sanierungsplan" entwickeln, in dem der Bestimmungsort der Mittel bis 2024 genau angegeben und die zu erreichenden Ziele für die Erlangung der verschiedenen Hilfstranchen festgelegt werden.

Aber auch Gentiloni kommt nicht umhin einzugestehen, dass der Plan mit den gemeinsamen europäischen Zielen, d. h. Investitionen in die digitale und grüne Wirtschaft, kohärent sein und die Empfehlungen umsetzen müsse, die die Kommission im Mai im Rahmen des Europäischen Semesters, d. h. des Überwachungszyklus, jährlich an jedes Land richtet. Zwar gebe es keine Ausgabenbeschränkung, aber "die Unterstützung von Zuschüssen hängt sicherlich mit der erfolgreichen Umsetzung der Politik zusammen". Schließlich warnt Gentiloni, angesichts dieser großen Menge an Ressourcen nicht zu vergessen, "dass wir ein hoch verschuldetes Land sind" und dass wir mittelfristig "die Schulden auf einen überschaubaren Weg bringen müssen, weil wir sonst in ein paar Jahren das Risiko eingehen, in Schwierigkeiten zu geraten".

"ANSA" zitiert schließlich EU-Kommissar Valdis Dombrovskis: Wenn die Mitgliedstaaten "die von der EU festgelegten Prioritäten" nicht einhalten und "die Ziele nicht umsetzen, verlieren sie das Geld einer Rate". Noch ist das Programm nicht unter Dach und Fach. Im Palazzo Chigi (dem Regierungssitz) rechne man "mit schwierigen Verhandlungen", die nicht vor der Ratssitzung im Juni abgeschlossen sein dürften, heißt es bei "ANSA". Hinzu kommt, dass Conte ein neues Dekret über die Umsetzung des "Wiederaufbauplans" vorlegen und Abgeordnetenhaus und Senat es absegnen müssen.

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Quelle:
© 2020 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Mai 2020

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